BVerfG Urteil v. - 2 BvR 26/24

Teilweise stattgebender Kammerbeschluss: Versagung von Räumungsschutz trotz Suizidgefahr der Räumungsschuldnerin verletzt deren Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art 2 Abs 2 S 1 GG)

Gesetze: Art 2 Abs 2 S 1 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 765a Abs 1 ZPO, § 765a Abs 4 ZPO, § 765a Abs 3 ZPO, § 775 Nr 2 ZPO, § 885 Abs 1 S 1 ZPO

Instanzenzug: Az: 1 T 355/23 Beschlussvorgehend Az: 287 M 752/23 Beschlussvorgehend Az: 2 BvR 26/24 Einstweilige Anordnung

Gründe

I.

1 Mit ihrer Verfassungsbeschwerde begehrt die Beschwerdeführerin die Verlängerung eines Räumungsschutzes.

2 1. Die Beschwerdeführerin ist 83 Jahre alt und wohnt seit 2002 in einer Mietwohnung in (…), zuletzt ohne weitere Mitbewohner. Aufgrund eines vor dem Landgericht Köln im Jahr 2022 geschlossenen Räumungsvergleichs wird gegen die Beschwerdeführerin die Zwangsvollstreckung auf Räumung und Herausgabe der Wohnung betrieben.

3 2. Nachdem zunächst Termin zur zwangsweisen Räumung auf den bestimmt worden war, stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 765a ZPO, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass sie keinen Ersatzwohnraum gefunden habe. Das Amtsgericht Köln wies diesen Antrag mit Beschluss vom zurück, jedoch wurde mit Ordnungsverfügung der Stadt Köln vom befristet bis zum die Mietwohnung beschlagnahmt und die Beschwerdeführerin in die Wohnung wiedereingewiesen, da die Stadt der Beschwerdeführerin keinen angemessenen Ersatzwohnraum habe bereitstellen können.

4 3. Nachdem sodann erneut Termin zur zwangsweisen Räumung, nunmehr auf den , bestimmt worden war, stellte die Beschwerdeführerin abermals einen Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung. Dieser Antrag wurde vom zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin hin stellte das Landgericht Köln die Zwangsvollstreckung im Hinblick auf eine mögliche Gesundheitsgefährdung der Beschwerdeführerin bis zur Beendigung des Beschwerdeverfahrens ein, wies die Beschwerde aber schließlich mit Beschluss vom zurück, da aufgrund des Mietzahlungsverhaltens der Beschwerdeführerin seit Juni 2022 „der Sachverhalt in neuem Lichte erscheine“.

5 4. Nachdem erneut Termin zur zwangsweisen Räumung, nunmehr auf den bestimmt worden war, stellte die Beschwerdeführerin nochmals einen Antrag nach § 765a ZPO und legte diverse Atteste zur Suizidgefahr vor (vgl. die Atteste vom [Fachärztin für Innere Medizin]: „akuter Notstand mit suizidalem Ausgang zu befürchten“; vom und vom [Diplom-Psychologe]: „im Fall der Räumung suizidales Risiko nicht ausgeschlossen“; vom [Sozialpsychiatrischer Dienst]: „für den Fall der Zwangsräumung kann suizidale Handlung nicht ausgeschlossen werden“). Das Amtsgericht stellte daraufhin mit Beschluss vom die Zwangsvoll-streckung einstweilen bis zum ein und erteilte der Schuldnerin die Auflage, jeweils zum Monatsanfang eine ärztliche Bescheinigung über eine psychiatrische Behandlung zur Akte zu reichen. Aufgrund der psychotherapeutischen Stellungnahme des behandelnden Psychologen sei von einer kausalen Beziehung zwischen der Räumung und einem Suizidrisiko aufseiten der Beschwerdeführerin auszugehen.

