BVerwG Urteil v. - 3 CN 8/22

2G-Zugangsbeschränkung im Einzelhandel anlässlich der Corona-Pandemie

Leitsatz

1. Nach § 28a Abs. 5 Satz 1 IfSG i. d. F. des Gesetzes vom sind Rechtsverordnungen, die notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 regeln, mit einer allgemeinen Begründung zu versehen; daraus folgt nicht, dass Gerichte der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer solchen Verordnung nur Erwägungen und Feststellungen zugrunde legen dürfen, die in der Begründung enthalten sind.

2. Zur Bindung des Revisionsgerichts an die Auslegung einer Landesverordnung durch die Vorinstanz (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO) und zu den bundesverfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit von 2G-Zugangsbeschränkungen für nicht der Deckung des täglichen Bedarfs dienende Ladengeschäfte anlässlich der Corona-Pandemie (Art. 20 Abs. 3 GG).

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Az: 2 C 294/21 Urteil

Tatbestand

1 Die sechs Antragstellerinnen betreiben jeweils einen Elektronikfachmarkt im Saarland. Sie wenden sich gegen Zugangsbeschränkungen für Ladenlokale im Dezember 2021 und Januar 2022, die die Regierung des Saarlandes zur Bekämpfung der Corona-Pandemie verordnet hatte.

2 § 6 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 3 der Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie (VO-CP) vom (Amtsblatt des Saarlandes Teil I <Amtsbl. I> S. 2740) lautete:

"§ 6

Nachweispflicht über das Nichtvorliegen

einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus

(1) Ausschließlich für Kundinnen und Kunden, Besucherinnen und Besucher sowie Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die einen 2G-Nachweis vorlegen, sowie für Personen, die aufgrund einer medizinischen Kontraindikation, insbesondere einer Schwangerschaft im ersten Schwangerschaftsdrittel, nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden können oder in den letzten drei Monaten aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden konnten, die einen Nachweis im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 dieser Verordnung führen, sind zulässig

[...]

7. der Besuch von Ladenlokalen, Abholangebote und Lieferdienste einschließlich solcher des Online-Handels und Ladenlokale der Grundversorgung sind ohne Einschränkung zulässig. Zur Grundversorgung zählen

der Lebensmitteleinzelhandel, einschließlich Wochenmärkten, Getränkehandel, Direktvermarktern, Metzgereien, Bäckereien, Konditoreien und Ausgabestellen der Tafeln, Apotheken, Reformhäuser, Drogerien, Sanitätshäuser,

c) Orthopädieschuhtechniker, Orthopädietechniker, Zahntechniker, Hörgeräteakustiker, Optiker,

Babyfachmärkte,

e) Tankstellen,

f) Reise- und Kundenzentren des öffentlichen Personennahverkehrs,

g) der Zeitungs- und Zeitschriftenverkauf,

Poststellen, Paketdienste,

i) Banken und Sparkassen,

Reinigungen, Waschsalons,

k) Sozialkaufhäuser,

l) Bau- und Raiffeisenmärkte,

m) Blumengeschäfte, Gärtnereien, Gartenmärkte, Baumschulen sowie Verkaufsstätten für Weihnachtsbäume,

n) Futtermittel und Tierbedarf,

o) Mischsortimenter, in deren gesamtem Warenangebot der von der 2G-Regelung ausgenommene Sortimentsteil wesentlich überwiegt.

(2) [...]

(3) Die Betreiber oder sonstigen Verantwortlichen der in Absatz 1 und 2 genannten Einrichtungen haben die Einhaltung der Nachweispflichten in ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich sicherzustellen. Die Nachweisführung hat durch Gewährung der Einsichtnahme in den Test-, Impf- oder Genesenennachweis gemeinsam mit der Einsichtnahme in ein amtliches Ausweisdokument im Original zu erfolgen. Impfnachweise sind in digital auslesbarer Form vorzulegen. Die zur Überprüfung der Nachweise Verpflichteten sind, soweit dies nicht technisch ausgeschlossen ist, verpflichtet, elektronische Anwendungen zur Überprüfung einzusetzen."

3 Ein 2G-Nachweis im Sinne der Verordnung war ein Nachweis über einen Impfschutz gegen COVID-19 oder über eine Genesung von einer COVID-19-Erkrankung (§ 2 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Satz 1 Nr. 1 und 2 VO-CP). Die Vorschriften galten vom 23. Dezember bis (§ 17 VO-CP; Art. 4 der Verordnung zur Änderung infektionsrechtlicher Verordnungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vom <Amtsbl. I S. 2740, 2752>).

4 § 6 Abs. 1 Nr. 7 der Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie (VO-CP) vom (Amtsbl. I S. 2778) lautete wie folgt:

"7. der Besuch von Ladenlokalen; davon ausgenommen sind Abholangebote und Lieferdienste, einschließlich solcher des Online-Handels, sowie Ladenlokale, deren Waren- oder Dienstleistungsangebot der Deckung des täglichen Bedarfes dient. Zur Deckung des täglichen Bedarfes gehören insbesondere

der Lebensmitteleinzelhandel, einschließlich Wochenmärkten, des Getränkehandels, Direktvermarktern, Metzgereien, Bäckereien, Konditoreien und Ausgabestellen der Tafeln,

b) - l) [...] (wie § 6 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b) bis l) VO-CP vom )

m) Blumengeschäfte, Gärtnereien, Gartenmärkte und Baumschulen,

[...] (wie § 6 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. n) VO-CP vom ) Haushaltswaren."

