Alternativenprüfung bei der Änderung eines Regionalplans zur Ausweisung eines Standorts für ein Großkraftwerk
Leitsatz
1. Neben der Zulässigkeit der Revision prüft das Revisionsgericht von Amts wegen auch das Vorliegen der vom Vordergericht bejahten Sachurteilsvoraussetzungen des Rechtsschutzbegehrens sowie der Prozessfortsetzungsbedingungen. Es ist dabei nicht an die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil gebunden (Klarstellung der Rechtsprechung des Senats).
2. Zielt die beabsichtigte Änderung des Regionalplans auf ein Vorhaben, dessen Verwirklichung bedeutende umweltrechtliche Konfliktlagen mit sich bringen kann, kann Anlass bestehen, den Untersuchungsraum der Alternativenprüfung über den Geltungsbereich des Regionalplans hinaus zu erstrecken.
3. Der nach § 11 Abs. 5 Satz 2 ROG gebotene Hinweis ist nicht bereits deswegen irreführend, weil darin auch über eine nach dem Gesetz nicht bestehende Rügepflicht belehrt wird; anderes kann nur gelten, wenn dies dazu führen kann, dass der Betroffene die Rüge eines beachtlichen Verfahrensverstoßes unterlässt.
Gesetze: § 144 Abs 3 S 1 Nr 2 VwGO, § 7 Abs 3 S 2 Nr 3 RaumOG 2017, § 7 Abs 3 S 3 RaumOG 2017, § 3 Abs 1 Nr 2 RaumOG, § 3 Abs 1 Nr 3 RaumOG, § 4 Abs 1 RaumOG, § 8 Abs 1 RaumOG, § 11 RaumOG, § 27 Abs 2 RaumOG
Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: 10 D 106/14.NE Urteil
Tatbestand
1Die antragstellende Gemeinde wendet sich gegen den von der Nachbargemeinde aufgestellten vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 105a - "Kraftwerk" -, mit dem die bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen für das von der Beigeladenen zu 1 bzw. deren Rechtsvorgängern am Standort "Löringhof" bereits errichtete und seit 2020 betriebene Steinkohlekraftwerk Datteln 4 geschaffen werden sollen.
2Ein 2007 beschlossener Bebauungsplan, der ebenfalls die planungsrechtlichen Grundlagen für die Errichtung eines das Kraftwerk Datteln 1 - 3 ersetzenden Kraftwerks schaffen und das Gemeindegebiet als Kraftwerksstandort sichern sollte, wurde vom Oberverwaltungsgericht durch Urteil vom unter anderem wegen fehlender Anpassung an die Ziele der Raumordnung und wegen Mängeln bei der Abwägung für unwirksam erklärt. Zwei auf der Grundlage dieses Bebauungsplans erteilte Teilgenehmigungen für die Errichtung des Kühlturms, des Kesselhauses und der Rauchgasreinigungsanlage sind bestandskräftig und gemeinsam mit einer weiterhin beklagten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung aus dem Jahre 2017 Grundlage für den Betrieb des Kraftwerks.
3Nach dem Urteil von 2009 leitete die Antragsgegnerin ein neues Bauleitplanverfahren ein, das 2014 abgeschlossen wurde. Der Bebauungsplan Nr. 105a trifft auf der Grundlage eines Vorhaben- und Erschließungsplans Festsetzungen insbesondere zur baulichen Gestaltung und zum Betrieb des Kraftwerks, auch unter immissionsschutzrechtlichen und grünordnerischen Gesichtspunkten. Das Kraftwerk hat eine maximale Feuerungswärmeleistung von 2 400 MWth. Die elektrische Nettoleistung beträgt circa 1 052 MWel. Davon können bis zu 413 MWel in das Stromnetz der Deutschen Bahn eingespeist werden. Der verbleibende Strom dient der Versorgung des allgemeinen Strommarktes. Das Kraftwerk kann bis zu 380 MWth Fernwärme auskoppeln und damit das Fernwärmenetz im Stadtgebiet der Antragsgegnerin sowie die Netze der Beigeladenen zu 1 und ihrer Vertragspartner in weiteren Städten versorgen. Die Planbegründung umschreibt die Ziele des Bebauungsplans und enthält Ausführungen zu einer Standortalternativenprüfung. Insoweit nimmt sie Bezug auf das parallel geführte Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplans; dort sei geprüft worden, ob es im Stadtgebiet der Antragsgegnerin weitere Standorte gebe, die den Anforderungen eines Steinkohlekraftwerks in der geplanten Größenordnung gerecht würden.
