BVerwG Urteil v. - 11 A 7/23

Tatbestand

1Die Klägerin, eine Stadt in Bayern, wendet sich gegen Bescheide, mit denen sie zur Duldung verschiedener Vorarbeiten für die Planung einer Höchstspannungsleitung verpflichtet wird.

2Die Beigeladene ist Vorhabenträgerin für den Ersatzneubau der 380-kV-Höchstspannungsleitung Raitersaich - Altdorf b. Nürnberg/Winkelhaid - Sittling - Altheim (sog. Juraleitung). Das Vorhaben ist als Nr. 41 der Anlage zum Bundesbedarfsplangesetz in den Bedarfsplan nach § 1 Abs. 1 BBPlG aufgenommen und als Pilotprojekt für Erdkabel zur Höchstspannungs-Drehstrom-Übertragung im Sinne von § 2 Abs. 6 BBPlG gekennzeichnet. Das Raumordnungsverfahren wurde mit Landesplanerischer Beurteilung vom abgeschlossen. Auf dem Gebiet der Klägerin soll die Leitung als Erdkabel verlegt werden.

3Mit Bescheid vom ordnete die Regierung von Mittelfranken unter anderem die Duldung von Kleinrammbohrungen, schweren Rammsondierungen, Kernbohrungen sowie der Errichtung und des Betriebs zweier Grundwassermessstellen nebst notwendigen Zuwegungen, Arbeits- und Abstellflächen auf Grundstücken der Klägerin an. Der Duldungszeitraum betrug zehn Wochen mit Ausnahme der Grundwassermessstellen, die für fünf Jahre zu dulden sind.

4Die Klägerin hat Klage erhoben und um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Mit Bescheid vom verlängerte die Regierung von Mittelfranken die Duldungszeiträume für die Bohrarbeiten bis zum . Der fünfjährige Zeitraum zur Duldung der Grundwassermessstellen blieb unverändert. Die Klägerin hat auch gegen den Verlängerungsbescheid Klage erhoben.

5Die Klägerin sieht sich durch die Duldungsverfügung in Gestalt des Verlängerungsbescheides in ihren Rechten verletzt. Das Grundstück Gemarkung G., Flurstück-Nr. ..., auf dem eine Grundwassermessstelle betrieben wird, liege außerhalb des Raumordnungskorridors, weil die Beigeladene die Trassenplanung nachträglich geändert habe. Vorarbeiten könnten aber nicht im "luftleeren Raum" angeordnet werden. Der Beklagte habe nicht aufgeklärt, ob den Bohrungen fachliche Hindernisse entgegenstünden und die notwendigen Genehmigungen vorlägen. Das gewählte Untersuchungsprogramm sei ungeeignet, um die Planungsgrundlagen zu ermitteln. Im Abstand von 50 m niedergebrachte Bohrungen ohne Heranziehung des hochauflösenden Digitalen Geländemodells DMG1 und Erkenntnisse aus geophysikalischen Untersuchungen erbrächten allenfalls Zufallsergebnisse. Abgesehen davon hätten andere Methoden zur Verfügung gestanden, um die benötigten Daten zu erlangen. Der auf fünf Jahre festgelegte Duldungszeitraum sei fachlich nicht ausreichend begründet worden.

6Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom in Gestalt des Bescheides vom insoweit aufzuheben, als er ihr aufgibt, auf den Grundstücken Flurstück-Nr. ... (Gemarkung P.) und Flurstück-Nr. ... (Gemarkung G.) Maßnahmen nach Ziffer I.1.7 und nach Ziffer I.1.1, I.1.2 und I.1.8 - soweit diese den Arbeiten gemäß Ziffer I.1.7 dienen - für den in Ziffer I.3.3 festgelegten Zeitraum zu dulden und

festzustellen, dass der Bescheid vom in Gestalt des Bescheides vom insoweit rechtswidrig war, als er ihr aufgab, auf den Grundstücken Flurstück-Nr. ... (jeweils Gemarkung P.) und Flurstück-Nr. ... (Gemarkung G.) Maßnahmen nach Ziff. I.1.1 bis I.1.6 und I.1.8 - soweit die Maßnahmen nach Ziff. I.1.1, I.1.2 und I.1.8 nicht den Arbeiten nach Ziff. I.1.7 dienen - bis zum Ablauf des zu dulden.