5 § 6 Abs. 3 VO-CP blieb unverändert. Die Verordnung galt vom bis (§ 17 VO-CP vom ; Art. 3 der Verordnung zur Änderung infektionsrechtlicher Verordnungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vom <Amtsbl. I S. 2778, 2789>).

6 Die nachfolgende Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie (VO-CP) vom (Amtsbl. I S. 14) enthielt in § 6 Abs. 1 Nr. 6 und Abs. 3 VO-CP gleichlautende Regelungen wie § 6 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 3 VO-CO vom ; sie galt vom 14. Januar bis (§ 17 Abs. 1 VO-CP vom ; § 17 Abs. 1 VO-CP vom <Amtsbl. I S. 85_2, 85_10>; Art. 3 der Verordnungen zur Änderung infektionsrechtlicher Verordnungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vom <Amtsbl. I S. 14, 25> und vom <Amtsbl. I S. 85_2, 85_14>).

7 Die Verordnungen waren jeweils gestützt auf (u. a.) § 32 Satz 1 und 2, § 28 Abs. 1 Satz 1 und § 28a des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) vom (BGBl. I S. 1045), zum damaligen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom (BGBl. I S. 5162; im Folgenden: IfSG).

8 Die Antragstellerinnen haben am beim Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Normenkontrollanträge gegen § 6 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 3 VO-CP vom gestellt. Mit Anträgen vom 7. Januar sowie haben sie sich auch gegen die Nachfolgevorschriften gewendet. Mit Beschluss vom - 2 B 295/21 - setzte das Oberverwaltungsgericht auf ihren Antrag § 6 Abs. 1 Nr. 6 VO-CP vom vorläufig außer Vollzug. Nach dem Außerkrafttreten der Vorschriften haben die Antragstellerinnen beantragt festzustellen, dass sie unwirksam waren. Zur Begründung haben sie unter anderem vorgetragen, durch die 2G-Zugangsbeschränkungen sei unverhältnismäßig in ihre Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG eingegriffen worden. Zudem hätten Einzelhändler mit gemischtem Sortiment Elektronikwaren ohne, sie hingegen nur mit Zugangsbeschränkung verkaufen dürfen. Dies habe eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung dargestellt und damit Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.

9 Das Oberverwaltungsgericht hat durch Urteil vom festgestellt, dass § 6 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 3 VO-CP in den Fassungen vom und vom sowie § 6 Abs. 1 Nr. 6 und Abs. 3 VO-CP in der Fassung vom unwirksam waren. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Normenkontrollanträge seien zulässig. Die Antragstellerinnen hätten ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Regelungen, denn die begehrte Feststellung habe eine präjudizielle Wirkung für Entschädigungs- bzw. Schadensersatzansprüche. Die Anträge seien auch begründet. § 6 Abs. 1 Nr. 7 VO-CP vom erweise sich wegen der gleichheitswidrigen Belastung der Antragstellerinnen gegenüber den von der Zugangsbeschränkung ausgenommenen Einzelhändlern als materiell rechtswidrig. Der Katalog der privilegierten Einzelhandelsbetriebe in § 6 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a) bis n) VO-CP und die Zulassung des Verkaufs von Mischsortimenten in Buchst. o) hätten aus Sicht der Antragstellerinnen und anderer sortimentsbezogen betroffener Einzelhändler gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Bei der Ermittlung der Gleichheits- oder Ungleichheitskriterien im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG komme es hier nur auf seuchenrechtlich relevante Tatbestände, Umstände und Gesichtspunkte am Maßstab des Ziels an, mit den streitigen Betriebsbeschränkungen eine weitere Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 zu verhindern. Eine seuchenrechtlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung habe die Mischsortimentsklausel des § 6 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. o) VO-CP vom jedenfalls für die spezialisierten Einzelhändler bedeutet, die - wie auch die Antragstellerinnen - ein Warensortiment handelten, das sie nur mit, die großen SB-Warenhäuser, Vollsortimenter, Discounter und Supermärkte hingegen ohne 2G-Zugangsbeschränkung hätten anbieten dürfen. Auch § 6 Abs. 1 Nr. 7 VO-CP vom und § 6 Abs. 1 Nr. 6 VO-CP vom erwiesen sich als materiell rechtswidrig. Die Regelungen hätten gegen das Gebot der Bestimmtheit von Normen (Art. 20 Abs. 3 GG) verstoßen, weil sich wegen der nicht abschließenden Aufzählung von Ausnahmen nicht mit hinreichender Klarheit ergeben habe, welche sonstigen Ladenlokale von den 2G-Zugangsbeschränkungen ausgenommen gewesen seien. Der Verordnungsgeber habe es unterlassen, den Anwendungsbereich der Ausnahmeregelungen hinreichend anhand objektiver Kriterien zu konkretisieren, die eine willkürliche Vollzugspraxis der Regelungen verhindert hätten. Darüber hinaus sei die Einordnung von Mischsortimentern unklar gewesen. Die Verordnungstexte hätten dazu keine Regelung enthalten. Ausführungen in den Verordnungsbegründungen könnten eine Regelung nicht ersetzen.