4Zeitlich weitgehend parallel zu den Bauleitplanverfahren betrieb der Regionalverband Ruhr als örtlich zuständiger Träger der Regionalplanung das Verfahren zur 7. Änderung des Gebietsentwicklungsplans für den Regierungsbezirk Münster, Teilabschnitt Emscher-Lippe (im Folgenden: Regionalplan), zur Festsetzung eines Kraftwerksstandortes auf dem Gebiet der Antragsgegnerin. Der Erarbeitungsbeschluss legt den Untersuchungsraum für die Alternativenprüfung auf den Geltungsbereich des Regionalplans fest. In deren Rahmen werden im Umweltbericht bestimmte Anforderungen an die Größe und die verkehrsmäßige Anbindung für die Flächen definiert, die für ein Musterkraftwerk in Betracht kommen. In der 2013 beschlossenen 7. Änderung des Regionalplans wird durch die zeichnerischen Festlegungen auf der dem Plangebiet des Bebauungsplans entsprechenden Fläche weitgehend ein Bereich für gewerbliche und industrielle Nutzung (GIB) mit der Zweckbindung "Kraftwerke und einschlägige Nebenbetriebe" vorgesehen; verbleibende Bereiche am Rand werden als Waldbereiche festgelegt.
5Das Oberverwaltungsgericht hat dem Normenkontrollantrag stattgegeben und den Bebauungsplan für unwirksam erklärt: Der Antrag sei zulässig; nach dem Vortrag der Antragstellerin erscheine wegen der geltend gemachten Auswirkungen des Kraftwerks auf ein geplantes Wohngebiet eine Verletzung des interkommunalen Abstimmungsgebots zumindest als möglich. Der Antrag sei auch begründet. Der Bebauungsplan beruhe auf beachtlichen Fehlern der nach § 1 Abs. 7 BauGB gebotenen Abwägung, die eine Standortalternativenprüfung erfordere. Im Grundsatz sei es nicht zu beanstanden, wenn der kommunale Plangeber eine regionalplanerische Standortfestlegung in seine Bebauungsplanung übernehme, ohne weitere Überlegungen zu möglichen Standort- und Ausführungsvarianten anzustellen. Allerdings erweise sich die Standortfestlegung für das Kraftwerk durch die 7. Änderung des Regionalplans bei der gebotenen Inzidentkontrolle als rechtswidrig; er leide an einem Verfahrensfehler und infolgedessen auch an einem Abwägungsmangel. Solche Mängel einer raumordnerischen Zielfestlegung schlügen auf die jeweils nachfolgende Planungsebene durch und führten zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans.
6Im Rahmen der Umweltprüfung als Grundlage der raumordnerischen Abwägung seien dem Plangeber angesichts der unionsrechtlichen Vorgaben umfängliche und detaillierte Ermittlungen zu Alternativen umso eher zumutbar, je erheblicher die Auswirkungen der Planung auf die Umwelt und je dringender die sich daraus ergebenden Bedürfnisse nach planerischer Konfliktbewältigung voraussichtlich seien. Der Aufwand für die Ermittlung anderweitiger Planungsmöglichkeiten sei erst dann unzumutbar, wenn er in einem Missverhältnis zu dem möglichen Nutzen des Ermittlungsergebnisses stehe. Die im Umweltbericht dokumentierte Prüfung von Standortalternativen sei hiernach fehlerhaft. Das führe auch zu einem erheblichen Mangel im raumordnerischen Abwägungsvorgang. Angesichts der regelmäßig weiträumigen Auswirkungen des geplanten Kraftwerksstandorts habe die Ermittlung anderweitiger Planungsmöglichkeiten nicht auf den Geltungsbereich des Raumordnungsplans eingegrenzt werden dürfen; der Untersuchungsraum müsse sich vielmehr auf den gesamten Zuständigkeitsbereich des Planungsträgers erstrecken.
