BGH Urteil v. - IX ZR 143/23

Leitsatz

Widerspricht in einem Eigenverwaltungsverfahren ausschließlich der Sachwalter der Feststellung einer titulierten Forderung zur Tabelle, ist er und nicht der eigenverwaltende Schuldner befugt, den Widerspruch durch Aufnahme des anhängigen Rechtsstreits weiterzuverfolgen.

Gesetze: § 240 S 1 ZPO, § 179 Abs 2 InsO, § 180 Abs 2 InsO, § 283 Abs 1 S 1 InsO

Instanzenzug: OLG Zweibrücken Az: 8 U 49/15vorgehend LG Frankenthal Az: 7 O 259/14

Tatbestand

1Die Parteien streiten um die Anfechtung von Zahlungen der B.                 GmbH & Co. KG (fortan: Schuldnerin) an die Beklagte. Zwischen der Schuldnerin und der Beklagten bestand eine laufende Geschäftsbeziehung. Auf einen am eingegangenen Eigenantrag eröffnete das Insolvenzgericht am das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Er nahm die Beklagte auf Zahlung von 64.948 € unter dem Gesichtspunkt der Vorsatzanfechtung in Anspruch.

2Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Deren Revision hat zur Aufhebung des Berufungsurteils durch den Senat und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht geführt (, NZI 2019, 594). Im neuen Berufungsverfahren ist gegen die im Verhandlungstermin vom säumige Beklagte ein Versäumnisurteil ergangen, gegen welches sie Einspruch eingelegt hat. Am eröffnete das Insolvenzgericht auf ihren Antrag das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen in Eigenverwaltung und bestellte Rechtsanwalt R.      zum Sachwalter.

3Der Kläger meldete die Klageforderung zur Tabelle des Eigenverwaltungsverfahrens an. Der Sachwalter widersprach der Feststellung der Forderung zur Tabelle. Unter dem haben die Beklagte einerseits und der Sachwalter andererseits beim Berufungsgericht erklärt, das Verfahren aufzunehmen. Im Verhandlungstermin vor dem Berufungsgericht am hat nur die Beklagte beantragt, die wirksame Aufnahme des Rechtsstreits festzustellen; der Sachwalter hat davon abgesehen, seinen Antrag auf Feststellung aufrechtzuerhalten.

4Das Berufungsgericht hat mit Zwischenurteil festgestellt, dass der Rechtsstreit weiterhin unterbrochen ist. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter.

Gründe

5Die Revision ist nicht begründet.

I.

6Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Da nur der Sachwalter der Forderungsanmeldung widersprochen habe, könne die Beklagte als Schuldnerin den Widerspruch nicht verfolgen. Denn § 184 Abs. 2 InsO gestatte es dem Schuldner nur, seinen eigenen Widerspruch zu verfolgen. Abgesehen davon, dass der Sachwalter seinen Antrag auf Aufnahme des Rechtsstreits ohnehin zurückgenommen habe, fehle diesem auch eine Aufnahmebefugnis. Übe der Sachwalter sein Widerspruchsrecht gemäß § 283 Abs. 1 Satz 1 InsO aus, dürfe nur der anmeldende Gläubiger aktiv werden. Dieser könne die Aufnahme des unterbrochenen Rechtsstreits betreiben.

II.

7Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Rechtsstreit unterbrochen ist. Die Unterbrechung ist nicht aufgrund der Aufnahmeerklärung der Beklagten beendet worden.

81. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten in Eigenverwaltung ist der Rechtsstreit gemäß § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen worden (vgl. , ZIP 2007, 249 Rn. 6 ff). Gemäß § 240 Satz 1 ZPO kommt eine Aufnahme des unterbrochenen Rechtsstreits ausschließlich unter den Voraussetzungen der §§ 85, 86, § 180 Abs. 2 InsO in Betracht (vgl. , WM 2023, 779 Rn. 16 mwN).

92. Gemäß § 174 Abs. 1 Satz 1 InsO, § 270c Satz 2 InsO in der bis zum geltenden und hier gemäß Art. 103m EGInsO noch anzuwendenden Fassung der Bestimmung vom (BGBl. I S. 2582) haben die Insolvenzgläubiger ihre Forderungen schriftlich beim Sachwalter anzumelden. Gemäß § 283 Abs. 1 Satz 1 InsO können bei der Prüfung der Forderungen außer den Insolvenzgläubigern der Schuldner und der Sachwalter angemeldete Forderungen bestreiten. Gemäß § 283 Abs. 1 Satz 2 InsO gilt eine Forderung, die ein Insolvenzgläubiger, der Schuldner oder der Sachwalter bestritten hat, nicht als festgestellt. Gemäß § 179 Abs. 2 InsO, der gemäß § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO auch auf die Eigenverwaltung Anwendung findet, obliegt es dem eine angemeldete Forderung Bestreitenden, den Widerspruch zu verfolgen, wenn für eine solche Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vorliegt. War zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig, ist die Feststellung gemäß § 180 Abs. 2, § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO durch Aufnahme des Rechtsstreits zu betreiben.

