Instanzenzug: LG Dresden Az: 15 KLs 619 Js 16998/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Übergriffs „mit“ Körperverletzung und „mit“ Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Die vom Beschwerdeführer erhobene Aufklärungsrüge ist bereits nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Zulässigkeit setzt die Angabe einer bestimmten Beweistatsache und der Umstände voraus, aufgrund derer sich das Tatgericht zu der vermissten Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen (st. Rspr.; vgl. ; NStZ-RR 2023, 81 f. mwN; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 244 Rn. 102 mwN). Der Revisionsbegründung ist keine dieser Voraussetzungen zu entnehmen. Soweit der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, dass die Strafkammer ein forensisch psychiatrisches Sachverständigengutachten zur Frage hätte einholen müssen, „ob sich der Angeklagte aufgrund einer Mischintoxikation von Alkohol, Methamphetamin und Kokain im Tatzeitpunkt in einem Zustand befunden hat, welcher die Schwere des Paragraphen 21 im Hinblick auf die Einsicht und Steuerungsfähigkeit erreichte“, handelt es sich um die Formulierung eines Beweisziels, jedoch nicht um eine bestimmte Beweistatsache.
32. Die im Rahmen der Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Schuldspruchs hat gleichfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt.
43. Der Strafausspruch hält dagegen revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
5a) Nach den Feststellungen hielten sich der Angeklagte und die später Geschädigte in den frühen Morgenstunden des in einem Spielhaus auf einem Kinderspielplatz einer Parkanlage auf. Der Angeklagte wusste, dass die später Geschädigte über die bisher mit ihm ausgetauschten Küsse hinaus mit sexuellen Handlungen nicht einverstanden war. Er fasste der Geschädigten gegen ihren Willen an ihr Geschlechtsteil, versuchte sie zu küssen und umarmte sie, um sie am Verlassen des Spielhauses zu hindern. Die Geschädigte äußerte mehrfach ihren entgegenstehenden Willen und versuchte, den Angeklagten von sich wegzudrängen. Nachdem es ihr gelungen war, das Spielhaus zu verlassen und ihren Freund anzurufen, kehrte sie zurück, um ihre persönlichen Gegenstände und ihr Tablet an sich zu nehmen. Der Angeklagte schubste sie bei dieser Gelegenheit mehrmals und drückte sie zu Boden, um seinen weiterhin bestehenden Entschluss, an ihr sexuelle Handlungen vorzunehmen, umzusetzen. Nach einem Stoß des Angeklagten prallte die Geschädigte mit dem Rücken gegen eine Sitzbank. Aufgrund der hierdurch verursachten Schmerzen, die der Angeklagte billigend in Kauf nahm, und in deren Folge nachlassenden Kraft gab die Geschädigte weitere Abwehrhandlungen auf. Der Angeklagte setzte sich auf ihren Oberkörper und fixierte mit seinen Knien ihre Arme, um von ihm erwartete weitere Gegenwehr zu unterbinden. Anschließend manipulierte er an seinem entblößten Glied bis zum Samenerguss. Seinem Tatplan entsprechend ejakulierte er ins Gesicht der Geschädigten, um sich sexuell zu befriedigen und diese, die er als „Schlampe“ bezeichnete, zu erniedrigen. Wie von ihm erkannt und gewollt, fühlte sich die Geschädigte in ihrer Ehre verletzt. Während der gesamten Tatzeit führte der Angeklagte ein zusammengeklapptes Messer mit einer 10,5 cm langen Klinge in der Gesäßtasche seiner Hose mit sich. Auf dieses hatte er jederzeit Zugriff. Die Schuldfähigkeit des Angeklagten war bei Tatausführung unbeeinträchtigt.
6Das Landgericht hat die Tat als schweren sexuellen Übergriff gemäß § 177 Abs. 1, Abs. 6 Nr. 1 und Abs. 7 Nr. 1 StGB in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und mit Beleidigung gemäß § 223 Abs. 1, § 185 StGB gewertet und die Strafe dem Strafrahmen des § 177 Abs. 7 StGB entnommen. Die Voraussetzungen des Vorliegens minder schwerer Fälle beim Grunddelikt sowie der Qualifikation gemäß § 177 Abs. 9 Alt. 1 und Alt. 3 StGB hat es verneint.
7b) Die Strafzumessung erweist sich als rechtsfehlerhaft. Denn das Landgericht hat bei der Strafrahmenwahl und auch bei der Strafzumessung im engeren Sinne gegen das in § 46 Abs. 3 StGB normierte Doppelverwertungsverbot verstoßen. Es hat sowohl bei der Prüfung, ob ein minder schwerer Fall gemäß § 177 Abs. 9 StGB vorliegt, als auch bei der konkreten Strafzumessung – durch Bezugnahme auf vorherige Erwägungen zur Strafrahmenwahl – dem Angeklagten angelastet, dass er „das Messer in unmittelbarer Zugriffsnähe trug“, obwohl dieser Umstand die Qualifikation gemäß § 177 Abs. 7 Nr. 1 StGB erst begründet hat (vgl. ; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 689, 691a zum gleichlautenden Quali-fikationsmerkmal in § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB).
84. Der Senat kann trotz der maßvollen Strafe nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht und hebt deshalb den Strafausspruch auf. Angesichts des bloßen Wertungsfehlers bedarf es keiner Aufhebung der getroffenen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.
95. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass sich der strafmildernde Gehalt der bei der Strafzumessung zugunsten des Angeklagten aufgeführten Umstände, wonach die Geschädigte vor der Tat einverständlich Küsse mit ihm austauschte, sich nach dem ersten Übergriff erneut in die für sie gefährliche Situation im Spielhaus hineinbegeben habe und sie aufgrund von Alkohol- und Betäubungsmittelkonsum enthemmt gewesen sei, nicht erschließt. Vielmehr handelt es sich beim Ausnutzen einer Beeinträchtigung des Opfers durch Alkohol und Betäubungsmittel um einen strafschärfenden Aspekt.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:310124B5STR2.24.0
Fundstelle(n):
ZAAAJ-67875