Schuldspruchänderung nach Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes
Gesetze: § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 29a Abs 2 BtMG, § 34 Abs 1 KCanG, § 34 Abs 3 S 1 KCanG, § 34 Abs 3 S 2 Nr 4 KCanG, § 2 Abs 3 StGB, § 354 Abs 1 StPO, § 354a StPO
Instanzenzug: LG Magdeburg Az: 25 KLs 29/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit „unerlaubtem“ Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II.2 der Urteilsgründe) sowie wegen Beihilfe zum „unerlaubten“ Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit „unerlaubtem“ Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II.1 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Sein auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestütztes Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
21. Nach den Feststellungen übergab der Angeklagte auf Bitte eines Bekannten Anfang Oktober 2022 sieben Kilogramm Marihuana an die gesondert verfolgten E. und H. , die das Marihuana wegen der schlechten Qualität nach wenigen Tagen zurückbrachten. Am lieferte der Angeklagte als Ausgleich zwei Kilogramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 275,7 Gramm THC (Fall II.1 der Urteilsgründe). In der Folgezeit handelte der Angeklagte auf eigene Rechnung mit Marihuana. Er hatte am insgesamt 459,8 Gramm mit einer Wirkstoffmenge von 80,02 Gramm THC in Besitz, von denen 205 Gramm zum Eigenkonsum und der Rest zum gewinnbringenden Verkauf bestimmt waren (Fall II.2 der Urteilsgründe).
32. Der Schuldspruch hält revisionsgerichtlicher Prüfung nicht in vollem Umfang stand. Er ist nach § 354a i.V.m. § 354 Abs. 1 StPO im Fall II.2 der Urteilsgründe zu ändern.
4a) Seit dem werden Straftaten im Zusammenhang mit Cannabis nicht mehr von dem Betäubungsmittelgesetz, sondern dem Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz – KCanG) erfasst. Dieses ist nach der gebotenen konkreten Betrachtungsweise (vgl. hierzu , NJW 2023, 460) im Fall II.2 der Urteilsgründe das nach § 2 Abs. 3 StGB mildere Gesetz. Zwar sind nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen die Voraussetzungen des Regelbeispiels des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG erfüllt, weil sich die strafbaren Handlungen jeweils auf eine nicht geringe Menge bezogen (vgl. ). Der Strafrahmen des § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG ist jedoch mit einem Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe milder als der im Fall II.2 der Urteilsgründe zur Anwendung gelangte Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG, der von einem bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe reicht.
5Keiner Schuldspruchänderung bedarf es indes im Fall II.1 der Urteilsgründe. Hier hat das Landgericht jeweils einen minder schweren Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG angenommen, der Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vorsieht. Dieser Strafrahmen entspricht dem bei Anwendung der neuen Regelungen einschlägigen Strafrahmen des § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG, der somit nicht milder im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB ist. Der Senat kann im Hinblick auf die gehandelte Menge und die damit verbundene erhebliche Überschreitung des Grenzwertes der nicht geringen Menge ausschließen, dass die Strafkammer von der Indizwirkung des Regelbeispiels des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG abgesehen und den milderen Strafrahmen des § 34 Abs. 1 KCanG angewandt hätte.
6b) Im Rahmen der gebotenen Schuldspruchänderung bedarf es hinsichtlich der Verurteilung wegen Besitzes von Cannabis in der Urteilsformel des Zusatzes „verboten“, weil diese Art des Umgangs mit Cannabis nicht stets unter Strafe steht oder eine Ordnungswidrigkeit darstellt (§§ 3, 34 Abs. 1 Nr. 1, § 36 Abs. 1 Nr. 1 KCanG). Dagegen ist weder der Besitz von „nicht geringen Mengen“ Cannabis noch das Handeltreiben mit „nicht geringen Mengen“ Cannabis im Schuldspruch zum Ausdruck zu bringen, weil es sich insoweit – anders als bei § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG – nicht um ein Qualifikationsmerkmal, sondern einen Regelfall des besonders schweren Falls nach § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG handelt, und das Vorliegen eines gesetzlichen Regelbeispiels nicht in die Urteilsformel aufzunehmen ist (vgl. KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl., § 260 Rn. 31).
73. Auch der Strafausspruch hat nicht in vollem Umfang Bestand.
8Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei Anwendung der neuen Regelungen im Fall II.2 der Urteilsgründe zu einer niedrigeren Strafe gelangt wäre (§ 337 StPO). Die Aufhebung dieser Strafe entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können aufrechterhalten und um ihnen nicht widersprechende ergänzt werden (§ 353 Abs. 2 StPO).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:290424B6STR102.24.0
Fundstelle(n):
OAAAJ-68398