Oberste Finanzbehörden der Länder - S 3015 BStBl 2024 I S. 378

Bewertung von Grundstücken mit Windkraftanlagen oder Freiflächen-Fotovoltaikanlagen; Bestimmung des Bodenwertes gem. § 179 BewG

Bezug: BStBl 2013 I S. 734

1Flächen, auf denen eine Windkraftanlage oder eine Freiflächen-Fotovoltaikanlage betrieben wird, sind dem Grundvermögen zuzurechnen. Eine Windkraftanlage ist wie eine Freiflächen-Fotovoltaikanlage regelmäßig als Betriebsvorrichtung gem. § 176 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 BewG nicht in das Grundvermögen einzubeziehen (vgl. u. a. "Fotovoltaikanlage" und "Windkraftanlage" im Abgrenzungserlass vom , Anlage 1, BStBl 2013 I S. 734).

2Bei der Wertermittlung ist gem. § 179 Satz 3 BewG der Bodenrichtwert anzusetzen, dessen turnusmäßige Ermittlung dem Bewertungsstichtag vorausging. Für Grundstücke, die mit den wertbeeinflussenden Grundstücksmerkmalen des Bodenrichtwertgrundstücks in der jeweiligen Bodenrichtwertzone übereinstimmen, ist der Bodenrichtwert anzusetzen (vgl. R B 179.2 Absatz 1 Satz 8 ErbStR 2019). Bei einem Grundstück, bei dem die Errichtung einer Windkraftanlage o. Ä. planungsrechtlich zulässig ist, kann der Bodenrichtwert nur angewandt werden, wenn sich dieser auch auf eine derartige Nutzung bezieht.

3Wurde demnach für ein Grundstück, auf dem eine Windkraft- oder eine Freiflächen-Fotovoltaikanlage betrieben wird, durch den örtlichen Gutachterausschuss ein Bodenrichtwert für eine dementsprechende Nutzung, wie z. B. für Bauflächen für Energieerzeugung (EE), festgestellt, ist dieser anzusetzen.

4Ist ein derartiger Bodenrichtwert nicht verfügbar, aber werden aus dem Bereich der Gutachterausschüsse der jeweiligen Länder anderweitige geeignete Daten, wie z. B. Faktoren zum Bodenrichtwert für Ackerlandflächen, zur Bodenwertermittlung von Grundstücken mit Windkraftanlagen oder Freiflächen-Fotovoltaikanlagen zur Verfügung gestellt, sind diese anzuwenden.

5Werden durch den zuständigen Gutachterausschuss für das Grundstück mit Windkraftanlagen oder Freiflächen-Fotovoltaikanlagen keine nutzungsentsprechenden Bodenrichtwerte mitgeteilt und liegen keine anderweitigen geeigneten Daten vor, bestehen keine Bedenken, den Bodenwert im Sinne des § 179 Satz 4 BewG wie folgt zu ermitteln:

1. Anlagen im Außenbereich

6Für die Ableitung des Bodenwerts werden die jährlichen Erträge zur Nutzung des Grund und Bodens für den Betrieb der Anlage sachgerecht herangezogen. Durch Umrechnung eines laufenden Ertrags oder einer regelmäßigen Geldleistung auf den gegenwärtigen Kapitalwert, d. h. Kapitalisierung von in der Zukunft liegenden Erträgen auf den Bewertungsstichtag, wird die Ertragslage des Grund und Bodens abgebildet.

7Der Wert des Grund und Bodens wird ermittelt durch die Bildung der Summe aus

  • dem über die auf volle Jahre abgerundeten Restlaufzeit des Nutzungsrechts (Restnutzungsdauer der Anlage) kapitalisierten jährlichen Nutzungsentgelt und

  • dem über die auf volle Jahre abgerundeten Restlaufzeit des Nutzungsrechts (Restnutzungsdauer der Anlage) abgezinsten Bodenwert für Ackerlandflächen, Forstflächen o. Ä.

8Der Kapitalisierung des jährlichen Ertrags und der Abzinsung des Bodenwerts sind jeweils dieselbe Restlaufzeit und in Anlehnung an § 188 Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 BewG typisierend derselbe Zinssatz in Höhe von 6 % zugrunde zu legen. Die Kapitalisierungsfaktoren bzw. Abzinsungsfaktoren sind jeweils aus der Anlage 21 bzw. 26 BewG zu entnehmen.

