Oberste Finanzbehörden der Länder - S 3812b

Verwaltungsvermögensquote nach § 13b Absatz 2 Satz 2 ErbStG (90-%-Test); Konsequenzen aus dem -

Bezug:

1. Allgemeines

1Der , BStBl 2023 II n.n., entschieden, dass § 13b Absatz 2 Satz 2 ErbStG dahingehend auszulegen ist, dass bei Handelsunternehmen, deren begünstigungsfähiges Vermögen auch aus Finanzmitteln im Sinne des § 13b Absatz 4 Nummer 5 ErbStG besteht und deren Hauptzweck einer Tätigkeit im Sinne des § 15 Absatz 1 Satz 1 EStG dient, für den dort verankerten 90-%-Test die betrieblich veranlassten Schulden von den Finanzmitteln in Abzug zu bringen sind. Dies sei aus systematischen und verfassungsrechtlichen Gründen geboten und widerspreche auch nicht dem Anliegen bzw. dem Ziel des Gesetzgebers, durch den 90-%-Test den Missbrauch der Begünstigung von Unternehmensvermögen nach § 13a ErbStG zu verhindern.

Zur Anwendung des BFH-Urteils gelten die nachfolgenden Ausführungen:

2. Ausweitung auf weitere Fallkonstellationen

2Das Urteil ist zu einem Sachverhalt ergangen, in dem schenkweise Anteile an einer Kapitalgesellschaft übertragen wurden, die zum begünstigungsfähigen Vermögen nach § 13b Absatz 1 Nummer 3 ErbStG gehören. Über den entschiedenen Sachverhalt hinaus ist das Urteil auch auf die übrigen Rechtsformen des begünstigungsfähigen Vermögens nach § 13b Absatz 1 Nummer 1 und Nummer 2 ErbStG anzuwenden. Das Urteil ist ebenso bei der Erbschaftsteuer anzuwenden.

3Voraussetzung für die Anwendung des 90-%-Tests nach § 13b Absatz 2 Satz 2 ErbStG in der vom BFH getroffenen Auslegung ist, dass das nach § 13b Absatz 1 ErbStG begünstigungsfähige Vermögen des Betriebs oder der nachgeordneten Gesellschaften nach seinem Hauptzweck einer Tätigkeit im Sinne des § 13 Absatz 1, des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, des § 18 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes dient (vgl. Feststellung nach § 13b Absatz 10 Satz 1 ErbStG). Über den entschiedenen Sachverhalt hinaus ist die Anwendung des Urteils nicht auf typische Handelsunternehmen begrenzt.

3. Maßgaben für 90-%-Test (Prüfung nach § 13b Absatz 2 Satz 2 ErbStG)

4Die Berechnung unter I. der R E 13b.9 Absatz 2 Satz 1 ErbStR 2019 ist bei der Ermittlung des begünstigten Vermögens nach folgenden Maßgaben vorzunehmen:

I. 90-%-Test (Prüfung nach § 13b Absatz 2 Satz 2 ErbStG)

festgestellter Wert der Finanzmittel (einschließlich junge Finanzmittel) § 13b Absatz 4 Nummer 5 ErbStG

./. festgestellter Wert der jungen Finanzmittel

= Zwischenwert I, mindestens 0 EUR

./. festgestellter Wert der Schulden

= Zwischenwert II, mindestens 0 EUR

+ festgestellter Wert der jungen Finanzmittel

= anzusetzender Wert der Finanzmittel

+ festgestellter Wert des Verwaltungsvermögens (einschließlich junges

Verwaltungsvermögen) § 13b Absatz 4 Nummer 1 bis 4 ErbStG

= Verwaltungsvermögen für den 90-%-Test

Verwaltungsvermögen für den 90-%-Test________

festgestellter Wert des (Anteils) Betriebsvermögens

= Verwaltungsvermögensquote ≥ 90 %, dann insgesamt kein begünstigtes Vermögen

Beispiel:

Folgende Feststellungen des Betriebsfinanzamts nach § 13b Absatz 10 ErbStG liegen vor:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Festgestellter Wert des (Anteils) Betriebsvermögens
500.000 EUR
Festgestellter Wert des Verwaltungsvermögens
210.000 EUR
Festgestellter Wert des jungen Verwaltungsvermögen
100.000 EUR
Festgestellter Wert der Finanzmittel
150.000 EUR
Festgestellter Wert der jungen Finanzmittel
90.000 EUR
Festgestellter Wert der Schulden
70.000 EUR

Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 13b Absatz 4 Nummer 5 Satz 4 und 5 ErbStG erfüllt sind

Lösung:

festgestellter Wert der Finanzmittel (einschließlich junge Finanzmittel)


Tabelle in neuem Fenster öffnen
150.000 EUR
./. festgestellter Wert der jungen Finanzmittel
./. 90.000 EUR
= Zwischenwert I, mindestens 0 EUR
60.000 EUR
./. festgestellter Wert der Schulden
./. 70.000 EUR
= Zwischenwert II, mindestens 0 EUR
0 EUR
+ festgestellter Wert der jungen Finanzmittel
+ 90.000 EUR
= anzusetzender Wert der Finanzmittel
90.000 EUR


