BGH Beschluss v. - II ZB 4/23

Leitsatz

Ein im Wege der Sonderrechtsnachfolge übergegangener Kommanditanteil unterliegt auch dann der Dauertestamentsvollstreckung, wenn der Erbe bereits Gesellschafter ist.

Gesetze: § 2209 BGB, § 177 HGB

Instanzenzug: Az: I-4 U 16/22vorgehend Az: 88 O 12/20

Gründe

I.

1Die Parteien streiten um die Gültigkeit von auf Gesellschafterversammlungen der R.     Gruppe GmbH & Co. KG Anfang 2020 mit Stimmen der Beklagten gefassten Beschlüssen, mit denen der Abschluss von Geschäftsführerdienstverträgen der Betriebsuntergesellschaft der Kommanditgesellschaft mit den Beklagten genehmigt wurde. Der Kläger und die Beklagte zu 1 sind Kommanditisten der Kommanditgesellschaft. Deren weitere Kommanditistin war die während des zweiten Rechtszugs verstorbene Beklagte zu 2, die von dem Kläger beerbt worden ist. Hinsichtlich ihres Kommanditanteils hat die Erblasserin Dauertestamentsvollstreckung angeordnet, die im Gesellschaftsvertrag der Kommanditgesellschaft zugelassen war.

2Das Berufungsgericht hat den Rechtsstreit auf Antrag des Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 2 ausgesetzt, soweit sich die Klage gegen diese gerichtet hat. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

3Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Fall 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat das Verfahren gegen die Beklagte zu 2 zu Recht gemäß § 246 Abs. 1 ZPO ausgesetzt.

41. Das Berufungsgericht hat zur Begründung der Aussetzungsentscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

5Der antragsgemäßen Aussetzung des Rechtsstreits stehe nicht das Verbot des Insichprozesses infolge der Beerbung der Beklagten zu 2 durch den Kläger entgegen, da der Kommanditanteil der Testamentsvollstreckung unterliege. Demzufolge sei der Testamentsvollstrecker zur Aufnahme des Verfahrens berufen. Bei der Erbfolge in einen Kommanditanteil sei Testamentsvollstreckung uneingeschränkt möglich, sofern sie, wie im Streitfall, im Gesellschaftsvertrag zugelassen sei. Dies gelte auch dann, wenn der Erbe bereits Gesellschafter sei. Zwar sei die Beteiligung eines Gesellschafters an einer Personengesellschaft notwendig eine einheitliche. Von diesem Grundsatz müsse bei Testamentsvollstreckung allerdings aus praktischen Bedürfnissen eine Ausnahme gemacht werden.

62. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde steht die Beerbung der Beklagten zu 2 durch den Kläger und der Grundsatz der Einheitlichkeit der Mitgliedschaft der Aussetzung nicht entgegen. Ein im Wege der Sonderrechtsnachfolge übergegangener Kommanditanteil unterliegt auch dann der Dauertestamentsvollstreckung, wenn der Erbe bereits Gesellschafter ist.

7a) Die gesellschaftsvertraglich zugelassene Anordnung der Testamentsvollstreckung durch die Erblasserin verhindert die uneingeschränkte Vereinigung des Kommanditanteils der Beklagten zu 2 mit dem des Klägers (vgl. IVa ZR 155/84, BGHZ 98, 48, 57; Beschluss vom - IV ZB 21/94, NJW 1996, 1284, 1285 f.).

8aa) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine Testamentsvollstreckung sich auf einen Kommanditanteil beziehen kann. Das entspricht, sofern die übrigen Gesellschafter einverstanden sind oder, wie hier, der Gesellschaftsvertrag es vorsieht, der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (, BGHZ 108, 187, 191 ff.; Beschluss vom - II ZB 15/11, ZIP 2012, 623 Rn. 14, 18).