7Die Ermittlung anderweitiger Planungsmöglichkeiten im gesamten Zuständigkeitsbereich des Regionalverbands sei vorliegend auch nicht aus anderen Gründen unverhältnismäßig gewesen. Die nach dem Gesetz zu berücksichtigenden Ziele des zu ändernden Raumordnungsplans hätten eine Suche außerhalb der Emscher-Lippe-Region nicht ausgeschlossen. Zwar könne eine planerische Absicherung bestehender Anlagen auf allen Planungsebenen ein legitimes Planungsziel sein. Allerdings entbinde dies den Planungsträger nicht von der Pflicht zur Prüfung, ob und weshalb er trotz umweltbezogener Vorzüge alternativer Standorte an der ursprünglichen Planung festhalten wolle. Schließlich hätten die zugrunde gelegten Kriterien für die Eignung möglicher Alternativstandorte den Betrachtungskreis unzulässig eingeschränkt, weil sie ersichtlich auf das fast fertiggestellte Steinkohlekraftwerk zugeschnitten gewesen seien. Flächen, auf denen ein Erdgaskraftwerk betrieben werden könne, seien deswegen aus dem Blick geraten. Die Ansätze des Regionalverbands seien insoweit auch nicht konsistent gewesen, weil er von dem selbst gesetzten Planungsziel abgerückt sei.
8Die festgestellten Verfahrens- bzw. Abwägungsmängel der 7. Änderung des Regionalplans seien nicht unbeachtlich geworden. Die Vorschriften über die Planerhaltung seien bei der Inzidentprüfung raumordnerischer Zielfestlegungen im Rahmen der Normenkontrolle eines Bebauungsplans nicht anwendbar. Zudem habe der in der Bekanntmachung der 7. Änderung des Regionalplans enthaltene Hinweis nicht den gesetzlichen Anforderungen genügt.
9Mit ihren Revisionen wenden sich die Antragsgegnerin und die Beigeladene zu 1 gegen die Antragsbefugnis der Antragstellerin und machen in der Sache geltend: Zu Unrecht gehe das Oberverwaltungsgericht davon aus, dass Fehler der Regionalplanung auf die bauleitplanerische Abwägung durchschlügen. Es verkenne den Anwendungsvorrang des § 1 Abs. 4 BauGB. Aber auch am Maßstab des § 1 Abs. 7 BauGB sei die Abwägung nicht zu beanstanden. Die Auffassung, die Änderung des Regionalplans sei unwirksam, beruhe auf überzogenen Anforderungen an die Standortalternativenprüfung. Unzutreffend stelle das Oberverwaltungsgericht auf das Gewicht voraussichtlicher Umweltauswirkungen der Planung ab, die zu Unrecht typisierend und nicht konkret betrachtet würden. Das Oberverwaltungsgericht werde auch der maßgeblichen Steuerungs- und Begrenzungsfunktion der planerischen Ziele des Regionalplanungsträgers nicht gerecht. Die zugrunde gelegten Suchkriterien seien nicht zu beanstanden. Die Ausführungen zur Planerhaltung verstießen gegen revisibles Recht.
10Die Antragstellerin verteidigt das angegriffene Urteil.
Gründe
11Die Revisionen sind zulässig und begründet. Das angegriffene Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruht auf einer Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Es stellt sich nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der Senat kann nicht selbst in der Sache entscheiden; das erfordert die Zurückverweisung der Sache (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
121. Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht von der Zulässigkeit des Antrags ausgegangen. Die Annahme, die Antragstellerin sei antragsbefugt, weil sie geltend machen könne, in ihrem Anspruch auf interkommunale Abstimmung verletzt zu sein, steht mit Bundesrecht in Einklang.
