Online-Nachricht - Montag, 01.07.2024

Einkommensteuer | Ermittlung der Tarifermäßigung und Verfassungsmäßigkeit des § 32c EStG (FG)

Es bestehen Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit von § 32c EStG. Bei der Anwendung von § 32c EStG ist das Abstellen auf die tarifliche Einkommensteuer auch dann nicht zu beanstanden, wenn diese bei der Steuerfestsetzung um kinderbedingte Freibeträge vermindert wurde, die im Rahmen der Berechnung der fiktiven tariflichen Einkommensteuer nicht zu berücksichtigen sind, weil die fiktiven Einkünfte zu einer hinreichenden Steuerfreistellung durch das Kindergeld führen (; vorläufig nicht rechtskräftig).

Hintergrund: Gemäß § 32c Abs. 1 Satz 1 EStG wird für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft auf Antrag eine sog. Tarifermäßigung nach Satz 2 der Vorschrift gewährt. Konkret wird bezogen auf einen Betrachtungszeitraum von drei Jahren eine Vergleichsberechnung vorgeschrieben: Es wird – jeweils bezogen auf die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft – der Anteil an der tatsächlichen tariflichen Einkommensteuer verglichen mit einem Anteil an einer fiktiv zu berechnenden tariflichen Einkommensteuer. Die fiktive tarifliche Einkommensteuer wird dabei anhand der durchschnittlich im Betrachtungszeitraum erzielten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft ermittelt (§ 32c Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Sätze 2–3 EStG). § 32c Abs. 3 EStG wiederum umschreibt, wie der jeweilige Anteil der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft an der (fiktiven) tariflichen Einkommensteuer zu ermitteln ist. Ergibt der Vergleich, dass der Anteil der Einkünfte an der tatsächlichen tariflichen Einkommensteuer höher ist als derjenige an der fiktiven tariflichen Einkommensteuer, wird die tarifliche Einkommensteuer des letzten Jahres des Betrachtungszeitraums um diesen Unterschiedsbetrag ermäßigt (§ 32c Abs. 1 Satz 2 EStG; vgl. auch § 2 Abs. 6 Satz 1 EStG).

Sachverhalt: Die Beteiligten streiten über die Frage, wie die Tarifermäßigung nach § 32c EStG zu ermitteln ist.

Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr 2016 sowie in den Jahren 2014 und 2015 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Sowohl der Kläger als auch die Klägerin erzielen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (Ackerbau und Mastschweinhaltung). In den Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2014 und 2015 wurden insbesondere folgende Werte zugrunde gelegt:


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2014
2015
Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft
 
 
Kläger
75.718 €
50.880 €
Klägerin
11.686 €
./. 618 €
Einkommen
77.672 €
43.222 €
Freibeträge für 3 Kinder
./. 18.104 €
./.
zu versteuerndes Einkommen
59.568 €
43.222 €
tarifliche Steuer nach Splittingtarif
10.980 €
6.102 €
der Steuer hinzugerechneter Kindergeldanspruch
5.746 €
./.

Im Streitjahr (2016) hatte der Kläger ausweislich des unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheids vom Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 59.739 € und die Klägerin in Höhe von 1.661 € erzielt. Bei einem Einkommen bzw. einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von 53.286 € ergab sich im Rahmen der nach § 31 Satz 4 EStG vorzunehmenden Vergleichsberechnung, dass die kinderbedingten Freibeträge nicht zum Ansatz kommen. Unter dem stellten die Kläger auf der „Anlage 32 c“ einen Antrag auf Gewährung der Tarifermäßigung nach § 32c EStG. Sie bezifferten diesen mit einer Höhe von 717 €. Dabei gingen die Kläger für das Jahr 2014 von einer tariflichen Einkommensteuer laut Steuerbescheid in Höhe von 16.726 € aus. Dies ist der Betrag, der sich ergibt, wenn auf die tarifliche Steuer von 10.980 € laut Steuerbescheid der hinzugerechnete Kindergeldanspruch in Höhe von 5.746 € hinzuaddiert wird. Das Finanzamt (FA) war demgegenüber der Auffassung, es müsse für das Jahr 2014 von einer tariflichen Einkommensteuer in Höhe von 10.980 € ausgegangen werden. Dies führte gegenüber der Berechnung der Kläger zu einem niedrigeren Wert für die anteilig auf die begünstigten Einkünfte entfallende tarifliche Einkommensteuer und insgesamt dazu, dass sich gegenüber den tatsächlichen anteiligen tariflichen Einkommensteuern eine höhere fiktive anteilige tarifliche Einkommensteuer für die Jahre 2014-2016 ergab. Dementsprechend bezifferte das FA die Steuerermäßigung mit 0 €. Das FA erließ unter dem einen ausweislich der Erläuterungstexte nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid, in welchem es die Höhe der Steuer nicht änderte, jedoch den Vorbehalt der Nachprüfung aufhob. Der dagegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Hiergegen richtete sich die Klage. Mit dieser verfolgten die Kläger ihr Begehren aus dem Vorverfahren weiter.

Die Klage vor dem Niedersächsischen FG blieb jedoch erfolglos:

  • Die Vorschrift des § 32c EStG verstößt zwar nach Ansicht des Senats gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Da § 32c EStG die in der Vorschrift geregelte Tarifglättung bzw. Tarifermäßigung nur dann gewährt, wenn zumindest auch Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielt werden, liegt eine unterschiedliche Behandlung von Steuerpflichtigen, die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielen und solchen, die (ausschließlich) andere Einkünfte i. S. von § 2 Abs. 1 EStG erzielen, vor. Somit ist das Gebot der horizontalen Lastengleichheit berührt. Gründe, die die Sonderregelung rechtfertigen können, sind aus Sicht des Senats nicht ersichtlich. Weder unter dem Gesichtspunkt steuerrechtlicher Folgerichtigkeit noch unter dem Gesichtspunkt einer Lenkungsnorm ist die durch § 32c EStG herbeigeführte Ungleichbehandlung zu rechtfertigen.

  • Gleichwohl sieht der Senat von einer Vorlage an das BVerfG ab. Das FA hat, die Verfassungsmäßigkeit von § 32c EStG unterstellt, die Norm zutreffend auslegt und zurecht eine Tarifermäßigung versagt bzw. mit 0 € beziffert. Der Gesetzgeber hat sich im Rahmen der ihm einzuräumenden Typisierungsbefugnis bewegt. Der klare Wortlaut der Vorschrift spricht darüber hinaus gegen eine durch eine Analogie zu füllende Regelungslücke.

  • Die im Streitfall angewandte Berechnungsmethode, von welcher auch das BMF-Schreiben (v. , BStBl 2020 I S. 1217 mit späteren Änderungen, Rn. 41) ausgeht, wird in der Literatur soweit ersichtlich lediglich referiert, aber nicht kritisch begleitet (etwa Kanzler, NWB 2020 S. 3879, 3888 f.; Gossert in Korn § 32c Rn. 36; Nacke in Brandis/Heuermann § 32c Rn. 55).

Hinweis:

Siehe hierzu auch bereits KKB/Kanzler, § 32c EStG Rz. 48.

Quelle: ; vorläufig nicht rechtskräftig; NWB Datenbank (sti)

Fundstelle(n):
ZAAAJ-70181