9bb) Der Senat hat in seiner Entscheidung vom (II ZB 1/89, BGHZ 108, 187, 199) offengelassen, wie sich die Anordnung von Dauertestamentsvollstreckung auswirkt, wenn der Erbe bereits vor dem Erbfall Gesellschafter war und ob insoweit an einer früheren Entscheidung (, BGHZ 24, 106, 113) festzuhalten ist, wonach die damit zwangsläufig verbundene Aufspaltung des einheitlichen Gesellschaftsanteils aus Rechtsgründen nicht möglich sei. Auf die zeitlich nachfolgende Anfrage des IV. Zivilsenats hat der Senat mitgeteilt, dass auch nach seiner Rechtsprechung eine Testamentsvollstreckung bezüglich des ererbten Anteils an einer Personengesellschaft nicht schlechthin ausgeschlossen ist (vgl. , NJW 1996, 1284, 1286).

10Mit der h.M. im Schrifttum (etwa BeckOK HGB/Beyer, Stand , § 177 Rn. 6; Strohn in Ebenroth/Boujong, HGB, 4. Aufl., § 177 Rn. 21; von Selle in Ebenroth/Boujong, HGB, 5. Aufl., § 177 Rn. 21; Gummert in Henssler/Strohn, GesR, 5. Aufl., § 177 HGB Rn. 9; Kindler in Koller/Kindler/Drüen, HGB, 10. Aufl., § 177 Rn. 7; Plückelmann in Kroiß/Horn/Solomon, Nachfolgerecht, 3. Aufl., § 177 HGB Rn. 14; MünchKommBGB/Zimmermann, 9. Aufl., § 2205 Rn. 44; MünchKommHGB/K. Schmidt/Grüneberg, 5. Aufl., § 177 Rn. 24; Oetker/Oetker, HGB, 8. Aufl., § 177 Rn. 18; Mock in Röhricht/Graf von Westphalen/Mock/Wöstmann, HGB, 6. Aufl., § 177 Rn. 12; Staub/Thiessen, HGB, 5. Aufl., § 177 Rn. 29; Pauli in Bengel/Reimann/Holtz/Röhl, HdB der Testamentsvollstreckung, 8. Aufl., § 5 Rn. 210b; K. Schmidt, GesR, 4. Aufl., § 45 I 2. b) bb), V 8. d); Weidlich, Die Testamentsvollstreckung im Recht der Personengesellschaften, 1993, 98 ff.; Lüttge, NJW 1994, 5, 8; Schmidt-Diemitz, Festschrift Sigle, 2000, 395, 414 ff.; aA Hopt/Roth, HGB, 43. Aufl. § 131 Rn. 26) ist der der Testamentsvollstreckung unterliegende Gesellschaftsanteil als abspaltbares Sondervermögen anzusehen. Der das Recht der Personengesellschaften beherrschende Grundsatz der Einheitlichkeit der Mitgliedschaft (, BGHZ 24, 106, 108; Urteil vom - II ZR 88/61, WM 1963, 989; Urteil vom - II ZR 143/69, BGHZ 58, 316, 318; Urteil vom - II ZR 211/88, ZIP 1052, 1054) steht dem nicht entgegen, weil sich der der Testamentsvollstreckung unterliegende Gesellschaftsanteil angesichts der materiell-rechtlichen Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers über die im Gesellschaftsanteil verkörperten Rechte nicht uneingeschränkt mit einem bereits zuvor gehaltenen Gesellschaftsanteil des Erben vereinigt (Ulmer ZHR 167 [2003], 103, 115; Wertenbruch in Ebenroth/Boujong, HGB, 5. Aufl., § 105 Rn. 81 ff.).

11Die Gegenauffassung muss im Übrigen zu unpraktikablen "Ersatzkonstruktionen" greifen, um den Erblasserwillen durchzusetzen. So soll der Kommanditisten-Erbe nach Anteilsvereinigung kraft konkludenter Auflage (§§ 1940, 2192 ff. BGB) verpflichtet sein, den ererbten Anteil treuhänderisch an den Testamentsvollstrecker abzutreten (vgl. Ulmer, NJW 1990, 73, 77 mwN). Es kann auf sich beruhen, ob eine solche Auslegung der letztwilligen Verfügung im Einzelfall möglich ist (§ 2084 BGB). Sie ist jedenfalls nicht schon aufgrund der Anordnung der Dauertestamentsvollstreckung zwangsläufig (vgl. , BGHZ 24, 106, 113 f.).

