Instanzenzug: Az: 2 U 2116/21vorgehend Az: 8 O 418/20
Gründe
I.
1Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
2Die Klägerin kaufte im Jahr 2016 von einem Händler ein nicht von der Beklagten hergestelltes neues Kraftfahrzeug Seat Leon, das mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 288 ausgerüstet ist. Zwischenzeitlich hat die Klägerin das Fahrzeug weiterverkauft.
3Die auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung und des Weiterverkaufserlöses gerichtete Klage ist vor dem Landgericht ohne Erfolg geblieben. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
II.
4Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen wie folgt begründet: Ein Anspruch der Klägerin gemäß §§ 826, 31 BGB bestehe nicht, da auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs tatsächliche Anhaltspunkte für ein sittenwidriges Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen gegenüber der Klägerin nicht festgestellt werden könnten. Im Hinblick auf den Einsatz einer Fahrkurve fehle es an der erforderlichen Grenzwertkausalität. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV komme schon deswegen nicht in Betracht, weil das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, nicht im Schutzbereich dieser Bestimmungen liege. Unabhängig davon sei der Beklagten weder Fahrlässigkeit anzulasten noch der Klägerin ein Schaden entstanden.
III.
5Die (unbeschränkt zugelassene, vgl. nur VIa ZR 1031/22, NJOZ 2023, 1133 Rn. 10) Revision der Klägerin ist durch Beschluss zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht vorliegen und sie keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 552a ZPO).
61. Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht (mehr) vor (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Rechtsfrage, ob und unter welchen Voraussetzungen dem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV gegen den Hersteller des Fahrzeugmotors zusteht, ist durch die Entscheidung des Senats vom (VIa ZR 1119/22, NJW 2023, 3580 Rn. 20 ff.) geklärt und der im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts gegebene Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung ist entfallen. Die grundsätzliche Klärung entscheidungserheblicher Rechtsfragen erst nach Einlegung der Revision steht einer Revisionszurückweisung durch Beschluss nicht im Wege (, VersR 2015, 126). Ferner liegt auch nicht der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO vor, weil das Berufungsgericht das rechtliche Gehör der Klägerin nach Art. 103 Abs. 1 GG verletzt hat. Dies ist nicht der Fall.
72. Die Revision hat keine Aussicht auf Erfolg. Der Klägerin steht insbesondere kein Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV gegen die Beklagte als (bloße) Motorherstellerin zu.
8Zwar kann ein Schaden der Klägerin nicht mit der Begründung des Berufungsgerichts verneint werden ( VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 42). Auch hat der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden, dass die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB sind, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. aaO, Rn. 29 bis 32; ebenso , NJW 2024, 361 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Dennoch hält das angefochtene Urteil im Ergebnis der Überprüfung im Revisionsverfahren stand.
9Im Hinblick auf etwaige Ansprüche der Klägerin aus §§ 826, 31 BGB hat das Berufungsgericht eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung der Klägerin aufgrund einer tatrichterlichen Würdigung der von der Klägerin vorgetragenen Umstände und in Übereinstimmung mit den in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (vgl. zum Thermofenster , NJW 2021, 921 Rn. 13 ff.; Beschluss vom - VII ZR 767/21, juris Rn. 10; zur Fahrkurve und der Frage der Grenzwertkausalität VIa ZR 535/21, WM 2024, 40 Rn. 11; Urteil vom - VIa ZR 1012/22, juris Rn. 11) rechtsfehlerfrei verneint. Die darauf bezogenen Verfahrensrügen der Revision hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).
10Die Revision dringt aber auch nicht mit ihrem Einwand durch, die Beklagte hafte der Klägerin nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV. Die Haftung nach diesen Vorschriften knüpft an die Erteilung einer unzutreffenden Übereinstimmungsbescheinigung durch den Fahrzeughersteller an. Der Motorhersteller kann deshalb, weil er die Übereinstimmungsbescheinigung nicht ausgibt, nach den allgemeinen und durch das Unionsrecht unangetasteten Grundsätzen des deutschen Deliktsrechts weder Mittäter einer Vorsatztat des Fahrzeugherstellers noch mittelbarer (Vorsatz-)Täter hinter dem (gegebenenfalls fahrlässig handelnden) Fahrzeughersteller sein, weil ihm nicht die hierzu erforderliche Sonderpflicht obliegt ( VIa ZR 1119/22, WM 2023, 1530 Rn. 20; Urteil vom - VIa ZR 1689/22, juris Rn. 10; Urteil vom - VIa ZR 1652/22, juris Rn. 10).
11Eine bei Sonderdelikten mögliche Beteiligung der Beklagten als Motorherstellerin im Sinne des § 830 Abs. 2 BGB an einer deliktischen Schädigung des Fahrzeugherstellers kommt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die die Revision insoweit fristgerecht nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffen hat, ebenfalls nicht in Betracht. Zwar kann Beihilfe auch zu Sonderdelikten geleistet werden, bei denen der Gehilfe nicht Täter sein kann. Voraussetzung ist allerdings nicht nur, dass der Gehilfe mit doppeltem Vorsatz hinsichtlich der fremden rechtswidrigen Tat und der eigenen Unterstützungsleistung gehandelt hat. Bedingung einer Beteiligung ist vielmehr weiter eine Vorsatztat des Fahrzeugherstellers ( VIa ZR 1119/22, WM 2023, 1530 Rn. 21; Urteil vom - VIa ZR 1689/22, juris Rn. 11; Urteil vom - VIa ZR 1652/22, juris Rn. 11). Dass der Fahrzeughersteller im konkreten Fall vorsätzlich eine unrichtige Übereinstimmungsbescheinigung durch eine vorsätzliche Hilfeleistung der Beklagten als Motorherstellerin ausgegeben habe, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Eine darauf bezogene Verfahrensrüge erhebt die Revision nicht.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:260324BVIAZR1539.22.0
Fundstelle(n):
AAAAJ-66735