10 Zur Begründung seiner vom Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision macht der Antragsgegner im Wesentlichen geltend: Das angegriffene Urteil beruhe auf der Verletzung von Bundesrecht. Die Normenkontrollanträge seien unzulässig. Es fehle am Feststellungsinteresse der Antragstellerinnen, denn ein Schadensersatz- oder Entschädigungsanspruch sei offensichtlich ausgeschlossen. Die Anträge seien auch unbegründet. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Mischsortimentsklausel des § 6 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. o) VO-CP vom habe zu einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung geführt, verstoße gegen Bundesrecht. Die von den 2G-Zugangsbeschränkungen ausgenommenen Ladengeschäfte hätten entweder - wie z. B. der Lebensmitteleinzelhandel - der Deckung eines häufiger auftretenden und in der Regel durch schnellen Einkauf zu befriedigenden Bedarfs und damit der Grundversorgung im weiteren Sinne gedient, oder sie hätten - wie z. B. Baumärkte - einen besonderen Versorgungsbedarf der Bevölkerung bedient. Dass diesen Einzelhandelsbetrieben auch der Verkauf von nicht privilegierten Warensortimenten ohne Zugangsbeschränkung erlaubt gewesen sei, bedeute keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Der Verordnungsgeber habe davon ausgehen dürfen, dass dies grundsätzlich nicht zu einer Erhöhung des Ansteckungsrisikos geführt habe. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, § 6 Abs. 1 Nr. 7 VO-CP vom und § 6 Abs. 1 Nr. 6 VO-CP vom hätten gegen das Gebot der Bestimmtheit von Normen verstoßen, sei gleichfalls bundesrechtswidrig. Das Bestimmtheitserfordernis verlange nicht, dass eine Norm keine Auslegungsprobleme aufwerfe; es genüge, wenn sie mit herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden könnten. Das sei hier der Fall. Was der Verordnungsgeber mit Waren des täglichen Bedarfs gemeint habe, werde aus der Wortbedeutung und anhand der benannten Ladengeschäfte und Einrichtungen hinreichend deutlich. Auch hinsichtlich der Mischsortimenter genügten die Vorschriften dem Bestimmtheitserfordernis. Die Verordnungsbegründungen gäben eine Auslegungshilfe. Das Oberverwaltungsgericht habe zudem rechtsfehlerhaft festgestellt, dass die Vorschriften insgesamt unwirksam gewesen seien. Das Urteil stelle sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Die Verordnungsregelungen hätten eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage im Infektionsschutzgesetz gehabt. Die streitigen 2G-Zugangsbeschränkungen für Ladengeschäfte seien verhältnismäßig gewesen.

11 Die Antragstellerinnen verteidigen das angefochtene Urteil und treten dem Revisionsvorbringen entgegen.

Gründe

12 Die zulässige Revision des Antragsgegners ist teilweise begründet. Die Normenkontrollanträge sind zulässig (1.). Das angefochtene Urteil beruht aber auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), soweit das Oberverwaltungsgericht angenommen hat, § 6 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 3 VO-CP vom sei wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG unwirksam gewesen (2.). Insoweit war das Urteil aufzuheben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO); für eine abschließende Entscheidung über die Wirksamkeit der angegriffenen Regelung fehlen dem Senat die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen (3.). Im Übrigen ist die Revision unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass § 6 Abs. 1 Nr. 7 VO-CP vom und § 6 Abs. 1 Nr. 6 VO-CP vom nicht den Anforderungen des Art. 20 Abs. 3 GG an die Bestimmtheit von Normen genügten (4). Die Feststellung der Unwirksamkeit auf einen Teil der Vorschriften zu beschränken, war bundesrechtlich nicht geboten (5.).

13 1. Die gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO statthaften Normenkontrollanträge sind zulässig. Die Antragstellerinnen haben - was insoweit allein streitig ist - das erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung, dass die beanstandeten Verordnungsregelungen unwirksam waren.

14 a) Ist die angegriffene Norm - wie hier - während der Anhängigkeit eines Normenkontrollantrags außer Kraft getreten, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis trotz Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzziels unter anderem dann fort, wenn ein gewichtiger Grundrechtseingriff von solcher Art geltend gemacht wird, dass gerichtlicher Rechtsschutz dagegen typischerweise nicht vor Erledigungseintritt erlangt werden kann (stRspr, vgl. 3 CN 5.22 - NVwZ 2023, 1846 Rn. 15 und vom - 3 CN 1.22 - BVerwGE 179, 168 Rn. 13, jeweils m. w. N.). Das ist hier der Fall. Innerhalb der Geltungsdauer der Verordnungen war Rechtsschutz in einem Hauptsacheverfahren nicht zu erlangen. Der von den Antragstellerinnen geltend gemachte Eingriff in ihre durch Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG gewährleistete Berufsfreiheit hatte ein Gewicht, das die nachträgliche Klärung der Wirksamkeit der angegriffenen Rechtsvorschriften rechtfertigt. Aufgrund dieser Vorschriften durften ihre Ladengeschäfte in der Zeit vom bis zum nur von Kundinnen und Kunden mit 2G-Nachweis betreten werden; die Antragstellerinnen hatten die Einhaltung der Nachweispflichten durch Kontrollen sicherzustellen. Die Grundrechtsbeeinträchtigungen durch die nahezu einen Monat andauernden 2G-Zugangsbeschränkungen für ihre Ladengeschäfte und die damit verbundenen Kontrollpflichten wiegen nicht so schwer wie eine Betriebsschließung oder Beschränkung auf eine kleine Zahl von Kunden. Sie sind aber von hinreichendem Gewicht, um ein schützenswertes Interesse an der nachträglichen gerichtlichen Klärung der Rechtmäßigkeit der Rechtsvorschriften anzuerkennen; das gilt auch bereits für die erste der Verordnungen. Dass die Antragstellerinnen in der Rechtsform der GmbH beruflich tätig sind, führt nicht zu einer anderen Bewertung ( 3 CN 4.22 - BVerwGE 178, 298 Rn. 18 <Gesellschaft bürgerlichen Rechts> und - 3 CN 6.22 - BVerwGE 178, 322 Rn. 12 und Rn. 16 <GmbH>; vgl. auch - NJW 2022, 1672 Rn. 25 <GmbH>).