7Beklagter und Beigeladene beantragen,

die Klage abzuweisen.

8Sie halten die Fortsetzungsfeststellungsklage mangels Fortsetzungsfeststellungsinteresses für unzulässig und verteidigen im Übrigen die Duldungsverfügung.

9Ein Eilantrag der Klägerin wurde mit Beschluss vom - 4 VR 3.23 - abgelehnt.

Gründe

10Über die nach § 93 Satz 1 VwGO zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Verfahren entscheidet das Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug, weil die Duldungsanordnung der Vorbereitung der Planfeststellung eines nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i. V. m. § 6 Satz 1 BBPlG und Nr. 41 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BBPlG in die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts fallenden Vorhabens dient (vgl. 4 VR 4.20 - juris Rn. 6).

11Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, in der Besetzung von drei Richtern zu entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 10 Abs. 4 VwGO).

12Die Klage bleibt mit allen Anträgen erfolglos. Der unter Nr. 1 erhobene Anfechtungsantrag ist zulässig, aber unbegründet. Der unter Nr. 2 erhobene Fortsetzungsfeststellungsantrag ist unzulässig.

13A. Der angegriffene Bescheid verpflichtet die Klägerin, den Betrieb der Grundwassermessstellen für einen Zeitraum von fünf Jahren zu dulden. Der dagegen gerichtete Anfechtungsantrag ist zulässig, aber unbegründet. Die angegriffene Duldungsverfügung erweist sich insoweit als rechtmäßig.

14Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 EnWG haben Eigentümer und sonstige Nutzungsberechtigte zur Vorbereitung der Planung und der Baudurchführung eines Vorhabens unter anderem notwendige Grundwasseruntersuchungen durch den Träger des Vorhabens oder von ihm Beauftragte zu dulden. Auf Antrag des Trägers des Vorhabens soll die Planfeststellungsbehörde die Duldung der Vorarbeiten anordnen (§ 44 Abs. 2 Satz 2 EnWG). Auf diese Rechtsgrundlage konnten die angegriffenen Anordnungen gestützt werden.

15I. Die Grundwassermessstellen sind Vorarbeiten für den Ersatzneubau der Juraleitung. Zweifel daran, dass sie dem in Nr. 41 der Anlage zum Bundesbedarfsplangesetz genannten Vorhaben zuzuordnen sind, bestehen trotz der Abweichung von dem im Raumordnungsverfahren geprüften Korridor nicht. Die Beigeladene hat die Abweichungen mit Schreiben vom angekündigt und in einem Informationsblatt näher dargestellt. Auch der Schriftverkehr der Beteiligten zeigt, dass insofern keine Unsicherheiten bestanden.

16II. 1. Der Duldungspflicht steht nicht entgegen, dass das Grundstück Gemarkung G., Flurstück-Nr. ..., auf dem sich eine der beiden Grundwassermessstellen befindet, nicht Gegenstand der Landesplanerischen Beurteilung war.

17Gemäß Art. 24 Abs. 1 und 2 Satz 1 des Bayerischen Landesplanungsgesetzes vom (GVBl. S. 254 - BayLplG -) sind Vorhaben von erheblicher überörtlicher Raumbedeutsamkeit vor der Entscheidung über ihre Zulässigkeit in einem Raumordnungsverfahren auf ihre Raumverträglichkeit zu überprüfen. Vorarbeiten sind demgegenüber bereits in einem früheren Stadium zu dulden; häufig dienen sie gerade dazu, die Planung entscheidungsreif zu machen. Eine Duldungsanordnung nach § 44 Abs. 2 Satz 2 EnWG setzt daher weder voraus, dass ein Raumordnungsverfahren bereits abgeschlossen ist, noch folgt aus dem Abschluss des Raumordnungsverfahrens, dass Grundstücke außerhalb des Trassenkorridors nicht nachträglich in die Vorbereitung der Planung einbezogen werden dürfen. Die Frage, ob es einer Ergänzung der Prüfung der Raumverträglichkeit bedarf, ist deshalb vorliegend nicht entscheidungserheblich (vgl. auch BVerwG, Beschlüsse vom - 4 VR 1.20 - Buchholz 451.17 § 44 EnWG Nr. 2 Rn. 16 f. und vom - 7 VR 4.20 - Buchholz 442.09 § 17 AEG Nr. 2 Rn. 11 f.).

