BGH Beschluss v. - II ZR 17/23

Instanzenzug: Az: 9 U 57/22vorgehend LG Lübeck Az: 13 HKO 34/20

Gründe

1Die Erinnerung des Klägers hat keinen Erfolg.

21. Die Erinnerung des Klägers ist gem. § 573 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Erinnerung muss nicht durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden. Im Verfahren der Erinnerung besteht kein Anwaltszwang (§ 573 Abs. 1 Satz 2, § 78 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 ZPO).

32. Die Erinnerung ist unbegründet.

4a) Nach § 706 Abs. 1 ZPO sind Zeugnisse über die Rechtskraft der Urteile auf Grund der Prozessakten von der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszuges und, solange der Rechtsstreit in einem höheren Rechtszug anhängig ist, von der Geschäftsstelle des Gerichts dieses Rechtszugs zu erteilen. Der Zweck des Rechtskraftzeugnisses ist es, den Prozessbeteiligten den Nachweis zu ermöglichen, dass das fragliche Urteil in äußere (formelle) Rechtskraft erwachsen ist, also durch ein Rechtsmittel nicht mehr angegriffen werden kann. Demgemäß beschränkt sich die Prüfung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle auf den Tatbestand der äußeren (formellen) Rechtskraft (, BGHZ 31, 388, 391; Beschluss vom - I ZR 196/15, WM 2022, 2245 Rn. 9).

5Die Rechtskraft eines Urteils wird durch die rechtzeitige Einlegung eines statthaften Rechtsmittels gemäß § 705 Satz 2 ZPO insgesamt gehemmt. Die Hemmungswirkung erfasst zunächst auch die den Rechtsmittelführer begünstigenden Teile der Entscheidung, außerdem umfasst sie im Falle einer Teilanfechtung zunächst auch die nicht angefochtenen Teile. Ein den Rechtsmittelführer begünstigender oder von ihm nicht angegriffener Teil wird, von dem hier nicht vorliegenden Fall des Rechtsmittelverzichts abgesehen, erst rechtskräftig, wenn er nicht mehr durch eine Erweiterung der Rechtsmittelanträge oder ein Anschlussrechtsmittel in das Rechtsmittelverfahren einbezogen werden kann (, NJW 1989, 170; Urteil vom - VIII ZR 178/93, NJW 1994, 2896, 2897; Urteil vom - VIII ZR 41/93, NJW 1994, 657, 659; Beschluss vom - XII ZB 136/09, NJW-RR 2011, 148 Rn. 14).

6b) Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die Erteilung eines Zeugnisses über den Eintritt der Rechtskraft der Verurteilung der Beklagten zu 1 durch das Landgericht (Tenor Nr. 1 bis 5) danach zutreffend verweigert.

7Der Kläger wendet zwar zutreffend ein, dass die Beklagte zu 1 das landgerichtliche Urteil nicht angefochten hat. Es besteht aber weiterhin die Möglichkeit, dass sich die Beklagte zu 1 mit einer Anschlussberufung gegen ihre Verurteilung wendet. Der Kläger hat seinen Berufungsantrag in der mündlichen Verhandlung vom auf die Beklagte zu 1 erweitert. Die Klageerweiterung wurde nach Aktenlage nicht zugestellt und die erweiterte Klage vom Berufungsgericht ungeachtet dessen als unzulässig abgewiesen. Die Entscheidung ist insoweit mangels Rechtshängigkeit wirkungslos (vgl. , NJW-RR 565 Rn. 11; Urteil vom8. November 2013 - V ZR 155/12, NJW 2014, 636 Rn. 22). Im Hinblick darauf ist es nicht ausgeschlossen, dass es im Fall der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 ZPO) zur Zustellung des erweiterten Klageantrags an die Beklagte zu 1 kommt und dieser nach § 524 Abs. 1 Satz 1 ZPO das Recht zur Anschlussberufung eröffnet ist.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:300424BIIZR17.23.0

Fundstelle(n):
JAAAJ-68083