15 b) Auf die Frage, ob die Antragstellerinnen zudem im Hinblick auf die Präjudizwirkung der begehrten Feststellung für einen Staatshaftungsprozess ein berechtigtes Interesse haben, kommt es damit nicht an. Ein solches Präjudizinteresse ist allerdings nicht bereits deshalb zu verneinen, weil ein Entschädigungs- oder Schadensersatzanspruch für einen Eingriff durch eine rechtswidrige Verordnungsvorschrift von vornherein ausgeschlossen wäre. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfasst der Entschädigungsanspruch wegen enteignungsgleichen Eingriffs zwar nicht die Fälle legislativen Unrechts, in denen durch eine rechtswidrige oder verfassungswidrige gesetzliche Norm oder auf ihrer Grundlage - u. a. durch eine untergesetzliche Norm - in eine durch Art. 14 GG geschützte Rechtsposition eingegriffen wird. Wie der - (BGHZ 238, 105 Rn. 29) klargestellt hat, gilt dies jedoch nicht, wenn der Eingriff durch rechtswidrige untergesetzliche Normen erfolgt, die - wie die Antragstellerinnen hier geltend machen - an eigenen, nicht auf ein Parlamentsgesetz zurückgehenden Nichtigkeitsgründen leiden.

16 2. Mit seiner Annahme, § 6 Abs. 1 Nr. 7 VO-CP vom habe gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, hat das Oberverwaltungsgericht Bundesrecht verletzt. Zwar hat es rechtsfehlerfrei das Vorliegen einer rechtfertigungsbedürftigen Ungleichbehandlung bejaht (a)). Soweit es angenommen hat, dass sie nicht zu rechtfertigen gewesen sei, hat es indes gegen Bundesrecht verstoßen (b)).

17 a) Das Oberverwaltungsgericht hat § 6 Abs. 1 Nr. 7 VO-CP vom dahin ausgelegt, dass SB-Warenhäuser, Vollsortimentsgeschäfte, Discounter und Supermärkte, in deren gesamtem Warenangebot der von der 2G-Regelung ausgenommene - privilegierte - Sortimentsteil wesentlich überwog, von der 2G-Zugangsbeschränkung ausgenommen waren und auch die nicht von der Ausnahme erfassten Sortimentsteile ohne Zugangsbeschränkung anbieten durften, während Fachgeschäfte - wie die der Antragstellerinnen - ohne einen überwiegenden privilegierten Sortimentsteil nicht von der 2G-Regelung ausgenommen waren und damit solche Sortimentsteile nur mit 2G-Zugangsbeschränkung anbieten durften. An diese Auslegung des nach § 137 Abs. 1 VwGO nicht revisiblen Landesrechts ist der Senat gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO gebunden.

18 Danach begegnet es keinen Bedenken, dass das Oberverwaltungsgericht eine Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG durch die sogenannte Mischsortimentsklausel in § 6 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. o) VO-CP vom bejaht hat. SB-Warenhäuser, Vollsortimenter, Discounter und Supermärkte mit wesentlich überwiegendem privilegiertem Sortimentsteil einerseits und spezialisierte Fachgeschäfte andererseits gehören jeweils zur Gruppe der Ladengeschäfte des Einzelhandels; ihre Sortimente weisen im Hinblick auf von ihnen gehandelte nicht privilegierte Waren Überschneidungen auf. Sie sind insoweit vergleichbar. Eine Ungleichbehandlung lag ausgehend von der Auslegung des Landesrechts durch das Oberverwaltungsgericht darin, dass nach § 6 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. o) VO-CP diejenigen Einzelhandelsgeschäfte, die nach dem Katalog des § 6 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a) bis n) VO-CP von der 2G-Zugangsbeschränkung ausgenommen waren, auch nicht privilegierte Waren im stationären Handel ohne Zugangsbeschränkung anbieten durften, während die nicht von der Beschränkung ausgenommenen Fachgeschäfte hieran gehindert waren und solche Waren nur mit 2G-Zugangsbeschränkung anbieten durften.

19 b) Das Oberverwaltungsgericht hat mit der Bewertung, die dargestellte Ungleichbehandlung sei nicht gerechtfertigt gewesen, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Zwar ist es von zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen (aa)), und auch seine Annahme, es komme bei der Prüfung der in Rede stehenden Mischsortimentsregelung nur auf "seuchenrechtlich relevante" Gründe an, begegnet keinen Bedenken (bb)). Soweit es das Vorliegen derartiger Gründe verneint hat, hat es aber Art. 3 Abs. 1 GG verletzt (cc)).