182. Die Planfeststellungsbehörde musste vor Erlass der Duldungsanordnung nicht ermitteln, ob die für die Errichtung und den Betrieb der Messstellen gegebenenfalls erforderlichen fachrechtlichen Erlaubnisse vorliegen. § 44 Abs. 1 EnWG schränkt den allgemeinen zivilrechtlichen Abwehranspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB ein, indem er den Grundeigentümer gemäß § 1004 Abs. 2 BGB zur Duldung der erforderlichen Vorarbeiten verpflichtet. Die Anordnung nach § 44 Abs. 2 Satz 2 EnWG dient der Durchsetzung dieser Verpflichtung. In der Überwindung entgegenstehender Eigentümerrechte erschöpft sich der Regelungsgehalt einer Duldungsanordnung. Eine Konzentrationswirkung kommt ihr nicht zu; sie ersetzt nicht etwaige nach anderen Fachgesetzen für die Vornahme der Vorarbeiten erforderlichen Genehmigungen, Erlaubnisse oder Bewilligungen. Darauf weist die angefochtene Verfügung ausdrücklich hin. Die fachrechtliche Beurteilung der geplanten Vorarbeiten ist nur insoweit von Bedeutung, als die Duldungsanordnung ins Leere geht und zur Erreichung ihres Zwecks ungeeignet ist, wenn bereits mit hinreichender Gewissheit davon auszugehen ist, dass der Durchführung der Maßnahmen auf Dauer fachgesetzliche Hinderungsgründe entgegenstehen (vgl. 4 VR 4.20 - juris Rn. 28 ff. m. w. N.). Anhaltspunkte für einen solchen Fall sind nicht ersichtlich. Mangels solcher Anhaltspunkte war die Regierung von Mittelfranken auch nicht zu weiteren Ermittlungen in diese Richtung verpflichtet.

193. Die Grundwassermessstellen auf den Grundstücken Gemarkung P., Flurstück-Nr. ... und Gemarkung G., Flurstück-Nr. ... sind auch notwendig. Notwendig sind Vorarbeiten, die zur Vorbereitung der Planung oder der Baudurchführung erforderlich sind und in einem angemessenen Verhältnis zum Ermittlungsinteresse des Vorhabenträgers stehen.

20a) Die Grundwassermessstellen sind sowohl zur Vorbereitung der Planung als auch der Baudurchführung erforderlich. Sie sollen Daten über den Wasserdrang, die Strömungsrichtung, die Grundwassertiefe sowie mögliche Pegelveränderungen liefern. Durch Pumpversuche wird außerdem die Aquiferergiebigkeit gemessen und über einen längeren Zeitraum der mittlere höchste Grundwasserstand bestimmt, der zur Planung der Wasserhaltung und Dimensionierung der Baugruben benötigt wird. Außerdem werden Grundwasserproben chemisch analysiert, um unter anderem Informationen zur Betonaggressivität und Stahlaggressivität zu erhalten (Duldungsverfügung vom , S. 17 f., Stellungnahme der IG B. GmbH vom , S. 9 f.). Die Einrichtung der Messstellen entspricht den Empfehlungen der Baugrundvoruntersuchung für den Erdkabelabschnitt L. (Baugrundvoruntersuchung A070 der Be. Gruppe vom , S. 35) und der Maßgabe M 7.4 der Landesplanerischen Beurteilung, nach der sicherzustellen ist, dass es in den Erdkabelabschnitten zu keinen Veränderungen in den Grundwasserströmen kommt. Unabhängig davon leuchtet ein, dass die untersuchten Parameter erhoben werden, um zu entscheiden, ob und auf welche Weise ein Erdkabel verlegt werden kann, welche Baumaterialien zur Anwendung kommen und wie die Baugruben zu planen sind.