6 5. In der Folge war die Beschwerdeführerin in Behandlung bei einer Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und legte die entsprechenden fachärztlichen Bescheinigungen vor. In den Bescheinigungen wird stets ausgeführt, dass bei Verlust der Wohnung eine akute Suizidalität nicht sicher ausgeschlossen werden könne. Kurz vor Ablauf der Räumungsschutzfrist am beantragte die Beschwerdeführerin, die Zwangsvollstreckung über dieses Datum hinaus einzustellen. Den Antrag wies das Amtsgericht Köln mit angegriffenem Beschluss vom zurück. Die Beschwerdeführerin habe genügend Zeit gehabt, sich durch ärztliche Behandlung um Besserung ihres Zustands zu bemühen. Außerdem besage die zuletzt vorgelegte ärztliche Bescheinigung, dass eine Besserung in absehbarer Zeit nicht in Sicht sei. Auf dieser Basis sei eine nochmalige Verzögerung der Räumung nicht mehr vertretbar und nach aller Wahrscheinlichkeit auch sinnlos, da allenfalls eine nochmalige Einstellung für drei Monate als letzte Maßnahme denkbar wäre.

7 6. Die Beschwerdeführerin legte daraufhin sofortige Beschwerde beim Landgericht ein und zwei weitere Atteste vor (vgl. die Atteste vom [Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie]: „aufgrund angedrohter Zwangsräumung erhebliche Gesundheitsgefährdung in Form latenter bis akuter Suizidalität nicht auszuschließen“ und vom [Fachärztin für Innere Medizin]: „unverständlich, wieso man sich über die übereinstimmenden Aussagen von drei Fachärzten hinwegsetzt und das wiederholt beschriebene Suizidrisiko billigend in Kauf nimmt“).

8 7. Das Landgericht Köln wies mit angegriffenem Beschluss vom die sofortige Beschwerde zurück.

9 a) Es bestünden bereits erhebliche Bedenken gegen die Zulässigkeit, weil über den auf Suizidgefahr gestützten Antrag der Beschwerdeführerin nach § 765a ZPO bereits durch abschließend entschieden worden sei. Die Sachlage habe sich nicht verändert; allein die Einreichung neuer Atteste reiche hierfür nicht aus.

10 b) Letztlich sei die Beschwerde unbegründet. Bei der Abwägung der Interessen von Gläubiger und Schuldner komme den Gläubigerinteressen vorrangiges Gewicht zu. Ein erhebliches Überwiegen der Schuldnerinteressen komme zwar in Betracht, wenn die Zwangsvollstreckung Leben oder Gesundheit des Schuldners ernsthaft gefährde. Ein entsprechender Vortrag müsse aber durch Vorlage ausführlicher fachärztlicher Atteste untermauert werden.

11 Dem werde der Vortrag der Beschwerdeführerin nicht gerecht. In den Attesten werde stets nur ausgeführt, dass eine suizidale Handlung der Beschwerdeführerin nicht ausgeschlossen werden könne. Zur Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit für eine Selbsttötung sei dies nicht ausreichend. Letztlich könne bei keinem Menschen sicher ausgeschlossen werden, dass er sich im Falle einer Zwangsräumung suizidiere. Bei der der Beschwerdeführerin attestierten Gefahr der Selbsttötung handele es sich letztlich um ein „allgemeines Suizidalitätsrisiko“.

II.

12 Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.

13 Die angegriffenen Entscheidungen würdigten den Inhalt der zahlreich vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen unzureichend oder überhaupt nicht. Insbesondere in dem Attest vom werde die Gefahr einer akuten Suizidalität im Fall der Räumung beschrieben. Zur hinreichenden Substantiierung der akuten Suizidgefahr genüge die Feststellung, dass ein Suizid angesichts der psychischen Situation der Beschwerdeführerin nicht ausgeschlossen werden könne. Das Gericht wäre daher gehalten gewesen, entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung vom - 2 BvR 447/22 - und dem Beweisangebot der Beschwerdeführerin ein Sachverständigengutachten einzuholen. Im Übrigen seien auch die Ausführungen des Landgerichts zur Zulässigkeit eines erneuten Antrags nach § 765a ZPO nicht nachzuvollziehen, da eine Änderung der Sachlage aufgrund des sich verschlechternden Zustands der Beschwerdeführerin gegeben sei.

III.

14 Auf Antrag der Beschwerdeführerin hat die Kammer am eine einstweilige Anordnung nach § 32 BVerfGG erlassen und die Zwangsvollstreckung aus dem Räumungsvergleich des Landgerichts Köln einstweilen bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde, längstens für die Dauer von sechs Monaten, ausgesetzt, soweit die Beschwerdeführerin zur Räumung und Herausgabe der von ihr innegehaltenen Wohnung verpflichtet ist.

IV.

15 1. Dem Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen und dem Vollstreckungsgläubiger ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

16 a) Das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen hat von einer Stellungnahme abgesehen.