20 aa) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Normgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (BVerfG, Beschlüsse vom - 1 BvR 2035/07 - BVerfGE 129, 49 <68 f.> und vom - 1 BvR 469/20 u. a. - BVerfGE 162, 378 Rn. 155 f., jeweils m. w. N.; 3 CN 6.22 - BVerwGE 178, 322 Rn. 75). Davon ist auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen (UA S. 20 f.).

21 Seine weitere Annahme, dieser Maßstab gelte auch für den Verordnungsgeber, dessen Gestaltungsspielraum aber nur in dem von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage abgesteckten Rahmen bestehe (UA S. 21 f.), unterliegt ebenfalls keinen Bedenken; sie entspricht den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG (vgl. u. a. - BVerfGE 150, 1 Rn. 209). Ohne Bundesrechtsverstoß hat das Oberverwaltungsgericht insoweit § 28a Abs. 6 Satz 2 IfSG herangezogen, wonach bei Entscheidungen über Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen auf den Einzelnen und die Allgemeinheit einzubeziehen und zu berücksichtigen sind, soweit dies mit dem Ziel einer wirksamen Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) vereinbar ist. Dass es nicht auch auf § 28a Abs. 6 Satz 3 IfSG Bezug genommen hat, ist unschädlich, weil sich bereits aus § 28a Abs. 6 Satz 2 IfSG ergibt, dass auch soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen von Maßnahmen Ungleichbehandlungen rechtfertigen können.

22 bb) Danach ist es nicht zu beanstanden, dass das Oberverwaltungsgericht angenommen hat, es komme hier bei der Ermittlung der Unterschiede zwischen den zu vergleichenden Ladengeschäften nur auf seuchenrechtlich relevante Tatbestände, Umstände und Gesichtspunkte am Maßstab des Ziels an, mit den streitigen Betriebsbeschränkungen eine weitere Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus zu verhindern. Soweit der Begriff "seuchenrechtlich relevant" als "infektiologisch bedeutsam" zu verstehen sein sollte, begegnet das im Hinblick auf die in Rede stehende Mischsortimentsregelung keinen Bedenken; soziale, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Gründe sind für diese Regelung weder geltend gemacht worden noch ersichtlich. Die Annahme, es komme für die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung maßgeblich auf Unterschiede im Hinblick auf die Weiterverbreitung von COVID-19 an, lässt vor diesem Hintergrund keinen Rechtsfehler erkennen.

23 cc) Ein materiell-rechtlicher Fehler (vgl. 1 B 66.21 - juris Rn. 11; Kraft, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 108 Rn. 53) und damit ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt aber darin, dass das Oberverwaltungsgericht das Vorliegen eines rechtfertigenden Grundes auf zu schmaler Tatsachengrundlage verneint hat.

24 (1) Von welchen Tatsachen das Oberverwaltungsgericht bei seiner Bewertung ausgegangen ist, ergibt sich aus dem Urteil nicht (UA S. 22 f.). Tatsächliche Feststellungen zum Vorliegen oder Fehlen infektiologischer Unterschiede zwischen der Möglichkeit des Verkaufs nicht privilegierter Sortimente in den von der 2G-Zugangsbeschränkung ausgenommenen Geschäften des Einzelhandels einerseits und dem Angebot entsprechender Sortimente ohne 2G-Zugangsbeschränkung in Fachgeschäften andererseits, die die Annahme eines fehlenden sachlichen Grundes für die festgestellte Ungleichbehandlung tragen könnten, hat das Oberverwaltungsgericht nicht getroffen.

25 (2) Es konnte nicht deshalb davon absehen, sein Ergebnis auf eine ausreichende Tatsachengrundlage zu stützen, weil die Begründung zur Verordnung vom selbst keinen sachlichen Grund für die vom ihm festgestellte Ungleichbehandlung durch die Mischsortimentsregelung in § 6 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. o) VO-CP anführte. Gemäß § 28a Abs. 5 Satz 1 IfSG sind Rechtsverordnungen, die nach § 32 i. V. m. § 28 Abs. 1 und § 28a Abs. 1 IfSG erlassen werden, mit einer allgemeinen Begründung zu versehen und zeitlich zu befristen. Aus der Begründungspflicht des § 28a Abs. 5 Satz 1 IfSG folgt nicht, dass Gerichte der Prüfung der Rechtmäßigkeit von Verordnungsvorschriften nur solche Erwägungen und Feststellungen zugrunde legen dürfen, die in der Verordnungsbegründung enthalten sind. Aus dem Wortlaut der Norm ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Beschränkung der Rechtmäßigkeitsprüfung auf in der Begründung angeführte Gesichtspunkte; eine ausdrückliche Regelung wäre angesichts des Ausnahmecharakters einer solchen Bestimmung aber zu erwarten gewesen. Auch der Umfang der geforderten Begründung spricht gegen ein solches Verständnis. Verlangt ist lediglich eine "allgemeine Begründung". In der Gesetzesbegründung ist hierzu ausgeführt, es sei zu erläutern, in welcher Weise die Schutzmaßnahmen im Rahmen eines Gesamtkonzepts der Infektionsbekämpfung dienten; eine empirische und umfassende Erläuterung sei nicht geschuldet (BT-Drs. 19/24334 S. 74). Dass bei einer späteren gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Vorschriften allein die "allgemeine Begründung" heranzuziehen sein sollte, ist fernliegend. Aus Sinn und Zweck des § 28a Abs. 5 Satz 1 IfSG ergibt sich nichts Anderes. Der Zweck der Begründungspflicht, die wesentlichen Entscheidungsgründe für die getroffenen Maßnahmen transparent zu machen und damit insbesondere der Verfahrensrationalität wie auch der Legitimationssicherung zu dienen (BT-Drs. 19/24334 S. 74), kann auch ohne Einschränkung der gerichtlichen Prüfung erreicht werden.