21b) Die von der Klägerin hiergegen vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.

22(1) Die Grundwassermessstellen sind nicht deshalb von vornherein ungeeignet, weil sie in einer Tiefe von etwa 15 m messen, während sich das erste Grundwasserstockwerk im Projektgebiet in einer Tiefe von 50 bis 70 m befindet. Maßgebend ist der vorhabenbezogene Zweck der Messstellen. Die Vorhabenträgerin will die kleinräumigen hydrogeologischen Verhältnisse in der Tiefe des Kabelgrabens beziehungsweise der HDD-Bohrungen und Baugruben erkunden (vgl. Stellungnahme der IG B. GmbH vom , S. 9 f.). Dass es dort - jedenfalls zu geringer - Wasserführung kommen kann, bestreitet die Klägerin nicht.

23(2) Die Grundstücke mussten vor Errichtung der Grundwassermessstellen nicht mittels geophysikalischer Methoden wie Bodenradar und Magnetfeldmessung oder geoelektrischer Widerstandsmessungen untersucht werden. Mit dem Vortrag, dass das für die Erdaufschlüsse gewählte Raster mit einem Abstand von 50 m ungeeignet sei, kann die Klägerin nicht gehört werden. Fragen zur Baugrunduntersuchung durch Erdaufschlüsse und Entnahme von Bodenproben sind nicht mehr entscheidungserheblich, weil sich die angegriffene Duldungsverfügung insofern durch Zeitablauf erledigt hat. Die in Bezug auf die Bodenbeprobung gestellten Beweisanträge waren daher als unerheblich abzulehnen.

24Sofern sich der Vortrag, die Analyse des Geländes mittels eines hochauflösenden Geländemodells (DGM1) und vorheriger geophysikalischer Untersuchung sei unabdingbar, auch auf die Errichtung und Positionierung der Grundwassermessstellen beziehen soll, überdehnt er die Anforderungen an die Erforderlichkeit der Vorarbeiten. Vorarbeiten dienen der Vorbereitung und Planung durch den Vorhabenträger. Es unterliegt grundsätzlich seiner Einschätzung, welche Vorarbeiten notwendig sind, um für die Planung des Vorhabens und die Anforderungen an seine technische Sicherheit ausreichende Erkenntnisse zu erbringen. Ob dieses Ziel erreicht wird, ist im Planfeststellungsverfahren zu prüfen und unterliegt nach Maßgabe des jeweiligen Prozessrechts im dagegen gerichteten Rechtsbehelfsverfahren der gerichtlichen Überprüfung. Auch insoweit waren die Beweisanträge daher als unerheblich abzulehnen.

25Allerdings kann ein Eigentümer verlangen, nicht zur Duldung von vornherein und offenkundig untauglichen Vorarbeiten verpflichtet zu werden. Indes fehlen alle Anhaltspunkte dafür, dass die Grundwassermessstellen bloße Zufallsergebnisse liefern. Denn jedenfalls am Ort der Messstelle selbst und in ihrem Einzugsbereich können die gesuchten Parameter erhoben werden. Der Vorhabenträger hat zudem in der mündlichen Verhandlung die Auswahl der Standorte für die Grundwassermessstellen ausreichend erläutert. Sie befinden sich im Bereich einer möglichen Unterquerung der Bundesautobahn A3 durch eine HDD-Bohrung und im Umfeld von Teichen und betreffen damit Bereiche, in denen eine Untersuchung des Grundwassers durch Messstellen ohne Weiteres naheliegt. Wollte man den Beweisantrag der Klägerin dahingehend verstehen, dass die Positionierung der Messstellen auch insofern zwingend den Rückgriff auf das Digitale Geländemodell DGM1 oder geophysikalische Untersuchungen erforderlich gemacht hätte, wäre diese Behauptung ins Blaue hinein erhoben. Die Klägerin zeigt nicht auf, dass sich solche Anforderungen aus einem technischen Regelwerk, etwa der von der Beigeladenen herangezogenen DIN EN 1997-2 "Erkundung und Untersuchung des Baugrunds" ergeben würden. Soweit sie sich auf die Hinweise zu den Baufachlichen Richtlinien Boden- und Grundwasserschutz stützt, sind diese weder anwendbar, noch schreiben sie die genannten Methoden vor. Aus dem Gutachten von E. folgt nichts anderes. Zum einen bezieht das Gutachten den Befund des Zufallsergebnisses darauf, dass die Daten allenfalls am Standort der Bohrung Aussagekraft haben und nicht auf den Untersuchungsraum extrapoliert werden können. Zum anderen räumt es selbst ein, dass das Vorgehen der Beigeladenen einer Praxis im Bauingenieurwesen folgt. Der Gutachter macht lediglich geltend, das Vorgehen entspreche nicht den heutigen technisch-wissenschaftlichen Möglichkeiten (Gutachterliche Stellungnahme vom , S. 2 f., 7 und 14). Darauf kommt es indes nicht an. Denn die Duldungspflicht des § 44 Abs. 1 EnWG ist nicht auf solche Vorarbeiten beschränkt, die das technisch Mögliche und den Stand der Wissenschaft ausschöpfen.

