Instanzenzug: Az: 10 U 93/22vorgehend Az: 8 O 295/21
Gründe
I.
1Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verwendung von unzulässigen Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
2Die vorsteuerabzugsberechtigte Klägerin erwarb im Februar 2016 von einem Händler einen neuen Porsche Macan S Diesel für netto 71.678,11 € (brutto 85.296,95 €). Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten entwickelten und hergestellten V6-Dieselmotor (Schadstoffklasse Euro 6) ausgestattet.
3Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung zuzüglich Prozesszinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs, Feststellung des Annahmeverzugs und die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten unter Zurückweisung der Rechtsmittel im Übrigen das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 53.768,31 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 58.883,57 € vom bis zum und aus 53.768,31 € seit dem zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Weiter hat es festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des Fahrzeugs im Annahmeverzug befinde. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Schlussanträge in der Berufungsinstanz auf Zahlung weiterer 5.009,58 € nebst Zinsen und Zurückweisung der Anschlussberufung der Beklagten weiter.
II.
4Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, wie folgt begründet:
5Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Anspruch aus §§ 826, 31 BGB auf Schadensersatz in Höhe des von ihr gezahlten Nettokaufpreises (71.678,11 €) abzüglich einer Nutzungsentschädigung für erlangte Gebrauchsvorteile (17.909,80 €), also in Höhe von 53.768,31 €, Zug um Zug gegen Rückgabe des erworbenen Fahrzeugs. Bei der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Bemessung der anzurechnenden Nutzungsvorteile der Klägerin sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von folgender Berechnungsformel auszugehen: Bruttokaufpreis / erwartete Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt X gefahrene Strecke (seit Erwerb). Mit ihrem Einwand, dass die Nutzungsentschädigung aus dem Nettokaufpreis zu berechnen sei, dringe die Klägerin nicht durch. Die voraussichtliche Gesamtlaufleistung des betroffenen Fahrzeugs schätze der Senat im Einklang mit dem Landgericht auf 300.000 km. Ein Anspruch auf Freistellung der Klägerin von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bestehe nicht, weil das vorprozessuale anwaltliche Aufforderungsschreiben wegen bekannter Zahlungsunwilligkeit der Beklagten nicht erforderlich und zweckmäßig gewesen sei.
III.
6Die Revision der Klägerin hat keine Aussicht auf Erfolg.
71. Soweit sich die Klägerin dagegen wendet, dass das Berufungsgericht auf die Anschlussberufung der Beklagten deren Verurteilung zur Freistellung der Klägerin von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aufgehoben und ihre Klage insoweit abgewiesen hat, ist die Revision mangels Zulassung durch das Berufungsgericht gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO unstatthaft (§ 552 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat die Revision nur beschränkt auf die Höhe des gegen den Beklagten bestehenden Zahlungsanspruchs zugelassen.
8a) Zwar enthält der Entscheidungssatz des angegriffenen Urteils keine Beschränkung der Revisionszulassung. Eine Beschränkung der Revisionszulassung kann sich allerdings auch aus den Entscheidungsgründen ergeben, wenn aus ihnen der Wille des Berufungsgerichts klar hervorgeht, die revisionsrechtliche Überprüfung nur wegen eines Teils des Gesamtstreitstoffs zu eröffnen, und dieser Teil eindeutig abgrenzbar und selbstständig ist, so dass er Gegenstand eines Teilurteils oder eines eingeschränkt eingelegten Rechtsmittels sein kann ( VIa ZR 110/21, juris Rn. 10 mwN).
9b) Ein solcher Fall ist vorliegend gegeben. Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision damit begründet, der Senat weiche hinsichtlich der Bemessung des Nutzungsersatzes ausgehend vom Bruttokaufpreis auch bei Vorsteuerabzugsberechtigung des Geschädigten von der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte ab. Die Frage sei nicht durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt.
10Die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant erachtete Rechtsfrage bezieht sich damit allein auf die Berechnung der Nutzungsentschädigung. Sie betrifft weder den Grund des Anspruchs, der zwischen den Parteien nicht im Streit war, noch den Antrag auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, den das Berufungsgericht aus anderen Gründen als unbegründet angesehen hat. Eine Beschränkung der Revisionszulassung auf die Anspruchshöhe ist ebenso möglich (, WM 2011, 2223 Rn. 18) wie auf einzelne Schadenspositionen (, NJW 1992, 1769, 1770).
112. Soweit sich die Klägerin gegen die teilweise Abweisung ihres Zahlungsantrags wendet, liegen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vor und hat diese keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).