26 (3) Fehlen mithin hinreichende tatsächliche Feststellungen zur Beurteilung des Vorliegens eines die Ungleichbehandlung rechtfertigenden Grundes, kann der erkennende Senat nicht entscheiden, ob § 6 Abs. 1 Nr. 7 VO-CP vom gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen hat und damit unwirksam war.

27 3. Ebenso wenig kann der Senat abschließend entscheiden, ob das angefochtene Urteil sich insoweit aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 144 Abs. 4 VwGO).

28 a) Allerdings lässt die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Vorschriften des § 32 Satz 1 und 2, des § 28 Abs. 1 Satz 1 und des § 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 IfSG seien eine wirksame Ermächtigungsgrundlage für § 6 Abs. 1 Nr. 7 i. V. m. Abs. 3 VO-CP vom gewesen, Rechtsfehler nicht erkennen (vgl. auch § 28a Abs. 8 IfSG, § 1 Abs. 1 des Saarländischen COVID-19-Maßnahmengesetzes vom <Amtsbl. I S. 220> i. d. F. des Gesetzes vom <Amtsbl. I S. 2487_2>). Anhaltspunkte für verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Heranziehung der genannten Gesetzesvorschriften als Grundlage für den Erlass der Verordnungsregelungen sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

29 b) Ob indes die von den Antragstellerinnen geltend gemachten weiteren Einwände gegen die Wirksamkeit des § 6 Abs. 1 Nr. 7 i. V. m. Abs. 3 VO-CP vom durchgreifen, kann der Senat im Hinblick auf die vom Oberverwaltungsgericht vorzunehmende Auslegung irrevisiblen Landesrechts und mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen nicht abschließend entscheiden.

30 c) Das führt gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz, soweit das Oberverwaltungsgericht festgestellt hat, dass § 6 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 3 VO-CP vom unwirksam war.

31 4. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, § 6 Abs. 1 Nr. 7 VO-CP vom und § 6 Abs. 1 Nr. 6 VO-CP vom hätten nicht den Anforderungen des Art. 20 Abs. 3 GG an die Bestimmtheit von Normen genügt, ist revisionsrechtlich hingegen nicht zu beanstanden.

32 a) Nach der Auslegung der Verordnungsvorschriften durch das Oberverwaltungsgericht war der Anwendungsbereich der Ausnahmeregelungen unklar (aa)). An diese Auslegung ist der Senat gebunden (bb)).

33 aa) Das Oberverwaltungsgericht hat die Vorschriften dahin ausgelegt, dass von den 2G-Zugangsbeschränkungen stationäre Ladengeschäfte ausgenommen gewesen seien, deren "Waren- oder Dienstleistungsangebot der Deckung des täglichen Bedarfes dient" (Satz 1). In Satz 2 der Regelungen sei diese Formulierung durch eine nicht abschließende ("insbesondere") beispielhafte Aufzählung von Ladengeschäften und Einrichtungen in den Buchstaben a) bis o) erläutert worden. Der Verordnungsgeber habe zur Klärung der Frage, welche Ladenlokale von der Zugangsbeschränkung befreit gewesen seien, den unbestimmten Rechtsbegriff "zur Deckung des täglichen Bedarfes" herangezogen. Hierzu habe es in den Verordnungsbegründungen geheißen, Ladengeschäfte zur Deckung des täglichen Bedarfes dürften aufgrund ihrer großen Bedeutung für jeden Menschen (wie z. B. Nahrungsmitteleinkauf und Bankgeschäfte) ohne Einschränkung auf 2G, 2G-plus oder 3G unter Einhaltung der speziellen Hygieneregelungen betreten werden. Zur Konkretisierung habe der Verordnungsgeber in einem Ausnahmekatalog beispielhaft verschiedene Einzelhandelsbetriebe aufgezählt, die aber nicht alle einheitlich das Abgrenzungskriterium "zur Deckung des täglichen Bedarfes" erfüllten. Davon sei der Verordnungsgeber selbst ausgegangen. In den Verordnungsbegründungen habe er in Bezug auf Blumengeschäfte, Gartenmärkte u. ä. ausgeführt, diese würden verderbliche Waren anbieten, deren unbeschränkter Verkauf existenzsichernd gewährleistet sein müsse. In Bezug auf Bau- und Raiffeisenmärkte habe er erläutert, diese erfüllten eine Versorgungsfunktion auch für Kunden, die dort verfügbare Waren im Rahmen ihrer Gewerbeausübung benötigten, und seien deshalb von einer Zugangsbeschränkung ausgenommen. Daraus sei zu schließen, dass der Begriff der Deckung des täglichen Bedarfes nicht alleiniges Abgrenzungskriterium für die Ausnahmen von der 2G-Zugangsbeschränkung gewesen sei. Nach dem Willen des Verordnungsgebers hätten die Regelungen auch anderen Ladengeschäften des Einzelhandels den Zugang ohne Beschränkung ermöglichen sollen. Es sei jedoch unklar geblieben, nach welchen Kriterien sonstige Einzelhandelsbetriebe, die ebenfalls nicht der Deckung des täglichen Bedarfes gedient hätten, von den Ausnahmeregelungen erfasst würden; denn weder aus dem Katalog der beispielhaft benannten Ladengeschäfte noch aus der Verordnungsbegründung hätten sich einheitliche, objektivierbare Kriterien für den erweiterten Geltungsbereich der Ausnahmeregelungen ergeben (UA S. 24 f.).