12b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde umfasst die Testamentsvollstreckung auch den verfahrensgegenständlichen Beschlussmängelstreit.

13aa) Hat ein Erblasser - wie hier - hinsichtlich einer Beteiligung an einer Gesellschaft unbeschränkte Testamentsvollstreckung angeordnet, sind die Erben grundsätzlich gemäß § 2205 Satz 1, § 2211 BGB von der Ausübung der Gesellschafterbefugnisse ausgeschlossen. Die den Gesellschaftsanteil betreffenden Verwaltungs- und Vermögensrechte werden allesamt von dem Testamentsvollstrecker ausgeübt, der hierbei an den Willen der Erben nicht gebunden ist und in seinen Kompetenzen lediglich durch die Verbote der unentgeltlichen Verfügung nach § 2205 Satz 3 BGB und der Begründung einer persönlichen Haftung der Erben (vgl. § 2206 BGB) sowie durch seine generelle Pflichtenstellung gegenüber den Erben eingeschränkt ist (vgl. , BGHZ 25, 275, 279 f.; Beschluss vom - II ZB 1/89, BGHZ 108, 187, 189 f.; Beschluss vom - II ZB 15/11, ZIP 2012, 623 Rn. 18; Urteil vom - II ZR 250/12, BGHZ 201, 216 Rn. 14). Die klageweise Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit von Gesellschafterbeschlüssen obliegt deshalb ebenfalls dem Testamentsvollstrecker (§ 2212 BGB), es sei denn, dass der Testamentsvollstrecker selbst unzulässigerweise anstelle der Erben mitgestimmt hat und insoweit seine Verwaltungsbefugnis beschränkt ist (, BGHZ 108, 21, 23 f.; Urteil vom - II ZR 250/12, BGHZ 201, 216 Rn. 14). Nämliches gilt für die Verteidigung gegen die klageweise Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit eines Gesellschafterbeschlusses.

14bb) Eine andere Beurteilung ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht aufgrund des Inkrafttretens des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts vom (BGBl. I S. 3436 - MoPeG) und insbesondere von § 711a BGB veranlasst. Mit § 711a BGB wollte der Gesetzgeber im Wesentlichen nur die in § 717 BGB a.F. enthaltenen Regelungen übernehmen (Begr. BReg, BT-Drucks. 19/27635, S. 145 f.). Die in § 711a BGB geregelte eingeschränkte Übertragbarkeit von Gesellschafterrechten trägt zur Beantwortung der vorgelagerten Frage der Spaltung der Mitgliedschaft in einen originären und einen der Testamentsvollstreckung unterliegenden Gesellschaftsanteil nichts bei. Innerhalb des letztgenannten Anteils unterliegt der Testamentsvollstrecker gemäß § 105 Abs. 3, § 161 Abs. 2 HGB den Beschränkungen des § 711a BGB.

153. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Im Aussetzungsverfahren ergeht keine Kostenentscheidung, weil es Teil der Hauptsache ist. Das durch die Aussetzungsentscheidung ausgelöste Rechtsbeschwerdeverfahren stellt ebenfalls nur einen Bestandteil des Hauptverfahrens dar (vgl. , NJW-RR 2006, 1289 Rn. 12; Beschluss vom - II ZB 35/20, ZIP 2021, 1514 Rn. 77). Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, die durch eine Aussetzungsentscheidung ausgelöst werden, bilden einen Teil der Kosten des Rechtsstreits, die unabhängig vom Ausgang des Rechtsbeschwerdeverfahrens die nach §§ 91 ff. ZPO in der Sache unterliegende Partei zu tragen hat (, WM 2021, 740 Rn. 23; Beschluss vom - II ZB 35/20, ZIP 2021, 1514 Rn. 77; jew. mwN).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:120324BIIZR4.23.0

Fundstelle(n):
NAAAJ-65374