13a) Neben der Zulässigkeit der Revision prüft das Revisionsgericht von Amts wegen auch das Vorliegen der vom Vordergericht bejahten Sachurteilsvoraussetzungen des Rechtsschutzbegehrens sowie der Prozessfortsetzungsbedingungen. Es ist dabei nicht an die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil gebunden (stRspr, siehe schon 3 C 209.55 - Buchholz 427.3 § 333 LAG Nr. 17 S. 22 und vom - 2 C 128.64 - Buchholz 310 § 79 VwGO Nr. 4 S. 16; sowie vom - 4 C 9.86 - BVerwGE 78, 347 <351>, vom - 4 CN 9.14 - BVerwGE 153, 174 Rn. 14, zuletzt vom - 6 C 2.17 - BVerwGE 164, 1 Rn. 12 und vom - 6 C 10.20 - BVerwGE 176, 342 Rn. 50; vgl. auch - BGHZ 156, 165 <juris Rn. 5 f., 8>). Soweit der Senat in früheren Entscheidungen verschiedentlich eine abweichende Auffassung zur Bindungswirkung nach § 137 Abs. 2 VwGO vertreten hat (siehe etwa Urteile vom - 4 CN 7.98 - BVerwGE 110, 193 <197> und vom - 4 CN 1.07 - BVerwGE 131, 100 Rn. 14), hält er daran nicht mehr fest.
14b) Einen Normenkontrollantrag kann nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO u. a. jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Entsprechend den Anforderungen bei der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO genügt der Antragsteller seiner Darlegungspflicht, wenn er hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch den zur Prüfung gestellten Rechtssatz in einem subjektiven Recht verletzt wird (vgl. 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215 <217>). Diese Anforderungen dürfen nicht in der Weise überspannt werden, dass der gesamte Prozessstoff ausgewertet und die Begründetheitsprüfung der Sache nach vorgezogen wird. Das Normenkontrollgericht ist daher insbesondere nicht befugt, für die Entscheidung über die Antragsbefugnis den Sachverhalt von sich aus weiter aufzuklären. Es ist allerdings verpflichtet, den Tatsachenvortrag - auch unter Würdigung widerstreitenden Vorbringens des Antragsgegners - auf seine Schlüssigkeit und voraussichtliche Belastbarkeit hin zu prüfen (stRspr, vgl. 4 CN 9.19 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 222 Rn. 18 m. w. N.).
15Eine Verletzung der Rechte einer benachbarten Gemeinde kann sich aus dem Gebot der interkommunalen Abstimmung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB ergeben. Es wurzelt in der kommunalen Planungshoheit als Bestandteil der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG und stellt eine besondere Ausprägung des Abwägungsgebots nach § 1 Abs. 7 BauGB dar. Es verleiht dem Interesse der Gemeinde, vor Nachteilen für ihre städtebauliche Ordnung und Entwicklung bewahrt zu werden, besonderes Gewicht. Können von der Bauleitplanung einer Gemeinde unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf städtebauliche Belange einer Nachbargemeinde ausgehen, so löst dies im Rahmen der bauleitplanerischen Abwägung einen qualifizierten materiellen Abstimmungsbedarf mit den Belangen der Nachbargemeinde aus. Dem objektiv-rechtlichen Gebot der materiellen Abstimmung entspricht subjektiv-rechtlich ein Anspruch, auf den die Gemeinde sich vor Gericht berufen kann ( 4 C 17.71 - BVerwGE 40, 323 <330 f.>, vom - 4 C 36.86 - BVerwGE 84, 209 <215 f.> und vom - 4 C 5.01 - BVerwGE 117, 25 <32>). Mit "Auswirkungen gewichtiger Art" ist die Betroffenheit in Belangen bezeichnet, deren Überwindung einem erhöhten Rechtfertigungszwang seitens der planenden Gemeinde unterliegt. Nachbargemeindliche Belange sind aber auch unterhalb dieser Schwelle beachtlich. Sie sind im Rahmen der Abwägung bereits dann zu berücksichtigen, wenn sie mehr als nur geringfügig betroffen sind (vgl. 4 C 5.01 - BVerwGE 117, 25 <33> und vom - 4 C 14.01 - BVerwGE 119, 25 <34>; siehe auch Uechtritz, in: BeckOK BauGB, Stand , § 2 Rn. 21.1, 28).
16c) Hiernach ist die Antragstellerin antragsbefugt.
17Dabei kann dahinstehen, ob für diese an das Vorbringen der Antragstellerin anknüpfende Feststellung - wie auch bei sonstigen Sachurteilsvoraussetzungen - auf neue, erst im Revisionsverfahren eingetretene Umstände - hier ergänzenden Vortrag - abgestellt werden kann (siehe dazu 6 C 6.88 - BVerwGE 84, 53 <57> und vom - 2 C 5.98 - Buchholz 310 § 42 Abs. 1 VwGO Nr. 1 S. 2; vgl. auch - ZIP 1995, 1698 <juris Rn. 9>). Denn schon auf der Grundlage der Ausführungen in der Antragsbegründung vom ist die Antragsbefugnis zu bejahen.
