BVerwG Beschluss v. - 9 VR 2/24

Kostenentscheidung bei übereinstimmenden Erledigungserklärungen wegen Aussetzung der Vollziehung

Leitsatz

Zur Aussetzung der Vollziehung eines nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a VwGO sofort vollziehbaren straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses von Amts wegen.

Gründe

1 1. Die Beteiligten haben das Verfahren mit Schriftsätzen vom und in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Verfahren ist deshalb in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

2 2. Außerdem ist gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden.

3 a) Hier entspricht es billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens der Antragsgegnerin aufzuerlegen. Denn der Antrag nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Planfeststellungsbeschluss für den vierstreifigen Ausbau der E 233 (B 402/B 213/B 72), Planungsabschnitt 1, von westlich der Anschlussstelle Meppen (A 31) (Bau-km 100+000) bis östlich der Anschlussstelle Meppen (B 70) (Bau-km 111+111,48) vom anzuordnen, hätte voraussichtlich Erfolg gehabt.

4 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fehlt es an einem das Suspensivinteresse des Antragstellers überwiegenden Vollzugsinteresse, wenn der Vorhabenträger während eines längeren Zeitraums keine baulichen Vollzugsmaßnahmen beabsichtigt (stRspr, vgl. etwa 9 VR 1.23 - juris Rn. 5 m. w. N.). In einem solchen Fall liegt es nahe, bereits seitens der Planfeststellungsbehörde die Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses, der wegen des Entfallens der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a VwGO kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist, gemäß § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO von Amts wegen auszusetzen oder auf etwaige Vorabmaßnahmen zu begrenzen (vgl. 9 VR 1.23 - juris Rn. 5 m. w. N.). Der Behörde bleibt es hierdurch unbenommen, auf eine Änderung der Sachlage hin ihre Aussetzungsentscheidung aufzuheben mit der Folge, dass die gesetzliche Anordnung der sofortigen Vollziehung wiederauflebt und der Lauf der Antragsfrist nach § 17e Abs. 2 Satz 4 und 5 FStrG in Gang gesetzt wird (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom - 9 VR 7.11 - Buchholz 406.403 § 63 BNatSchG 2010 Nr. 2 Rn. 8, vom - 9 VR 3.13 - Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 90 Rn. 3 und vom - 9 VR 1.23 - juris Rn. 5). An verwaltungsinternen Maßnahmen zur Vorbereitung des Planvollzugs ist sie in der Zwischenzeit nicht gehindert. Namentlich kann sie - auf eigenes Risiko - die Ausführungsplanung und die Ausschreibung von Bauleistungen vorantreiben (vgl. 9 VR 2.11 - Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 84 Rn. 2). Belässt es die Planfeststellungsbehörde gleichwohl bei dem gesetzlichen Sofortvollzug, führt dies ungeachtet der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zur Begründetheit eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ( 9 VR 1.23 - juris Rn. 5).

5 Dies zugrunde gelegt, hätte der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung bis zur Aussetzung der Vollziehung durch die Antragsgegnerin mangels überwiegenden Vollzugsinteresses Erfolg gehabt. Denn die Vorhabenträgerin beabsichtigt während eines längeren Zeitraums, der aller Voraussicht nach erst nach Abschluss des beim Bundesverwaltungsgericht anhängigen Hauptsacheverfahrens enden wird, keine baulichen Vollzugsmaßnahmen, sondern lediglich verwaltungsinterne Maßnahmen zur Vorbereitung des Planvollzugs, an denen sie auch ohne sofortige Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses nicht gehindert ist. Geplant ist nach der von der Antragsgegnerin in Bezug genommenen Presseberichterstattung über eine Diskussionsveranstaltung am und nach den Erläuterungen der für die Bauausführung zuständigen Leiterin der Landesstraßenbaubehörde in dieser Veranstaltung neben der Erstellung eines Konzepts bis Mitte 2024 zunächst lediglich die EU-weite Ausschreibung der Durchführungsplanung. Mit dem Bau selbst soll hingegen frühestens 2027 begonnen werden (Böckermann, Ausbau der E 233 bei Meppen startet frühestens 2027, S. 6 f., https://www.noz.de/lokales/meppen/artikel/ausbau-der-e-233-bei-meppen-startet-frühestens-2027-46648169 ).

6 b) Es ist auch nach billigem Ermessen nicht deshalb geboten, die Kosten des Verfahrens trotz der voraussichtlichen Begründetheit des Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO dem Antragsteller aufzuerlegen, weil es für ihn, wie die Antragsgegnerin geltend macht, zumutbar gewesen wäre, sich vor der Antragstellung über etwaige drohende Vollzugsmaßnahmen zu informieren, insbesondere sich bei der Antragsgegnerin danach zu erkundigen.

7 Nach § 17e Abs. 2 Satz 1 FStrG kann der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO nur innerhalb eines Monats nach der Zustellung des Planfeststellungsbeschlusses gestellt und begründet werden. Um im Hinblick darauf seine Rechte zu wahren, darf ein Antragsteller es als angemessen ansehen, innerhalb der Monatsfrist des § 17e Abs. 2 Satz 1 FStrG um vorläufigen Rechtsschutz nachzusuchen. Die Einsicht, von diesem Schritt Abstand nehmen zu können, braucht sich ihm nicht aufzudrängen. Denn wie dringlich das Vorhaben ist, das den Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses bildet, liegt außerhalb seiner Erkenntnissphäre. Hingegen hat es die Planfeststellungsbehörde in der Hand, die Einleitung eines gerichtlichen Eilverfahrens innerhalb der Monatsfrist des § 17e Abs. 2 Satz 1 FStrG entbehrlich zu machen, indem sie die Vollziehung nach § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO von Amts wegen aussetzt und dadurch zum Ausdruck bringt, dass nicht beabsichtigt ist, das Planvorhaben in absehbarer Zukunft ins Werk zu setzen (vgl. 4 VR 19.01 - Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 66 S. 2 f.).

8 Auch dies lässt es als billig erscheinen, der Antragsgegnerin die Kosten des Eilverfahrens aufzuerlegen. Denn diese Kosten hätten sich vermeiden lassen, wenn die Planfeststellungsbehörde die Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses von vornherein von Amts wegen ausgesetzt und sich das Eilverfahren deshalb erübrigt hätte (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 4 VR 19.01 - Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 66 S. 4 und - 9 VR 1.23 - juris Rn. 5).

9 3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 1.5 und 34.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2024:250624B9VR2.24.0

Fundstelle(n):
JAAAJ-71193