103. Daran gemessen, hätte im Streitfall - abgesehen von dem als Gläubiger nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ebenfalls aufnahmeberechtigten Kläger (vgl. , BGHZ 139, 132, 133 f zu § 11 Abs. 3 Satz 2 GesO, § 146 Abs. 6 KO; Beschluss vom - III ZR 204/12, BGHZ 195, 233 Rn. 7; ebenso BAG, NZA 2013, 1303 Rn. 5) - nur der Sachwalter die Aufnahme des Rechtsstreits gemäß § 179 Abs. 2, § 180 Abs. 2, § 283 Abs. 1 Satz 1 InsO wirksam betreiben können.

11a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat nur der Sachwalter der Feststellung der Forderung des Klägers zur Tabelle in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten widersprochen. Gegenstand des Zwischenurteils des Berufungsgerichts ist jedoch ausschließlich die Wirksamkeit der Aufnahmeerklärung der eigenverwaltenden Beklagten gemäß § 179 Abs. 2, § 180 Abs. 2 InsO, § 250 ZPO. Diese hat aber ihrerseits der Feststellung zur Tabelle gemäß § 178 Abs. 1 Satz 1, § 283 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht widersprochen.

12b) Offenbleiben kann ob § 184 Abs. 2 InsO auf den eigenverwaltenden Schuldner Anwendung findet (vgl. , NZI 2013, 1025 Rn. 9 ff), wie das Berufungsgericht gemeint hat. Nach der wohl herrschenden Meinung im Schrifttum ist das indes nicht der Fall, weil der Schuldner im Insolvenzverfahren gleichsam sein eigener Verwalter und deshalb im vorliegenden Zusammenhang rechtlich wie ein Insolvenzverwalter zu behandeln sei. Danach wäre auf den eigenverwaltenden Schuldner § 180 Abs. 2 InsO anzuwenden und die Ausschlussfrist des § 184 Abs. 2 Satz 1 InsO gälte für ihn nicht (vgl. HK-InsO/Brünkmans, 11. Aufl., § 283 Rn. 6; MünchKomm-InsO/Kern, 4. Aufl., § 283 Rn. 10 f; Holzer in Prütting/Bork/Jacoby, InsO, 2021, § 283 Rn. 3; Graf-Schlicker/Graf-Schlicker, InsO, 6. Aufl., § 283 Rn. 7; Ringstmeier in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 4. Aufl., § 283 Rn. 5; HmbKomm-InsO/Fiebig, 10. Aufl., § 283 Rn. 3; aA FK-InsO/Foltis, 9. Aufl., § 283 Rn. 2; differenzierend Uhlenbruck/Zipperer, InsO, 15. Aufl., § 283 Rn. 3).

13aa) Selbst wenn man das mit dem Berufungsgericht anders sähe, träfe die Ansicht der Revision, der Schuldner könne (und müsse) einen von dem Sachwalter erhobenen Widerspruch gemäß § 184 Abs. 2 InsO verfolgen, nicht zu. Die Revision zeigt keinen durchgreifenden Grund auf, warum der Schuldner, der sich gegen einen Widerspruch gegen die Feststellung einer bereits titulierten Forderung zur Tabelle entschieden hat, das Bestreiten eines anderen weiterverfolgen können soll. Ein solcher Grund ist auch ansonsten nicht ersichtlich. Allgemein gilt, dass die Aufnahme des unterbrochenen Rechtsstreits gemäß § 179 Abs. 2, § 180 Abs. 2 InsO dem Bestreitenden obliegt, wenn für die Forderung bereits ein (vorläufig) vollstreckbarer Schuldtitel vorliegt (, WM 2014, 1487 Rn. 9).

14Hat der Sachwalter einer zur Tabelle angemeldeten Forderung, für die ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vorliegt, im Prüfungstermin widersprochen, ist der Sachwalter befugt, seinen Widerspruch gemäß § 179 Abs. 2, § 180 Abs. 2 InsO selbst zu verfolgen. § 184 Abs. 2 InsO ist auf den Widerspruch des Sachwalters nicht anwendbar. Entgegen der Revision ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Senats vom (IX ZR 286/12, WM 2013, 1563 ff), dass den Schuldner stets dann, wenn der anmeldende Gläubiger bereits über einen Titel verfügt und nur irgendein Beteiligter, insbesondere aber der Sachwalter, die Forderung im Prüfungsverfahren bestreitet, die Verfolgungslast trifft. Das betrifft nach einhelliger Auffassung vielmehr nur einen von dem Schuldner selbst gegen die Forderung erhobenen Widerspruch (vgl. aaO Rn. 11, 21; vom - IX ZR 30/13, NZI 2013, 1025 Rn. 11; MünchKomm-InsO/Schumacher, 4. Aufl., § 184 Rn. 8d; HK-InsO/Depré, 11. Aufl., § 184 Rn. 6).