26(3) Die Daten konnten nicht durch den Rückgriff auf öffentliche Messstellen erlangt werden. Da die Grundwassermessstellen der Erkundung einer konkreten Kabeltrasse und der Möglichkeit der Unterquerung der Bundesautobahn A3 dienen, müssen sie unmittelbar im Projektgebiet liegen. Die nächstgelegenen öffentlichen Messstellen sind mehr als 100 m vom Projektgebiet entfernt (Stellungnahme der IG B. GmbH vom , S. 12). Diese Messstellen dienen außerdem dem Monitoring tiefliegender Grundwasserstockwerke und sind deshalb nicht geeignet, die Grundwassermessstellen auf den Grundstücken der Klägerin zu ersetzen.

27c) Der angeordnete Zeitraum von fünf Jahren ist rechtlich nicht zu beanstanden und fachlich ausreichend begründet.

28(1) Die Planfeststellungsbehörde darf Maßnahmen auf der Grundlage des § 44 EnWG nur anordnen, solange sie der Vorbereitung der Planung und der Vorbereitung der Baudurchführung dienen. Der Bau selbst und alle damit zusammenhängenden Maßnahmen müssen ihre Grundlage im Planfeststellungsbeschluss finden. Das folgt aus dem Gesetzeswortlaut, der von der "Vorbereitung" der Planung und der Bauausführung spricht sowie der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/54 S. 27).

29Jedenfalls mit Beginn der Bauarbeiten zur Herstellung der Leitung ist die Phase der Vorbereitung der Baudurchführung abgeschlossen. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen stellen Maßnahmen, die nach Baubeginn dem Monitoring des Grundwassers dienen, etwa um festzustellen, ob bei Horizontalbohrarbeiten mit hohen Spüldrücken neue Wasserwegsamkeiten entstehen, keine Vorarbeiten im Sinne des § 44 Abs. 1 EnWG dar. Es handelt sich vielmehr um Maßnahmen der Bauüberwachung beziehungsweise Baubegleitung, die der Baudurchführung selbst zuzuordnen sind.

30Die Planfeststellungsbehörde hat dies erkannt, den fünfjährigen Zeitraum vorliegend aber angeordnet, weil die Grundwassermessstelle der Ermittlung des mittleren höchsten Grundwasserspiegels zur Vorbereitung der Baudurchführung dient (Duldungsverfügung vom , S. 18). Das ist nicht zu beanstanden. Dass zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Duldungsanordnung nach vorläufigen Zeitplänen der Beigeladenen ein Baubeginn "etwa 2026" geplant war, steht dem nicht entgegen. In einem frühen Planungsstadium lassen sich die Zeitabläufe nicht exakt prognostizieren. Erste Zeitpläne können erfahrungsgemäß häufig nicht eingehalten werden, wie auch der mittlerweile angepasste Zeitplan für Abschnitt A Ost der Juraleitung zeigt. Um dem gesetzgeberischen Anliegen des § 44 EnWG Rechnung zu tragen, den Verwaltungsaufwand zu senken und die Planung zu beschleunigen (BR-Drs. 164/22 S. 63 ff.; BT-Drs. 20/1599 S. 61), darf die Planfeststellungsbehörde erfahrungsgemäß auftretende Verzögerungen bei der Bemessung der Laufzeiten vorwegnehmen, um wiederholte Verlängerungen der Duldungsverfügungen zu verhindern.

