Die Abschlussprüfung als Erfolg!?
Liebe Leserinnen und Leser,
manchmal wundert man sich, wenn lange bestehende Gewissheiten vielleicht dann doch viel weniger gewiss sein könnten als gedacht. Und so lohnt es sich, die Argumente dieser Gewissheiten einmal darauf hin zu überprüfen, ob das bisherige Ergebnis nicht auch anders lauten könnte oder gar müsste. Ein Beispiel für dieses Phänomen könnte die Rechtsnatur des Abschlussprüfungsvertrags sein. Die herrschende Meinung geht bisher davon aus, dass es sich um einen Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 675 Abs. 1 BGB handelt, der Abschlussprüfer also – dem Vertragscharakter entsprechend – im Interesse seines Mandanten handelt. Spätestens hier setzt ein Störgefühl ein, denn die vielfach zitierte kritische Grundhaltung des Abschlussprüfers steht geradezu im Widerspruch, im Interesse des Mandanten zu handeln. Schließlich hat der Mandant von seinem Abschlussprüfer keineswegs mit dem Vertragsabschluss eine Garantie, das letztlich gewünschte (oder erhoffte?) Ergebnis in Form eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks zu erhalten, auch wenn es das vorrangige Interesse des Mandanten sein dürfte. Das Berufsrecht der Wirtschaftsprüfer ist auf die gesetzliche Vorbehaltsaufgabe ausgerichtet, Abschlussprüfungen durchzuführen und dies unparteilich und unbefangen zu tun, also gerade nicht von Interessen geleitet, schon gar nicht von denen des Mandanten. Hier unterscheidet sich das Berufsrecht der Wirtschaftsprüfer jedenfalls im Hinblick auf die gesetzliche Abschlussprüfung fundamental von dem der Steuerberater oder Rechtsanwälte, die verpflichtet sind, im Interesse ihrer Mandanten tätig zu werden. Etwas anderes mag gelten, wenn ein Wirtschaftsprüfer steuerlich berät, dieser Tätigkeit liegt dann aber auch ein anderes Vertragsverhältnis zugrunde, nämlich ein Steuerberatungsvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat.
Rechtsanwalt Steffen Batz befasst sich in dieser Ausgabe ausführlich mit der Rechtsnatur des Abschlussprüfungsvertrags und kommt wie ich finde logisch überzeugend und stringent argumentierend zum Ergebnis, dass es sich um einen Werkvertrag handelt, weil der geschuldete Erfolg nur darin bestehen kann, eine unbefangene und unparteiliche Prüfung mit einem Prüfungsbericht und einer abschließenden Beurteilung zu erhalten. Der Wirtschaftsprüfer handele als „geborener“ Sachverständiger, der eine mängelfreie fach- und sachkundige Leistung zu erbringen hat, die in einem Bericht und der Beurteilung besteht.
Warum die Unterscheidung zwischen Werkvertrag und Geschäftsbesorgungsvertrag überhaupt wichtig ist und keineswegs ein Streit um des Kaisers Bart? Bisher werden in Haftungsfällen Einsichts- und Herausgabeansprüche von Handakten oder Arbeitspapieren auf die Regelungen zur entgeltlichen Geschäftsbesorgung gestützt. Aus dem Werkvertragsrecht hingegen ergeben sich solche Ansprüche nicht. Spannend bleibt, ob sich auch der BGH von dieser Argumentation überzeugen lässt und künftig auf Abschlussprüfungsverträge Werkvertragsrecht anwendet oder welche Argumente aus der Sicht des Gerichts für eine Geschäftsbesorgung sprechen.
Beste Grüße
Christoph Linkemann
Fundstelle(n):
WP Praxis 5/2024 Seite 117
NWB UAAAJ-65188