15bb) Allerdings erlaubt die höchstrichterliche Rechtsprechung dem Gläubiger in Abweichung von diesem Grundsatz die weitere Verfolgung seiner titulierten Forderung durch Aufnahme des Rechtsstreits, wenn der Bestreitende seinerseits untätig bleibt (vgl. , BGHZ 139, 132, 133 f zu § 11 Abs. 3 Satz 2 GesO, § 146 Abs. 6 KO; Beschluss vom - III ZR 204/12, BGHZ 195, 233 Rn. 7; ebenso BAG, NZA 2013, 1303 Rn. 5). Dahinter steht, dass dem Insolvenzgläubiger die Möglichkeit gegeben werden soll, die durch das Bestreiten verursachte Ungewissheit über sein Recht zu beenden (vgl. aaO).

16Hieraus folgt nichts für die Befugnisse des eigenverwaltenden Schuldners. Dieser kann der Forderung selbst widersprechen und sodann den Rechtsstreit wirksam aufnehmen, wobei anders als im Insolvenzverfahren ohne Eigenverwaltung (§ 178 Abs. 1 Satz 2 InsO) sein Widerspruch gemäß § 283 Abs. 1 Satz 2 InsO auch die Feststellung zur Tabelle hindert. Damit hat es der Schuldner von vornherein selbst in der Hand, den mit der Unterbrechung des Rechtstreits gemäß § 240 Satz 1 ZPO eintretenden Schwebezustand nach Anmeldung der titulierten Forderung seitens des Gläubigers durch eigene Entscheidung zu beenden, wohingegen der Titelgläubiger weder über die Erhebung eines Widerspruchs noch darüber entscheiden kann, ob der Widersprechende seinen Widerspruch verfolgt und sich zur Aufnahme des Rechtsstreits entscheidet oder diese verzögert. In Anbetracht dessen ist es dem Schuldner zumutbar, die mit dem zunächst nicht weiter verfolgten Widerspruch ausschließlich des Sachwalters verbundene Unsicherheit über das Bestehen der gegen ihn titulierten Forderung hinzunehmen, wenn er selbst aufgrund eigener Entscheidung von einem Widerspruch absieht.

17cc) Es ist unzutreffend, wenn das Berufungsgericht meint, der Sachwalter, welcher der Forderung widersprochen hat, sei aufgrund der im Eigenverwaltungsverfahren fortbestehenden Verwaltungs- und Verfügungsmacht einschließlich der Prozessführungsbefugnis des Schuldners daran gehindert, den Rechtsstreit über die Insolvenzforderung wirksam aufzunehmen. Die von ihm zitierten Fundstellen im Schrifttum (unter anderem MünchKomm-InsO/Schumacher, 4. Aufl., § 85 Rn. 25; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, 15. Aufl., § 283 Rn. 4) wie auch eine von ihm angeführte Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFHE 244, 150 Rn. 14) betreffen die Anwendung von §§ 85, 86 InsO. Darum geht es hier nicht. Es steht vielmehr außer Frage, dass der Sachwalter den von ihm erhobenen Widerspruch, der die Feststellung hindert (§ 283 Abs. 1 Satz 2 InsO), nach den allgemeinen Regeln (§ 179 Abs. 2, § 180 Abs. 2 InsO) weiterverfolgen kann (vgl. MünchKomm-InsO/Kern, 4. Aufl., § 283 Rn. 17). Die Zulässigkeit eines solchen Vorgehens steht mit seiner Funktion im Eigenverwaltungsverfahren im Einklang, insbesondere Aufgaben zu erfüllen, die im Insolvenzverfahren ohne Eigenverwaltung der Insolvenzverwalter im Interesse der Gläubiger wahrzunehmen hätte (vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 223, zu § 331 RegE-InsO). § 179 Abs. 2 InsO bezieht sich - anders als das Berufungsgericht meint - auf sämtliche Widersprüche (arg. § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO). Hierfür spricht nicht zuletzt § 189 Abs. 1 InsO, wonach eine Forderung, für die ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vorliegt, trotz eines Widerspruchs bei der Verteilung zu berücksichtigten ist (vgl. MünchKomm-InsO/Kebekus/Schwarzer, 4. Aufl., § 189 Rn. 3; Jäger/Meller-Hannich, InsO, 2. Aufl., § 188 Rn. 14, § 189 Rn. 5, 16, auch zur streitigen Frage, ob der Betrag zurückzuhalten oder auszuzahlen ist).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:160524UIXZR143.23.0

Fundstelle(n):
JAAAJ-69431