31(2) Die Erforderlichkeit eines fünfjährigen Betriebs ist auch fachlich hinreichend begründet. Nach den vorliegenden Stellungnahmen ist eine Mindestbetriebsdauer von mehr als zwei beziehungsweise drei Jahren notwendig, um verlässliche Daten über den mittleren höchsten Grundwasserspiegel zu erhalten (vgl. auch 7 VR 1.22 - juris Rn. 14). Die Qualität der Daten steige mit der Laufzeit deutlich an. Mittlerweile seien stark variable mittlere Jahresniederschläge festzustellen. Eine kürzere Betriebsdauer als fünf Jahre berge das Risiko, dass bei einer statistischen Auswertung Extremereignisse mit einem überproportionalen Gewicht berücksichtigt werden (Stellungnahmen der Ingenieurgesellschaft mbH S. vom , S. 2 und der IG B. GmbH vom , S. 13).

32d) Errichtung und Betrieb der Grundwassermessstellen sind verhältnismäßig. Davon ist auszugehen, wenn das Ermittlungsinteresse des Vorhabenträgers in einem angemessenen Verhältnis zu den Eingriffen in das Eigentum steht (vgl. auch 4 VR 9.02 - Buchholz 407.4 § 16a FStrG Nr. 1 S. 3). Der Vorhabenträger unterliegt damit keinem absoluten Minimierungsgebot in dem Sinne, dass er den Eingriff von vornherein auf das technisch mögliche Mindestmaß begrenzen muss.

33Der vorliegende Eigentumseingriff ist von geringer Intensität. Die Auswirkungen der Messstellen beschränken sich jeweils auf einen kleinen Teil des Grundstücks. Sie bestehen aus einem im Bohrloch (Bohrdurchmesser ca. 320 mm) zentrierten Kunststoffrohr mit Datenlogger und werden durch einen Anfahrschutz gesichert (Duldungsanordnung, Ziffer 1.7 S. 3). Nach Ablauf des Duldungszeitraums wird die Bohrung verfüllt und der Ausgangszustand hergestellt (Duldungsanordnung, Ziffer 1.7 S. 3 f.). Abgesehen von der Messstelle selbst werden die Grundstücke nur in geringem Umfang in Anspruch genommen. Das Auslesen der Datenlogger und eventuell erforderliche weitere Grundwasserproben mithilfe einer tragbaren Tauchpumpe dauern wenige Stunden.

34Die Klägerin zeigt nicht auf, dass die Nutzung der Grundstücke erheblich beeinträchtigt wird. Es handelt sich um gemeindliche Grundstücke, die teils als Zuwegung zu anderen Grundstücken, teils zu landwirtschaftlichen Zwecken genutzt werden. Die Befürchtung, es könnten über den gesamten Zeitraum Materialien, Fahrzeuge und Werkzeuge gelagert werden, ist unbegründet. Nach Ziffer 1.8 der Duldungsanordnung dürfen nur die für die jeweiligen Arbeiten erforderlichen Geräte, Begleitfahrzeuge, Werkzeuge und Materialien an- und abtransportiert sowie zwischengelagert werden. Eine dauerhafte Inanspruchnahme der Grundstücke ist danach nicht zugelassen.

35Aus dem von der Klägerin geltend gemachten Eingriff in die von Art. 28 Abs. 2 GG geschützte kommunale Planungshoheit folgt nichts anderes. Soweit die Klägerin vorträgt, das Grundstück Gemarkung G., Flurstück-Nr. ... sei als Fläche für naturschutzrechtliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen vorgesehen, ist nicht dargetan, warum die Grundwassermessstelle dem entgegenstehen sollte.

36B. Der unter Nr. 2 gestellte Fortsetzungsfeststellungsantrag ist unzulässig.