17 b) Der Vollstreckungsgläubiger ist der Verfassungsbeschwerde entgegengetreten. Eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG liege nicht vor.

18 Aufgrund der bisherigen Prozessgeschichte erscheine das Vorbringen der Beschwerdeführerin über ihre angebliche schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigung unglaubwürdig. Es stehe nicht im Einklang mit ihrem Vorbringen im früheren Vollstreckungsschutzverfahren. Insoweit sei nicht auszuschließen, dass die Beschwerdeführerin Gefälligkeitsatteste vorgelegt habe. Daneben habe die Beschwerdeführerin nie substantiiert zu ihren Bemühungen nach einem Ersatzwohnraum vorgetragen. Daraus müsse gefolgert werden, dass die Beschwerdeführerin schlichtweg unwillig sei, ihre bisherige Wohnung zu verlassen. Selbst wenn sich nun bewahrheiten sollte, dass die Beschwerdeführerin bei einer Zwangsräumung schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen bis hin zur Suizidgefahr ausgesetzt sein sollte, könne dies nicht zur Folge haben, dass die Beschwerdeführerin weiter in der bisherigen Wohnung verbleiben dürfe, wenn sie doch durch die Anmietung von Ersatzwohnraum der drohenden Obdachlosigkeit, die angeblich für ihre Gesundheitsgefahr ursächlich sein solle, entgehen könne.

19 2. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben der Kammer vorgelegen.

V.

20 1. Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführerin auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c BVerfGG). Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden und die Verfassungsbeschwerde ist insoweit zulässig und offensichtlich begründet.

21 Die Verfassungsbeschwerde ist im erkannten Umfang offensichtlich begründet. Die angegriffene Entscheidung des Landgerichts verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.

22 a) Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet die Vollstreckungsgerichte, bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 765a ZPO auch die Wertentscheidungen des Grundgesetzes und die dem Schuldner in der Zwangsvollstreckung gewährleisteten Grundrechte zu berücksichtigen. Eine unter Beachtung dieser Grundsätze vorgenommene Würdigung aller Umstände kann in besonders gelagerten Einzelfällen dazu führen, dass die Voll-streckung für einen längeren Zeitraum und – in absoluten Ausnahmefällen – auf unbestimmte Zeit einzustellen ist. Ergibt die erforderliche Abwägung, dass die der Zwangsvollstreckung entgegenstehenden, unmittelbar der Erhaltung von Leben und Gesundheit dienenden Interessen des Schuldners im konkreten Fall ersichtlich schwerer wiegen als die Belange, deren Wahrung die Vollstreckungsmaßnahme dienen soll, so kann der trotzdem erfolgende Eingriff das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und das Grundrecht des Schuldners aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verletzen (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 447/22 - ).

23 Die Vollstreckungsgerichte haben den Einfluss und die Wertentscheidungen der Grundrechte auch bei der Handhabung des Verfahrensrechts zu beachten. Dies schließt es aus, bei der Beurteilung der Frage „kleinlich“ zu verfahren, ob sich eine Sachlage so geändert hat, dass eine Aufhebung oder Änderung der im vorangegangenen Vollstreckungsschutzverfahren getroffenen Entscheidung geboten ist. Mit Rücksicht auf die Pflicht des Staates, Verfassungsverletzungen, insbesondere schwerwiegende Eingriffe in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen tunlichst auszuschließen, ist eine solche Änderung der Sachlage etwa auch dann anzunehmen, wenn der Schuldner zwar ein und dieselbe Krankheit als Vollstreckungshindernis bezeichnet, diese jedoch einen Verlauf genommen hat, welcher bei der vorangegangenen Antragstellung und seiner Bescheidung nicht hat vorhergesehen werden können (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 1233/23 - ).

24 Macht der Vollstreckungsschuldner für den Fall einer Zwangsräumung substantiiert ihm drohende schwerwiegende Gesundheitsgefahren geltend, haben sich die Tatsacheninstanzen − beim Fehlen eigener Sachkunde − zur Achtung verfassungsrechtlich verbürgter Rechtspositionen wie in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG regelmäßig mittels sachverständiger Hilfe ein genaues und nicht nur an der Oberfläche haftendes Bild davon zu verschaffen, welche gesundheitlichen Folgen im Einzelnen mit einem Umzug verbunden sind, insbesondere welchen Schweregrad zu erwartende Gesundheitsbeeinträchtigungen voraussichtlich erreichen werden und mit welcher Wahrscheinlichkeit dies eintreten kann (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 1233/23 - ).

