BGH Beschluss v. - 2 StR 290/23

Instanzenzug: LG Aachen Az: 65 KLs 22/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und vier Monaten verurteilt. Außerdem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und dazu bestimmt, dass acht Monate der Freiheitsstrafe vor der Maßregel zu vollstrecken sind. Schließlich hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Maßregelanordnung mit den zugehörigen Feststellungen. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

31. Der Nebenkläger wollte 15.000 € Bargeld im Wege des „Hawala-Banking“ in den Iran schicken. Er suchte einen Vermittler auf „Telegram“ und kam in Kontakt mit einem „R.  “. Mit diesem wurde ein Geldübergabetermin vereinbart, zu dem der Nebenkläger nach A.   fuhr. Dann teilte „R.  “ telefonisch mit, dass er selbst nicht kommen könne, der Nebenkläger aber einen „M.   “ am vereinbarten Ort treffen werde. Dabei handelte es sich um den Angeklagten. Unter dem Vorwand, dass man das Geld besser in seiner Wohnung zählen und er dort Tee anbieten könne, veranlasste der Angeklagte den Nebenkläger, sich mit ihm dorthin zu begeben, wo beide das Geld zählten. Anschließend verließ der Angeklagte das Zimmer unter einem Vorwand. Kurz darauf kam er mit dem Nichtrevidenten S.   und dem gesondert verfolgten I.    zurück. Letzterer war maskiert und hatte einen Gegenstand in der Hand, der wie eine Schusswaffe anmutete. Der Nebenkläger wurde unter Vorhalt der Waffe oder Waffenattrappe zur Herausgabe des Geldes aufgefordert, versuchte aber stattdessen zu fliehen. S.   und der Angeklagte schlugen auf ihn ein. Die Auseinandersetzung verlagerte sich in den Flur der Wohnung, wo das Geld aus der Jackentasche des Nebenklägers auf den Boden fiel. Der Angeklagte und I.     rafften Teile des Geldes zusammen und verließen den Tatort. Der Nebenkläger hielt S.   fest, wurde aber durch Einschreiten eines Unbekannten von S.   getrennt.

42. Das Landgericht hat die Tat als schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung bewertet und dafür die Freiheitsstrafe von fünf Jahren und vier Monaten gegen den Angeklagten verhängt. Außerdem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Der Angeklagte betreibe seit dem zehnten Lebensjahr den Konsum von Cannabis. Bei der Anlasstat habe es sich um eine Beschaffungstat gehandelt. Es bestehe infolge des Hangs des Angeklagten zum Rauschmittelkonsum die Gefahr weiterer Betäubungsmittel- oder Beschaffungsdelikte. Die Erfolgsaussichten einer Therapie seien zwar fragwürdig, aber noch zu bejahen.

II.

5Die Revision ist unbegründet, soweit sie sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch sowie die Einziehungsentscheidung richtet. Sie hat aber Erfolg, soweit es um die Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB geht.

61. Die Maßregelanordnung ist an der Neufassung des § 64 StGB durch Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Überarbeitung des Sanktionenrechts vom (BGBl. I Nr. 203) zu messen; denn gemäß § 2 Abs. 6 StGB sind Maßregeln der Besserung und Sicherung nach dem Gesetz anzuordnen, das zur Zeit der Entscheidung gilt und eine den Maßregelausspruch betreffende Gesetzesänderung ist nach § 354a StPO auch vom Revisionsgericht zu berücksichtigen (vgl. ; vom – 6 StR 142/23; vom – 5 StR 339/23; vom – 3 StR 280/23).

72. Diesen Anforderungen, die das Landgericht zum Zeitpunkt seiner Urteilsfassung noch nicht zu beachten hatte, werden die Erwägungen zu der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nicht gerecht.

8Es ist weder sicher festgestellt noch belegt, dass der langjährige Cannabiskonsum des Angeklagten eine dauernde und schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung, der Gesundheit, der Arbeits- oder der Leistungsfähigkeit als Substanzkonsumstörung mit sich gebracht hat und insoweit die Voraussetzungen eines Hangs nach § 64 Satz 1 StGB nF erfüllt. Auch fehlt ein Beleg dafür, dass ein symptomatischer Zusammenhang dergestalt besteht, dass die Anlasstat überwiegend auf den Hang zum Rauschmittelkonsum im Übermaß zurückgeht. Schließlich genügt die Prognose des Landgerichts, dass ein Therapieerfolg zwar fraglich, aber noch ausreichend wahrscheinlich sei, nicht den strengeren Anforderungen der gesetzlichen Neufassung. Die Urteilsausführungen lassen keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür erkennen, dass die Erwartung gerechtfertigt ist, die Behandlung werde trotz der prognoseungünstigen Faktoren (Analphabet, posttraumatische Belastungsstörung und Anpassungsstörung, Cannabiskonsum seit dem zehnten Lebensjahr, Konsum zur Bekämpfung von Schmerzen und Heimweh) im Sinne des § 64 Satz 2 StGB nF erfolgreich sein. Allein der vom Angeklagten geäußerte Wunsch, den Konsum von Betäubungsmitteln zukünftig einzustellen, genügt insoweit nicht.

93. Die Frage der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bedarf somit erneuter Prüfung und Entscheidung. Der Senat hebt auch die zugehörigen Feststellungen auf, um dem Tatgericht widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen (vgl. ).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:200224B2STR290.23.0

Fundstelle(n):
FAAAJ-65154