34 bb) An diese Auslegung des nach § 137 Abs. 1 VwGO nicht revisiblen Landesrechts durch das Oberverwaltungsgericht ist der Senat gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO - vorbehaltlich eines zu berücksichtigenden Verfahrensmangels, auf dem das angefochtene Urteil beruhen kann, oder einer Verletzung revisiblen Rechts - gebunden (stRspr, vgl. z. B. 4 CN 6.12 - BVerwGE 149, 373 Rn. 23 ff. m. w. N.; Beschluss vom - 9 B 28.20 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 75 Rn. 7).

35 Der Vortrag des Antragsgegners, nach dem Wortsinn des Begriffs "zur Deckung des täglichen Bedarfes", der beispielhaften Aufzählung in Satz 2 der Regelungen sowie den Erläuterungen in den Verordnungsbegründungen hätte sich hinreichend klar ergeben, welche Ladengeschäfte von den Ausnahmeregelungen erfasst würden, ist nicht geeignet, eine Verletzung von Bundesrecht aufzuzeigen. Auslegungsregeln und allgemeine Rechtsgrundsätze über die Auslegung von Rechtsvorschriften sind Teil des gemäß § 137 Abs. 1 VwGO revisionsgerichtlicher Prüfung grundsätzlich nicht unterliegenden Landesrechts, wenn und soweit es sich - wie hier - um ihre Anwendung im Rahmen von nicht revisiblem Landesrecht handelt (stRspr, vgl. 3 CN 17.22 - juris Rn. 12; Beschlüsse vom - 9 BN 3.08 - juris Rn. 11 m. w. N. und vom - 9 BN 5.09 - Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 40 Rn. 4).

36 b) Verfahrensmängel in Bezug auf die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung von § 6 Abs. 1 Nr. 7 VO-CP vom und § 6 Abs. 1 Nr. 6 VO-CP vom hat der Antragsgegner nicht - wie erforderlich (vgl. § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO) – geltend gemacht.

37 c) Die Auslegung der Verordnungsvorschriften durch das Oberverwaltungsgericht verstößt nicht gegen Bundesrecht.

38 Das Rechtsstaatsprinzip, insbesondere der Vorrang des Gesetzes und die Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG), und das im allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verankerte Willkürverbot stellen eine unübersteigbare bundesrechtliche Grenze jeder Art des Verwaltungshandelns und der Rechtsprechung dar. Im Revisionsverfahren kann deshalb geprüft werden, ob sich das Instanzgericht bei der Anwendung und Auslegung irrevisiblen Rechts so weit vom zugrundeliegenden Gesetz entfernt hat, dass der Zusammenhang mit dem Gesetz nicht mehr hinreichend erkennbar und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt - auch nicht als richterliche Rechtsfortbildung - verständlich ist (vgl. 6 C 42.92 - BVerwGE 96, 350 <352>, vom - 8 C 16.16 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 304 Rn. 18 und vom - 3 CN 17.22 - juris Rn. 18; Beschlüsse vom - 9 B 81.07 - Buchholz 401.00 § 171 AO Nr. 1 Rn. 8 und vom - 6 B 43.16 - juris Rn. 22). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Das vom Oberverwaltungsgericht unter Anwendung juristischer Auslegungsmethoden gewonnene Ergebnis zum Inhalt der in § 6 Abs. 1 Nr. 7 bzw. Nr. 6 VO-CP getroffenen Regelungen bewegt sich nicht außerhalb des Vertretbaren. Seine Annahme, die Warenangebote der in Satz 2 der Regelungen beispielhaft benannten Einzelhandelsbetriebe seien nicht einheitlich dem Begriff "Deckung des täglichen Bedarfes" zuzuordnen gewesen, hat das Oberverwaltungsgericht auf Erläuterungen in den Verordnungsbegründungen gestützt. Seine Schlussfolgerung, der Verordnungsgeber habe weitere nicht der täglichen Bedarfsdeckung dienende Ladengeschäfte des Einzelhandels von den 2G-Zugangsbeschränkungen ausnehmen wollen, ist danach nicht unvertretbar. Das Gleiche gilt für die daran geknüpfte Bewertung des Oberverwaltungsgerichts, aus den Ausnahmekatalogen und den Verordnungsbegründungen hätten sich keine hinreichenden Kriterien zur Bestimmung der sonstigen in den Anwendungsbereich der Ausnahmeregelungen einbezogenen Ladengeschäfte ergeben.

39 d) In dieser Auslegung genügten die Verordnungsregelungen - wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend angenommen hat - nicht den Anforderungen des Art. 20 Abs. 3 GG an die Bestimmtheit von Normen.