12a) Ein Zulassungsgrund ist nicht (mehr) gegeben. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die Frage, ob das Tatgericht bei der Bemessung der Nutzungsvorteile, wenn es sie nach der linearen Berechnungsmethode schätzt, vom Brutto- oder Nettokaufpreis ausgeht, ist höchstrichterlich durch die Entscheidung des Senats vom (VIa ZR 752/22, NJW 2023, 3010 Rn. 19 f.) geklärt.
13b) Die Revision der Klägerin ist auch unbegründet. Die allein noch streitige Höhe des Schadensersatzanspruchs hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt.
14aa) Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des dabei nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters und revisionsrechtlich lediglich daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Acht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (, NJW 2020, 144 Rn. 8; Urteil vom - VI ZR 533/20, NJW 2021, 3594 Rn. 31; Urteil vom - VI ZR 731/20, NJW 2022, 472 Rn. 10; Urteil vom - KZR 42/20, BGHZ 235, 168 Rn. 40). Dies gilt insbesondere auch für die Bemessung der Höhe der anzurechnenden Vorteile ( VIa ZR 752/22, NJW 2023, 3010 Rn. 12). Solche Fehler zeigt die Revision nicht auf und sind auch nicht ersichtlich.
15bb) Ohne Verstoß gegen die genannten Grundsätze hat das Berufungsgericht die Nutzungsvorteile nach der linearen Berechnungsmethode geschätzt (vgl. , BGHZ 226, 332 Rn. 12 f. und - VI ZR 397/19, NJW 2020, 2806 Rn. 35 f.) und im Rahmen der Schätzung der Berechnung den Bruttokaufpreis zugrunde gelegt. Nach der Rechtsprechung des Senats hat das Tatgericht gemäß dem ihm tatrichterlich eingeräumten Ermessen selbst zu entscheiden, ob es von dem Brutto- oder dem Nettokaufpreis ausgeht. Insoweit ergeben sich weder aus dem Gesetz noch aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung verbindliche Vorgaben ( VIa ZR 752/22, NJW 2023, 3010 Rn. 19 f.).
16Die Einwände der Revision hiergegen greifen nicht durch. Die von der Revision angeführte Entscheidung des , NJW 2021, 3261 Rn. 22; vgl. auch VIa ZR 100/21, NJW-RR 2022, 1033 Rn. 18 f.) verbietet es nicht, bei Anwendung der linearen Berechnungsmethode vom Bruttokaufpreis auch dann auszugehen, wenn der Geschädigte zum Vorsteuerabzug berechtigt und deswegen die angefallene Umsatzsteuer nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung nicht ersatzfähig ist, soweit sie der Geschädigte als Vorsteuer abziehen kann (vgl. VIa ZR 752/22, NJW 2023, 3010 Rn. 19). Entgegen der Ansicht der Revision stehen sich Kaufpreiszahlung und die Nutzung des Fahrzeugs auch dann "kongruent" und daher anrechenbar gegenüber, wenn der Nutzungsvorteil aus dem Bruttokaufpreis berechnet wird.
17cc) Ebenso durfte das Berufungsgericht die Gesamtlaufleistung auf 300.000 km schätzen. Auch insoweit zeigt die Revision rechtlich erhebliche Fehler zum Nachteil der Klägerin nicht auf.
18Das Berufungsgericht hat den für die Prognose der Gesamtlaufleistung in erster Linie maßgeblichen Umstand, nämlich den genauen Fahrzeugtyp, in seinem Urteil festgestellt und in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise die Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs auf 300.000 km geschätzt. Mit dieser Schätzung bewegt sich das Berufungsgericht innerhalb der Bandbreite der von anderen Gerichten jeweils vorgenommenen Schätzung der gesamten Laufleistung, und zwar nicht am unteren, sondern eher am oberen Rand (vgl. hierzu Reinking/Eggert/Almeroth, Der Autokauf, 15. Aufl., Kapitel 9 Rn. 356; Staudinger/Kaiser, BGB, 2022, § 346 Rn. 263; vgl. , juris Rn. 26 f. für einen Audi A 7 Sportback 3.0 TDI). Einer näheren Begründung des Berufungsgerichts für seine Schätzung der Gesamtlaufleistung hätte es danach nur bedurft, hätte der Kläger weitere aussagekräftige Umstände, die die zu erwartende Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs beeinflussen, dargetan (vgl. , WM 2021, 1659 Rn. 26). Solche zeigt die Revision nicht auf. Die Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:300124BVIAZR673.23.0
Fundstelle(n):
CAAAJ-65985