Umsatzsteuer | Mitwirkungspflichten des leistenden Unternehmers bei Abtretungen in Bauträgerfällen (BFH)
Im Rahmen der dem leistenden Unternehmer gem. § 27 Abs. 19 Satz 4 Nr. 4 UStG obliegenden Mitwirkungspflichten hat dieser alles ihm Zumutbare zu tun, um dem Finanzamt die Realisation des abzutretenden Anspruchs gegen den Leistungsempfänger auf Zahlung der gesetzlich geschuldeten Umsatzsteuer zu ermöglichen (; veröffentlicht am ).
Hintergrund: Nach § 27 Abs. 19 Satz 4 UStG wirkt die Abtretung an Zahlungs statt, wenn der leistende Unternehmer dem Leistungsempfänger eine erstmalige oder geänderte Rechnung mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer ausstellt (Nr. 1), die Abtretung an das FA wirksam bleibt (Nr. 2), der Leistende dem Leistungsempfänger diese Abtretung unverzüglich mit dem Hinweis anzeigt, dass eine Zahlung an den leistenden Unternehmer keine schuldbefreiende Wirkung mehr hat (Nr. 3) und der Leistende seiner Mitwirkungspflicht nachkommt (Nr. 4).
Sachverhalt: Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Abtretung der Klägerin, einer bauleistenden GmbH, deren Unternehmensgegenstand die Herstellung von Estrichen ist, gem. § 27 Abs. 19 Satz 4 UStG an Zahlungs statt wirkt. Das FA hatte die Erfüllungswirkung der Abtretungen der Klägerin abgelehnt, da die Klägerin ihrer Mitwirkungspflicht (hier die zeitgerechte Einreichung der Abtretungsvereinbarung) nicht nachgekommen sei. Das FG der ersten Instanz wies die Klage in diesem Streitpunkt ab ().
Auf die Revision der Klägerin hoben die Richter des BFH das Urteil auf und gaben der Klage statt:
Vorliegend ist die Wirkung der Abtretung an Zahlungs statt nicht wegen Verletzung von Mitwirkungspflichten im Sinne von § 27 Abs. 19 Satz 4 Nr. 4 UStG ausgeschlossen.
Was im Einzelnen Inhalt der in § 27 Abs. 19 Satz 4 Nr. 4 UStG genannten Mitwirkungspflichten ist, ist weder dem Gesetzestext noch der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 18/1995, S. 111) zu entnehmen.
Die in § 27 Abs. 19 Satz 4 Nr. 4 UStG bezeichneten Mitwirkungspflichten beziehen sich auf § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG, in dessen Rahmen der leistende Unternehmer alles ihm Zumutbare zu tun hat, um dem FA die Realisation des abgetretenen zivilrechtlichen Anspruchs zu ermöglichen. Der leistende Unternehmer muss ihnen nachgekommen sein, damit die Abtretung seiner Forderung auf Umsatzsteuernachzahlung Erfüllungswirkung entfalten kann.
Dem Fiskus soll die Möglichkeit gegeben werden, die nachträgliche Steuererstattung an den Leistungsempfänger zu kompensieren, indem die Finanzbehörde der Steuererstattung in gleicher Höhe einen Gegenanspruch entgegenhalten kann (vgl. dazu , EFG 2019, 1797, Rz 45 ff.; v. - 7 K 7211/18, EFG 2021, 891, Rz 42 ff.; , EFG 2021, 1856, Rz 91; jeweils m.w.N.).
Es soll mithin die Situation herbeigeführt werden, die bestanden hätte, wenn alle Beteiligten von Anfang an von der zutreffenden materiellen Rechtslage ausgegangen wären. Dann hätte der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer zusätzlich zur vereinbarten Nettovergütung an den leistenden Unternehmer gezahlt und der Leistende sie an den Fiskus abgeführt (vgl. dazu , EFG 2021, 1856, Rz 91, m.w.N.).
Der leistende Unternehmer hat daher im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten die Informationen und vertraglichen Unterlagen, insbesondere die Höhe des möglichen Umsatzsteuernachforderungsanspruchs betreffend, dem FA bereitzustellen, damit es die Umsatzsteuer vom Bauträger nachfordern kann (vgl. dazu , EFG 2016, 849, Rz 24, Revisionen der Klägerin und des FA durch - V R 24/16, BFHE 257, 177, BStBl II 2017, 760 als unbegründet zurückgewiesen; vom - 5 K 3578/18 AO, EFG 2021, 1856, Rz 91).
Gemessen daran ist die Klägerin ihren Mitwirkungspflichten in der nach § 27 Abs. 19 Satz 4 Nr. 4 UStG gebotenen Weise nachgekommen.
Es trifft zwar zu, dass sich die Klägerin zunächst auf Vertrauensschutz berufen hat. Allerdings hat die Klägerin ihre Haltung bereits im Jahr 2015 geändert.
Vor allem aber hat die Klägerin dem FA bereits im Jahr 2016 einen Abtretungsvertrag übersandt. Dieses Angebot auf Abschluss eines Abtretungsvertrags im Sinne des § 398 Satz 1 BGB hat das FA ermessenswidrig nicht angenommen.
Das FA war verpflichtet, die ihm von der Klägerin angebotene Abtretung anzunehmen, obwohl die Klägerin nicht versichern konnte, dass die gegenüber G und F bestehenden Ansprüche auf Zahlung der gesetzlichen Umsatzsteuer nicht streitbefangen waren.
Auch musste der Klägerin als Bauleistender zugestanden werden, dass sie die anfangs vielfach rechtlich in Zweifel gezogene Norm des § 27 Abs. 19 UStG bis zur Klärung ihrer Verfassungs- und Unionsrechtmäßigkeit durch das , V R 24/16 (BFHE 257, 177, BStBl II 2017, 760) zunächst kritisch hinterfragte.
Eine Verletzung der Mitwirkungspflichten im Sinne des § 27 Abs. 19 Satz 4 Nr. 4 UStG kann jedenfalls ebenso wenig darin gesehen werden, dass die Klägerin die Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Rechtsnorm und ihrer Anwendung teilte. Es konnte von der Klägerin nicht erwartet werden, dass sie unmittelbar nach Kenntniserlangung über die Erstattungsanträge und deren Rechtsfolgen die Abtretung erklärte und geänderte Rechnungen ausstellte.
Quelle: ; NWB Datenbank (il)
Fundstelle(n):
EAAAJ-71309