9Als Nutzungsentgelt ist grundsätzlich das tatsächlich vereinbarte jährliche Entgelt für die Verpachtung der Fläche (Pacht) anzusetzen. Lässt sich das tatsächlich vereinbarte jährliche Entgelt nicht aus den vertraglichen Vereinbarungen entnehmen (z. B. am Ertrag der Anlage bemessene, variable Pachthöhe), bestehen keine Bedenken, z. B. den durchschnittlichen Pachtertrag der vorangegangenen drei abgeschlossenen Wirtschaftsjahre anzusetzen. Hat sich im Dreijahreszeitraum die Ertragslage nachhaltig verändert (z. B. Neuerrichtung der Anlage), ist von einem entsprechend verkürzten Zeitraum auszugehen.

10Beispiel:

Die Windkraftanlage des A ist auf einer bisher land- und forstwirtschaftlich genutzten Fläche von 1.500 m2 errichtet worden. Die Fläche wird von B an A verpachtet. Die vereinbarte jährliche Pacht des B für die Verpachtung der Fläche beträgt 6.000 EUR. Der Pachtvertrag ist über einen Zeitraum von 30 Jahren geschlossen. Zum Bewertungsstichtag beträgt die Laufzeit des Pachtvertrags noch 20 Jahre. Für die Lage des Grundstücks im Außenbereich liegt ausschließlich ein Bodenrichtwert für Ackerlandflächen in Höhe von 5,00 EUR/m2 vor.

Berechnung:


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vereinbartes jährliches Nutzungsentgelt (Pacht):
6.000 EUR
Kapitalisierungsfaktor aus Anlage 21 BewG (Restlaufzeit 20 Jahre und Zinssatz 6 %):
× 11,47
kapitalisiertes Nutzungsentgelt
68.820 EUR
Bodenwert für Ackerlandfläche (1.500 m2 × 5,00 EUR/m2):
7.500 EUR
Abzinsungsfaktor aus Anlage 26 BewG (Restlaufzeit 20 Jahre und Zinssatz 6 %):
× 0,3118
abgezinster Bodenwert
+ 2.338 EUR
Grundbesitzwert des unbebauten Grundstücks
= 71.158 EUR

Für das unbebaute Grundstück ist ein Grundbesitzwert in Höhe von 71.158 EUR festzustellen.

11Wurde die Anlage nicht auf einer verpachteten Fläche, sondern auf einer Eigentumsfläche des Betreibers errichtet, ist von einem fiktiven Nutzungsentgelt auszugehen, dass sich an den regional marktüblichen Nutzungsentgelten bzw. Pachterträgen für derartige Nutzungen orientiert. Bei Windkraftanlagen bestehen hierbei keine Bedenken, hilfsweise 6 % des jährlichen Ertrags (Nettoeinspeisungsvergütung und ggf. Eigenverbrauch) der Anlage der letzten drei Jahre vor dem Bewertungsstichtag anzusetzen.

2. Anlagen in Gewerbe- oder Industriegebieten

12Bei Windkraftanlagen und Freiflächen-Fotovoltaikanlagen in Gewerbe- oder Industriegebieten ist der Bodenwert nach § 179 BewG auf der Grundlage des vorliegenden Bodenrichtwerts festzustellen.

Inhaltlich gleichlautend
Oberste Finanzbehörden der Länder v. - S 3015
Ministerium für Finanzen Baden-Württemberg - FM3–S 3015–3/1
Bayerisches Staatsministerium der Finanzen und für Heimat - 34 – S 3011 – 1/1
Senatsverwaltung für Finanzen Berlin - S 3015–2/2023–1
Ministerium der Finanzen und für Europa des Landes Brandenburg - 36 – S 3015/2023#002
Der Senator für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen - S 3015-1/2017-2/2023
Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg - S 3001 –2023/002 – 53
Hessisches Ministerium der Finanzen - S 3221 A – 002 – II 6
Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern - IVS 3015-00000-2023/001
Niedersächsisches Finanzministerium - S 3320- 140
Ministerium der Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen - S 3320 – 2 – 2023 - 26011 - V A 6
Ministerium der Finanzen des Landes Rheinland-Pfalz - S 3221#2023/0001-0401 448
Saarland Ministerium der Finanzen und für Wissenschaft - S 3015-1#011
Sächsisches Staatsministerium der Finanzen - 35-S 3250/15/2-2024/16174
Ministerium der Finanzen des Landes Sachsen-Anhalt - 43 – S 3221 – 1
Finanzministerium des Landes Schleswig-Holstein - VI 35 - S 3130- 1002
Thüringer Finanzministerium - 1040-22 - S 3015/180

Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:


Fundstelle(n):
BStBl 2024 I Seite 378
IAAAJ-65247