40 aa) Nach Art. 20 Abs. 3 GG muss eine Norm, die - wie hier - in Grundrechte eingreift, allgemeine Anforderungen an ihre Bestimmtheit und Klarheit erfüllen. Der Grad der gebotenen Bestimmtheit hängt von den Besonderheiten des in Rede stehenden Sachbereichs und von den Umständen ab, die zu der Regelung geführt haben. Dabei sind die Bedeutung des Regelungsgegenstandes und die Intensität der durch die Regelung erfolgenden Grundrechtseingriffe ebenso zu berücksichtigen wie der Kreis der Anwender und Betroffenen der Norm sowie deren konkretes Bedürfnis, sich auf die Normanwendung einstellen zu können. Es reicht aus, wenn sich im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmungen mithilfe der anerkannten Auslegungsregeln feststellen lässt, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge vorliegen (stRspr, vgl. - BVerfGE 161, 299 Rn. 142 m. w. N.). Das Oberverwaltungsgericht ist insoweit nicht von einem abweichenden Maßstab ausgegangen (vgl. UA S. 23). Seine Annahme, das Bestimmtheitsgebot sei verletzt, wenn es wegen unbestimmter Rechtsbegriffe im Tatbestand einer Vorschrift auch mithilfe der anerkannten Auslegungsmethoden nicht möglich sei, objektive Kriterien zu gewinnen, die eine willkürliche Handhabung durch die Behörden und die Gerichte ausschlössen (UA S. 23 ff.), steht mit dem dargelegten Maßstab im Einklang (vgl. - BVerfGE 21, 73 <80>; Kammerbeschluss vom - 1 BvR 928/08 - NVwZ 2008, 1338 Rn. 26; 4 C 2.94 - BVerwGE 96, 110 <111> und vom - 8 C 21.19 - juris Rn. 19; Beschluss vom - 5 B 109.80 - juris Rn. 3).

41 bb) Das Oberverwaltungsgericht hat die aus Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Anforderungen an die Bestimmtheit der angegriffenen Verordnungsvorschriften nicht überspannt. Es hat dargelegt, auch mithilfe der in Satz 2 der Regelungen aufgezählten Beispiele und der Erläuterungen in den Verordnungsbegründungen hätten sich keine objektivierbaren Kriterien ermitteln lassen, anhand derer der Anwendungsbereich der Ausnahmeregelungen hinreichend zu konkretisieren gewesen sei. Es sei deshalb unklar geblieben, welche anderen Einzelhandelsbetriebe, die ebenfalls nicht der täglichen Bedarfsdeckung gedient hätten, von den 2G-Zugangsbeschränkungen ausgenommen gewesen seien; eine willkürliche Vollzugspraxis sei damit nicht auszuschließen gewesen. Die Regelungen des § 6 Abs. 1 Nr. 7 VO-CP vom und des § 6 Abs. 1 Nr. 6 VO-CP vom hätten daher dem Erfordernis hinreichender Bestimmtheit nicht genügt (UA S. 24 f.). Diese bundesrechtliche Bewertung des Ergebnisses der Auslegung des Landesrechts ist nicht zu beanstanden. Wenn sich im Wege der Auslegung der Anwendungsbereich der Ausnahmeregelungen nicht feststellen lässt, können die Betroffenen und Anwender den Vorschriften nicht entnehmen, ob die von ihnen betriebenen bzw. zu überprüfenden Ladengeschäfte den 2G-Zugangsbeschränkungen unterliegen oder nicht. Gibt es keine hinreichend bestimmten Kriterien für die Anerkennung weiterer Ausnahmen von den Zugangsbeschränkungen, ist eine willkürliche Handhabung in der Vollzugspraxis nicht auszuschließen.

42 cc) Ob - wie vom Oberverwaltungsgericht angenommen - das Fehlen einer Regelung für Mischsortimenter im Verordnungstext, nicht aber in der Verordnungsbegründung zu einem Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 GG geführt hat, kann offenbleiben. Die Frage ist nicht entscheidungserheblich. In der Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht genügten die angegriffenen Vorschriften bereits aus den unter aa) und bb) dargelegten Gründen nicht den Anforderungen des Art. 20 Abs. 3 GG.

43 5. Es verstößt schließlich nicht gegen Bundesrecht, dass das Oberverwaltungsgericht die Feststellung der Unwirksamkeit nicht auf einen Teil der angegriffenen Vorschriften beschränkt hat. Ob und inwieweit § 6 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 3 VO-CP vom teilbar waren, ist eine Frage des nicht revisiblen Landesrechts (vgl. 3 CN 2.21 - BVerwGE 177, 92 Rn. 34). Die dem Entscheidungsausspruch des Oberverwaltungsgerichts zugrundeliegende Bewertung, die Regelungen seien nicht teilbar, ist für das Revisionsverfahren verbindlich (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO). Eine Verletzung von Bundesrecht ist insoweit weder geltend gemacht noch ersichtlich. Das Gleiche gilt in Bezug auf § 6 Abs. 1 Nr. 6 und Abs. 3 VO-CP vom .

44 Die Kostenentscheidung bleibt - auch hinsichtlich des unbegründeten Teils der Revision - der Schlussentscheidung vorbehalten ( 6 C 10.15 - juris Rn. 43).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2024:180424U3CN8.22.0

Fundstelle(n):
UAAAJ-71185