Tabelle in neuem Fenster öffnen
+ festgestellter Wert des Verwaltungsvermögens (einschließlich junges Verwaltungsvermögen) § 13b Absatz 4 Nummer 1 bis 4 ErbStG
+ 210.000 EUR
= Verwaltungsvermögen für den 90-%-Test
300.000 EUR

Verwaltungsvermögen für den 90-%-Test 300.000 EUR

festgestellter Wert des (Anteils) Betriebsvermögens 500.000 EUR

= Verwaltungsvermögensquote 60 %

Die Berechnungen in den Beispielen 1 und 2 unter H E 13b.9 ErbStH 2019 ändern sich entsprechend.

5Bei der Berechnung des Verwaltungsvermögens für den 90-%-Test ist kein Abzug des Sockelbetrags von 15 % des festgestellten Werts des (Anteils) Betriebsvermögens (§ 13b Absatz 4 Nummer 5 ErbStG) von den Finanzmitteln (Zwischenwert II oder anzusetzender Wert der Finanzmittel) vorzunehmen.

Die Regelungen in R E 13b.10 Sätze 1, 2 und 5 ErbStR 2019 sind weiterhin anzuwenden. Die Berechnung des übermäßigen Verwaltungsvermögens in H E 13b.10 ErbStH 2019 ist nicht mehr anzuwenden.

4. Prüfung des Vorliegens des Hauptzwecks

4.1 Abstellen auf Feststellung nach § 13b Absatz 10 Satz 1 ErbStG

6Für das Vorliegen der Voraussetzungen der Rz. 3 (Hauptzweckprüfung) ist die Feststellung des Feststellungsfinanzamts nach § 13b Absatz 10 Satz 1 ErbStG über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 13b Absatz 4 Nummer 5 Satz 4 und 5 ErbStG zu übernehmen.

4.2 Entscheidung in Fällen ohne gesonderte Feststellung

7In Fällen, in denen keine gesonderte Feststellung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 13b Absatz 4 Nummer 5 Satz 4 und 5 ErbStG zu erfolgen hat, entscheidet das Erbschaftsteuer-Finanzamt über das Vorliegen der Voraussetzungen der Rz. 3 (Hauptzweckprüfung). In Fällen der Steuerentstehung bis zum können dabei die im Feststellungsbescheid enthaltenen nachrichtlichen Angaben hinsichtlich des Hauptzwecks des Unternehmens (H B 151.9 „Nachrichtliche Angaben“ Nummer 1 Buchstabe c, Nummer 2 Buchstabe c oder Nummer 3 Buchstabe a ErbStH) für die Entscheidung herangezogen werden.

5. Anwendung von § 42 AO

8Sollte die vorgenommene Auslegung des § 13b Absatz 2 Satz 2 ErbStG im Einzelfall dazu führen, dass sich Unternehmen, die der Gesetzgeber aufgrund ihrer hohen Verwaltungsvermögensquote von mindestens 90 % steuerrechtlich nicht begünstigen wollte, aufgrund missbräuchlicher Gestaltung die Begünstigung erschleichen, ist die Anwendung von § 42 AO ausdrücklich nicht ausgeschlossen (vgl. Rz. 30 des o. g. BFH-Urteils, a.a.O.)

6. Zeitliche Anwendung

9Dieser Erlass ist auf alle noch offenen Fälle anzuwenden.

Inhaltlich gleichlautend
Oberste Finanzbehörden der Länder v. - S 3812b
Ministerium für Finanzen Baden-Württemberg - FM3–S 3812-b–1/26
Bayerisches Staatsministerium der Finanzen und für Heimat - 34 – S 3812b – 4/2
Senatsverwaltung für Finanzen Berlin - S 3812 b–1/2016–22
Ministerium der Finanzen und für Europa des Landes Brandenburg - 12-36-S 3812b/2023-001/002
Der Senator für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen - S 3812-b-449/2014-9899/2019
Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg - S 3812b –2023/006 – 53
Hessisches Ministerium der Finanzen - S 3812b A – 018 – II 6
Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern - IV-S 3812b-00000-2023/004
Niedersächsisches Finanzministerium - S 3812b-22-351
Ministerium der Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen - S 3812b – 4 – 2024 - 15820 - V A 6
Ministerium der Finanzen des Landes Rheinland-Pfalz - S 3812-b#2019/0006-0401 448
Saarland Ministerium der Finanzen und für Wissenschaft - S 3812-b-3#003
Sächsisches Staatsministerium der Finanzen - 35-S 3812b/2/3-2024/40407
Ministerium der Finanzen des Landes Sachsen-Anhalt - 43 – S 3812b – 32
Finanzministerium des Landes Schleswig-Holstein - VI 35 - S 3700-058
Thüringer Finanzministerium - 1040-22 - S 3812 b/18

Fundstelle(n):
LAAAJ-70767