Umsatzsteuer | Steuerpflichtige Vermittlungsleistungen (BFH)
Ein Klarierungsagent (Schiffsmakler), der zur Klarierung eines bestimmten Seeschiffes (Schiffsabfertigung und -versorgung) einen Hafendienstleister darüber informiert, dass die Schifffahrtsgesellschaft ihn mit der Erbringung von - zu diesem Zeitpunkt nur teilweise feststehenden - Leistungen beauftragen wird, stellt den Kontakt zu einem bestimmten Kunden her, so dass nur eine Vermittlungsleistung vorliegt, nicht aber mehrere Einzelvermittlungen in Bezug auf eine Vielzahl unterschiedlicher Leistungen (; veröffentlicht am ).
Hintergrund: Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH und des BFH ist bei einem Umsatz, der ein Bündel von Einzelleistungen und Handlungen umfasst, im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu be-stimmen, ob zwei oder mehrere getrennte Umsätze vorliegen oder ein einheitlicher Umsatz. Dabei sind unter Berücksichtigung der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers die charakteristischen Merkmale des Umsatzes zu ermitteln. Insoweit darf einerseits eine wirtschaftlich einheitliche Leistung nicht künstlich aufgespalten werden.
Sachverhalt: Die Klägerin, eine GmbH, betrieb in den Streitjahren 2014 bis 2016 eine Seehafen-Spedition. Sie erbrachte Leistungen im Zusammenhang mit der Klarierung (Schiffsabfertigung und -versorgung) von Seeschiffen. Hierfür beauftragten die Reedereien oder die Schifffahrtsgesellschaften einlaufender Seeschiffe (Schifffahrtsgesellschaften) einen - auch als Schiffsmakler bezeichneten - Klarierungsagenten. Im Namen und für Rechnung der jeweiligen Schifffahrtsgesellschaft beauftragte der jeweilige Klarierungsagent seinerseits die Klägerin, schiffs- und besatzungsbezogene Dienstleistungen zu erbringen, die der Klarierung des jeweiligen Seeschiffes dienten. Hierbei informierte er die Klägerin per E-Mail über die bereits von der Schifffahrtsgesellschaft beauftragten Leistungen. Teils beauftragten die jeweilige Schifffahrtsgesellschaft oder Schiffsbesatzung während der Liegezeit weitere Leistungen. Bei jedem Schiffseinlauf erbrachte die Klägerin bis zu 70 unterschiedliche Leistungen.
Die Klägerin rechnete - getrennt nach steuerfreien und steuerpflichtigen Leistungen - gegenüber der jeweiligen Schifffahrtsgesellschaft ab, wobei sie die Rechnungen an den Klarierungsagenten sandte. Die Rechnungen wurden Bestandteil der Hafenkostenabrechnung, mit welcher der Klarierungsagent gegenüber der Schifffahrtsgesellschaft sämtliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Klarierung abrechnete.
Der Klarierungsagent erhielt von der Klägerin eine Vermittlungsprovision, die sich nach einem prozentualen Anteil an dem Entgelt berechnete, das die Klägerin für die von ihr gegenüber der Schifffahrtsgesellschaft erbrachten Leistungen in Rechnung stellte. Über diese Provision erteilte die Klägerin dem Klarierungsagenten - getrennt nach den erbrachten steuerfreien und steuerpflichtigen Leistungen - Gutschriften und wies dabei Umsatzsteuer aus, auch soweit die Provision auf die Erbringung steuerfreier Umsätze berechnet wurde.
Im Anschluss an eine Außenprüfung versagte das Finanzamt den Vorsteuerabzug aus den Vermittlungsleistungen zu etwa 25 %, da die Klägerin die Vermittlungsleistungen insoweit zur Erbringung von Leistungen verwendet habe, die gemäß § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a i.V.m. § 4 Nr. 2 und § 8 UStG steuerfrei gewesen seien, und erließ für die Streitjahre geänderte Umsatzsteuerbescheide.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz keinen Erfolg (; s. hierzu Rennar, ).
Im Rahmen der Revision macht die Klägerin u.a. geltend, dass die Klarierungsagenten eine einheitliche Vermittlungsleistung erbracht hätten, die sich auf die Vermittlung steuerpflichtiger und steuerfreier Umsätze bezogen habe und daher insgesamt steuerpflichtig sei. Die vom FG vorgenommene Aufteilung der Provisionen widerspreche den Grundsätzen zur Ermittlung der Mehr- oder Einheit von Leistungen und führe zu einer künstlichen Aufspaltung eines wirtschaftlich einheitlichen Vorgangs.
Die Richter des BFH hoben das erstinstanzliche Urteil auf und gaben der Klage statt:
Ein Klarierungsagent, der zur Klarierung eines bestimmten Seeschiffes einen Hafendienstleister darüber informiert, dass die Schifffahrtsgesellschaft ihn mit der Erbringung von - zu diesem Zeitpunkt nur teilweise feststehenden - Leistungen beauftragen wird, stellt den Kontakt zu einem bestimmten Kunden her, so dass nur eine Vermittlungsleistung vorliegt, nicht aber mehrere Einzelvermittlungen in Bezug auf eine Vielzahl unterschiedlicher Leistungen.
Diese Vermittlungsleistung ist nicht gemäß § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a i.V.m. § 4 Nr. 2 und § 8 Abs. 1 UStG steuerfrei, wenn es infolge der Vermittlung des geschäftlichen Kontakts zu einer Vielzahl verschiedener, zum Zeitpunkt der Vermittlung nach Art und Umfang noch nicht abschließend bestimmter Umsätze kommt, die sowohl steuerpflichtig als auch steuerfrei sein können.
Ebenso wie eine einheitliche Leistung zum Beispiel einem einzigen Steuersatz unterliegen muss ( "Stadion Amsterdam", EU:C:2018:22, Rz 26; "BlackRock Investment Management (UK)", EU:C:2020:513, Rz 35; "Finanzamt X", EU:C:2023:372, Rz 36), kommt eine Aufteilung der Vermittlungsleistung in einen steuerpflichtigen und einen steuerfreien Teil grundsätzlich nicht in Betracht.
Für die Annahme einer ausnahmsweise gegebenenfalls möglichen Aufteilung ergeben sich insbesondere aus dem Einleitungssatz von § 4 UStG, dem Wortlaut von § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a UStG oder dem Normzusammenhang dieser Vorschrift keine Anhaltspunkte. Es war im Zeitpunkt der Erbringung der Vermittlungleistungen weitgehend unklar, in welchem Umfang die Klägerin aufgrund der Vermittlung steuerfreie und steuerpflichtige Leistungen erbringen würde.
Quelle: ; NWB Datenbank (il)
Fundstelle(n):
KAAAJ-69286