BGH Beschluss v. - XI ZR 95/23

Instanzenzug: Az: 12 U 76/22vorgehend Az: 30 O 300/21

Gründe

I.

1Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen der Kläger. Das Landgericht hat die Klage, mit der die Kläger die Feststellung begehren, wegen des Widerrufs - hilfsweise wegen einer Kündigung - nicht mehr zur Erbringung von Zinszahlungen und Tilgungsleistungen aus dem mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag verpflichtet zu sein, abgewiesen.

2Das Berufungsgericht hat die Berufung der Kläger mit Urteil vom , das den Klägern am selben Tage zugestellt worden ist, zurückgewiesen. Die Kläger haben durch ihren drittinstanzlichen Prozessbevollmächtigten am Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof eingelegt und beantragt, die Frist zu deren Begründung um zwei Monate zu verlängern. Die Frist wurde bis zum verlängert.

3Mit Schriftsatz vom , der am über das besondere elektronische Anwaltspostfach (künftig: beA) des Prozessbevollmächtigten der Kläger übersandt worden und am selben Tage beim Bundesgerichtshof eingegangen ist, haben die Kläger die Nichtzulassungsbeschwerde begründet. Mit Schriftsatz vom , der am selben Tage beim Bundesgerichtshof eingegangen ist, haben die Kläger die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde beantragt.

II.

4Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die Kläger haben die Nichtzulassungsbeschwerde nicht fristgerecht begründet. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger ist daher als unzulässig zu verwerfen.

51. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 233 ZPO kommt nicht in Betracht. Die Kläger waren nicht ohne ihr Verschulden verhindert, die Nichtzulassungsbeschwerde rechtzeitig zu begründen. Nach ihrem Vorbringen und den glaubhaft gemachten Tatsachen (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO) kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde auf einem den Klägern gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden ihres drittinstanzlichen Prozessbevollmächtigten beruht (vgl. BGH, Beschlüsse vom - III ZB 9/21, NJW-RR 2022, 204 Rn. 11 mwN und vom - I ZR 125/21, juris Rn. 9).

6a) Die Kläger haben zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags vorgetragen, dass die in der Kanzlei ihres drittinstanzlichen Prozessbevollmächtigten für die Fristennotierung und Fristenkontrolle zuständige Mitarbeiterin H.   S.      , eine geschulte und zuverlässige Bürokraft, die verlängerte Begründungsfrist im Fristenkalender zutreffend notiert und dem Prozessbevollmächtigten die Handakte im Rahmen der Vorfrist am vorgelegt habe. Der Prozessbevollmächtigte habe am selben Tage die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde vorbereitet und die Rückgabe der Gerichtsakte verfügt. Sodann habe er die Beschwerdebegründung diktiert. Frau S.       habe das Diktat ordnungsgemäß ausgeführt, es entsprechend der Anweisung des Prozessbevollmächtigten als pdf-Dokument formatiert und gespeichert. Der Prozessbevollmächtigte habe ihr ferner die konkrete Einzelanweisung erteilt, die Beschwerdebegründung nach Fertigstellung des Schriftsatzes am zwecks Einreichung per beA vorzulegen. Am habe Frau S.       dies jedoch aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen unterlassen und ihn auch nicht anderweitig an die fristgemäße Einreichung der Begründung erinnert. Zudem habe sie bei der nach allgemeiner Anweisung täglich bei Dienstschluss vorzunehmenden Fristenkontrolle die im Fristenkalender noch nicht gestrichene Begründungsfrist übersehen.

7b) Mit diesem Vorbringen können die Kläger das ihnen zuzurechnende Verschulden ihres drittinstanzlichen Prozessbevollmächtigten nicht ausräumen.

8Die Kläger haben nicht substantiiert dargelegt, wie in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten nach der allgemeinen Anweisung die allabendliche Ausgangskontrolle vorzunehmen war. Insbesondere haben sie nicht dargelegt, dass ein Abgleich der erfolgreichen Übermittlung fristwahrender Schriftsätze mit dem Fristenkalender durch eine dazu beauftragte Bürokraft angeordnet war, durch welche die unterbliebene Fristenkontrolle sowie Vorlage und Übersendung der Beschwerdebegründung aufgedeckt worden wäre. Eine solche Kontrolle ist aber schon deshalb notwendig, weil selbst bei sachgerechten Organisationsabläufen - wie hier - individuelle Bearbeitungsfehler auftreten können, die es nach Möglichkeit aufzufinden und zu beheben gilt (BGH, Beschlüsse vom - VIII ZB 38/14, NJW 2015, 253 Rn. 8, vom - VIII ZB 103/18, NJW-RR 2020, 52 Rn. 13 und Senatsbeschluss vom - XI ZB 13/22, WM 2023, 37 Rn. 11 f.).

9Der pauschale Vortrag, dass die Mitarbeiterin S.      sowohl "bei der nach allgemeiner Anweisung bei Dienstschluss vorzunehmenden Fristenkontrolle am die im Fristenkalender noch nicht gestrichene Begründungsfrist" als auch "die konkrete Einzelanweisung, nach Fertigstellung des Schriftsatzes am [richtig: 2023] zwecks beA-Einreichung [dem Prozessbevollmächtigten] vorzulegen", übersehen habe, genügt nicht. Auch die eidesstattliche Erklärung der Mitarbeiterin S.      , wonach sie "trotz Fristenkontrolle die im Kalender notierte Begründungsfrist übersehen habe", hilft insoweit nicht weiter. Denn hiernach war jeweils nur die Kontrolle des Fristenkalenders vorzunehmen, nicht aber die selbständige und abschließende Kontrolle des Postausgangs.

102. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2, § 551 Abs. 2 Satz 6 ZPO bis zum verlängerten Frist begründet worden ist. Die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde lief am ab und war bei Übersendung des Schriftsatzes am überschritten.

III.

11Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:260324BXIZR95.23.0

Fundstelle(n):
MAAAJ-66436