37I. Allerdings ist der Antrag statthaft. Die Verpflichtung, Kleinrammbohrungen, schwere Rammsondierungen und Kernbohrungen zu dulden, hat sich durch Zeitablauf im Sinne von Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG erledigt. Denn auch der verlängerte Duldungszeitraum ist inzwischen abgelaufen.

38Auf die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob die Bohrungen niedergebracht und ordnungsgemäß abgeschlossen worden sind, kommt es nicht an. Selbst wenn die Arbeiten nicht oder nicht vollständig durchgeführt worden wären, müsste die Klägerin auf der Grundlage des angegriffenen Bescheides keine weiteren Eingriffe dulden.

39II. Der Fortsetzungsfeststellungsantrag ist aber unzulässig, weil die Klägerin kein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des insoweit erledigten Verwaltungsaktes hat (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).

401. Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse lässt sich nicht mit einer Wiederholungsgefahr begründen. Diese setzt eine hinreichend bestimmte Gefahr voraus, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird ( 4 C 12.04 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 23 Rn. 8 und vom - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 Rn. 21). Die Klägerin rügt, sie habe trotz entsprechender Anfrage bei der ausführenden Firma keine Aufstellung über die durchgeführten Arbeiten erhalten und bestreitet daher deren (vollständige) Durchführung. Dieser Vortrag genügt nicht, um die von der Beigeladenen schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung gemachte Mitteilung, sämtliche notwendigen Bohrungen seien abgeschlossen, in Zweifel zu ziehen. Die insoweit gestellten Beweisanträge waren als unsubstantiiert abzulehnen. Welche Anforderungen vom Tatsachengericht an die Substantiierung gestellt werden dürfen, bestimmt sich unter anderem danach, ob eine Tatsache in den eigenen Erkenntnisbereich des Beteiligten fällt (vgl. 7 B 19.21 - NVwZ-RR 2023, 95 Rn. 19 m. w. N.). Die Klägerin konnte aus den Duldungsverfügungen entnehmen, an welchen Punkten in welchem Zeitraum die Bohrungen stattfinden sollten. Hegt sie Zweifel am Stand der Arbeiten, liegt es zunächst an ihr, auf den eigenen Grundstücken nachzusehen und zu deren jeweiligem Zustand substantiiert vorzutragen. Unabhängig davon war die Frage des Abschlusses der Arbeiten auch nicht entscheidungserheblich, weil die Beigeladene erklärt hat, auf den Grundstücken der Klägerin seien weitere Bohrungen weder geplant noch beantragt.

41Dass mit fortschreitender Planung andere (Vor-)Arbeiten notwendig werden könnten, begründet ebenfalls keine konkrete Wiederholungsgefahr. Von diesem Umstand sind alle Grundstücke im Planungsraum gleichermaßen betroffen.

422. Ein Präjudizinteresse besteht ebenfalls nicht. Zwar kann die Absicht, einen Haftungs- oder Schadensersatzanspruch bei den ordentlichen Gerichten geltend zu machen, das Fortsetzungsfeststellungsinteresse begründen (vgl. grundlegend 4 C 163.65 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 36). Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Klage in Betracht kommen könnte, hat die Klägerin auch nach Ablauf der Duldungsfrist aber nicht dargelegt. Sofern sie Schäden an ihren Grundstücken durch unsachgemäß ausgeführte Arbeiten befürchtet, hängt deren Geltendmachung im Übrigen nicht von der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Verfügung ab.

433. Schließlich kann sich die Klägerin nicht auf ein objektives Klärungsinteresse berufen. Bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen besteht ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse, wenn andernfalls kein wirksamer Rechtsschutz zu erlangen wäre (vgl. 2 C 5.19 - BVerwGE 170, 319 Rn. 15 und Beschlüsse vom - 6 C 2.22 - juris sowie - 8 AV 1.24 - juris m. w. N.). Die Klägerin kann sich als Gemeinde aber nicht auf das Grundrecht am Eigentum aus Art. 14 Abs. 1 GG berufen ( - BVerfGE 61, 82 <100 ff.>). Ob die weiteren Voraussetzungen für ein objektives Klärungsinteresse vorliegen, kann deshalb dahinstehen.

44Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2024:140224U11A7.23.0

Fundstelle(n):
RAAAJ-67373