25 b) In Anbetracht dieser Maßstäbe verletzt die angegriffene Entscheidung des Landgerichts die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.

26 aa) So wird zunächst die (hilfsweise) Erwägung des Landgerichts, das Einreichen neuer ärztlicher Atteste stelle keine Änderung der Sachlage im Sinne des § 765a ZPO dar, einer verfassungsrechtlich fundierten Handhabung des Verfahrensrechts nicht gerecht. Die Entscheidung des die Zwangsvollstreckung unter der Auflage einstweilen einzustellen, dass sich die Beschwerdeführerin regelmäßig psychiatrisch behandeln lasse, macht erkennbar nur unter der Prämisse Sinn, dass sich der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin bis zum Ablauf der Vollstreckungsschutzfrist soweit verbessern werde, dass von einer dann erfolgenden Räumung keine ernsthaften Gesundheitsgefahren mehr für die Beschwerdeführerin ausgehen. Wenn sich nun aber bei Ablauf der Vollstreckungsschutzfrist aufgrund ärztlicher Atteste zeigt, dass sich der Gesundheitszustand nicht verbessert hat, liegt darin ein tauglicher Anknüpfungspunkt für eine Neubewertung der Sachlage im Sinne von § 765a Abs. 4 ZPO (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 1233/23 - ).

27 bb) Durch den Verzicht auf weitere Sachaufklärung zu einer möglichen schwerwiegenden Gesundheitsgefährdung der Beschwerdeführerin im Fall der Räumung, insbesondere in Form der Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens, hat das Landgericht das Grundrecht der Beschwerdeführerin aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt. Im zuletzt im Beschwerdeverfahren beim Landgericht vorgelegten Attest der Fachärztin für Psychia-trie und Psychotherapie vom wird ausgeführt, dass sich die Beschwerdeführerin in einer sehr ausgeprägten psychisch-instabilen Verfassung befinde; die bereits depressive Stimmungslage drohe weiter zu eskalieren. Eine erhebliche Gesundheitsgefährdung in Form von latenter bis akuter Suizidalität sei nicht auszuschließen. Schon in den Attesten des Diplom-Psychologen vom 7. Juli und war die Rede davon, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür vorliege, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Räumung körperlich und seelisch zusammenbrechen werde und ein suizidales Risiko nicht ausgeschlossen werden könne. Es gibt keine Hinweise darauf, dass diese Aussagen – wie der Vollstreckungsgläubiger meint – aus Gefälligkeit getätigt wurden. Dass in Anbetracht dessen das Landgericht zu dem Schluss gekommen ist, auf jegliche weitere Sachaufklärung zu verzichten, da „nach den Attesten lediglich ein geringer Grad an Wahrscheinlichkeit“ für eine Suizidalität der Beschwerdeführerin vorliege und es sich insoweit letztlich um ein „allgemeines Suizidalitätsrisiko“ handele, ist zu kurz gegriffen.

28 2. Der Beschluss des Landgerichts ist demnach wegen Verstoßes gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG aufzuheben, und die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG).

29 3. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen. Aufgrund der Zurückverweisung der Sache an das Landgericht steht der Rechtsweg zur Entscheidung über die verfassungsrechtlichen Einwendungen gegen die Entscheidung des wieder offen, sodass die Verfassungsbeschwerde insoweit nach dem in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Subsidiarität nicht zur Entscheidung anzunehmen ist (vgl. BVerfGK 7, 350 <356 f.>; 15, 37 <53>).

30 4. Da allein die Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts noch nicht zu einer Einstellung des Zwangsvollstreckungsverfahrens führt, ist die einstweilige Aussetzung der Zwangsvollstreckung aus dem Räumungsvergleich vom bis zum Erlass einer erneuten Entscheidung des Landgerichts zu verlängern (vgl. BVerfGK 6, 5 <13>).

31 5. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin beruht auf § 34a Abs. 2 und Abs. 3 BVerfGG.

32 Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2022:rk20240513.2bvr002624

Fundstelle(n):
NJW 2024 S. 2828 Nr. 39
NJW-RR 2024 S. 757 Nr. 12
WM 2024 S. 1131 Nr. 24
PAAAJ-67715