BGH Beschluss v. - VIa ZR 600/23

Instanzenzug: OLG Dresden Az: 5a U 2163/22vorgehend LG Dresden Az: 4 O 2938/21

Gründe

I.

1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug mit Dieselmotor auf Schadensersatz in Anspruch.

2Seine Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der fristgemäß eingelegten Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht. Innerhalb der bis zum verlängerten Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ist eine Begründung nicht eingegangen. Eingehend (unvollständig) am und (vollständig) am hat der Kläger die Beschwerde begründet und zugleich beantragt, ihm Wiedereinsetzung in die versäumte Begründungsfrist zu gewähren. Zur Begründung dieses Antrags hat er im Wesentlichen vorgetragen, seine Prozessbevollmächtigte habe den Begründungsschriftsatz am Tag des Fristablaufs von dem in ihrem Arbeitszimmer in der Kanzlei stehenden Rechner per beA (besonderes elektronisches Anwaltspostfach) versehentlich nicht an den Bundesgerichtshof, sondern an ihr eigenes Postfach versendet. Der Vorgang sei als „erfolgreich“ bestätigt worden. Die Prozessbevollmächtigte habe das Sendeprotokoll auf dem im Sekretariat stehenden Drucker ausgedruckt und die dort anwesende Mitarbeiterin um Prüfung auf Richtigkeit und Vollständigkeit gebeten. Entsprechend einer allgemein erteilten Weisung habe die Mitarbeiterin unter anderem geprüft, ob als Empfänger der Bundesgerichtshof aufgeführt gewesen sei. Sie habe übersehen, dass dies nicht der Fall gewesen sei, und die Frist gestrichen.

II.

3Dem Kläger war Wiedereinsetzung zu gewähren.

4Er war ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Beschwerdebegründungsfrist verhindert, § 233 ZPO. Zwar ist ihm das Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten bei der Versendung des Schriftsatzes gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen. Jedoch steht ein solches Verschulden einer Wiedereinsetzung ausnahmsweise dann nicht entgegen, wenn im Rahmen der Büroorganisation durch eine allgemeine Arbeitsanweisung (hier: Kontrolle der Versendung an den richtigen Adressaten vor der Fristlöschung) Vorsorge dafür getroffen wurde, dass bei normalem Verlauf der Dinge die Frist - trotz des Versehens des Rechtsanwalts - mit Sicherheit gewahrt worden wäre (vgl. IVb ZB 103/84, NJW 1985, 1226; Beschluss vom - XII ZB 215/05, NJW 2006, 1205 Rn. 8 f.; Beschluss vom - III ZB 86/19, NJW-RR 2021, 503 Rn. 10). Da die Fristen- und Ausgangskontrolle, die ein Rechtsanwalt in zulässiger Weise seinen Büroangestellten übertragen darf (vgl. , NJW-RR 2013, 304 Rn. 10; Beschluss vom - XI ZB 13/22, NJW 2023, 1224 Rn. 10 ff. mwN), gerade der Vermeidung eines erfahrungsgemäß nicht gänzlich ausschließbaren Anwaltsversehens dient, ist bei einem Versagen dieser Kontrolle ein Rückgriff auf ein Anwaltsversehen im Zusammenhang mit der Versendung ausgeschlossen (vgl. , NJW 1996, 998, 999; Beschluss vom , aaO; Beschluss vom - VI ZB 15/14, NJW 2014, 2961 Rn. 9; Beschluss vom , aaO; vgl. auch BVerfG NJW 1996, 309 f.). Dass eine solche ausreichende Ausgangskontrolle im Büro der Prozessbevollmächtigten des Klägers bestand, ist glaubhaft gemacht.

III.

5Die Nichtzulassungsbeschwerde war zurückzuweisen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

6Insbesondere ist die Entscheidungserheblichkeit der von der Nichtzulassungsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der Divergenz aufgeworfenen Rechtsfragen nicht hinreichend dargetan. Das Berufungsgericht hat die Ablehnung eines Anspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV selbständig tragend darauf gestützt, der Kläger habe ein Verschulden der Beklagten nicht hinreichend dargelegt. Die Nichtzulassungsbeschwerde legt insoweit einen durchgreifenden Zulassungsgrund nicht dar. Die geltend gemachte Verletzung von Verfahrensgrundrechten hat der Senat geprüft, aber für nicht durchgreifend erachtet. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:260324BVIAZR600.23.0

Fundstelle(n):
PAAAJ-66542