18Die Antragstellerin hat auf die "räumlich-optische Wirkung" bzw. "überwältigende optische Präsenz" des Kraftwerks samt Kühlturm mit seiner Rauchschwadenbildung verwiesen, die eine "logische Siedlungsentwicklung" nach Westen "verbaue". Im Januar 2008 habe sie den Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan für ein Wohngebiet am westlichen Rand ihres Siedlungsgebiets in einer Entfernung von ca. 2 km zum Plangebiet gefasst. Derzeit ruhe das Verfahren, weil eine benachbarte Hofstelle zur Beseitigung eines Immissionskonflikts verlagert werden müsse. Diese Investition scheue sie wegen des erheblichen Vermarktungsrisikos, das von den massiven Kraftwerksbauten und ihrer bedrängenden Wirkung ausgehe.
19Damit hat die Antragstellerin die Möglichkeit der Verletzung eines abwägungserheblichen nachbargemeindlichen Belangs hinreichend geltend gemacht. Es ist nachvollziehbar dargetan, dass der angegriffene Bebauungsplan sich auf die städtebaulichen Entwicklungsmöglichkeiten der Antragstellerin wegen der Beeinträchtigung der Attraktivität ausgewiesener Wohnbaugebiete mehr als nur geringfügig auswirken kann, was im Rahmen des Abstimmungsgebots des § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB insbesondere wegen der von der Antragstellerin bereits konkretisierten Planungen, deren Fortgang der bezeichnete Immissionskonflikt nicht von vornherein entgegensteht, zu berücksichtigen ist. Das Kraftwerk nebst dem Kühlturm zieht wegen seiner außergewöhnlichen Abmessungen nicht nur in einem weiten Umkreis die Blicke auf sich. Aufgrund bei der Nutzung des Kühlturms entstehender Dampf- und Rauchschwaden erschöpft sich die Einwirkung auch auf die weitere Umgebung nicht in einer lediglich optischen Beeinträchtigung wegen der Sichtbeziehung; vielmehr kann der Betrieb des Kühlturms aufgrund der mit seiner Funktionsweise einhergehenden Verschattung auch mikroklimatische Veränderungen zur Folge haben. Mit städtebaulichen Auswirkungen etwa von in größerer Entfernung von einem Baugebiet errichteten Windenergieanlagen (vgl. etwa 15 N 18.2110 - juris) ist all dies nicht vergleichbar.
202. Mit bundesrechtlich nicht tragfähigen Erwägungen hat das Oberverwaltungsgericht dem Normenkontrollantrag stattgegeben. Es hat die Unwirksamkeit des angegriffenen Bebauungsplans allein mit der Rechtswidrigkeit der vorangegangenen regionalplanerischen Standortausweisung begründet. Weder die Annahme, die Alternativenprüfung in der Änderung des Regionalplans beruhe auf einer unzureichenden Grundlage, noch die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene rechtliche Verknüpfung der Regionalplanung mit der Bauleitplanung stehen mit Bundesrecht in Einklang.
21a) Das Oberverwaltungsgericht ist der Ansicht, Fehler bei der regionalplanerischen Standortfestlegung schlügen - automatisch und unmittelbar - auf die bauplanungsrechtliche Abwägung durch. Diese Rechtsauffassung wird der Verknüpfung der Planungsebenen nicht gerecht.
22Die Einwirkung raumordnungsrechtlicher Entscheidungen auf die nachfolgenden Planungsebenen wird in § 4 Abs. 1 Satz 1 ROG geregelt. Danach sind bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen öffentlicher Stellen die Ziele der Raumordnung zu beachten sowie die Grundsätze und sonstigen Erfordernisse der Raumordnung in Abwägungs- und Ermessensentscheidungen zu berücksichtigen. Die Beachtenspflicht bei zielförmigen Festlegungen wird in der Bauleitplanung durch die Anpassungspflicht nach § 1 Abs. 4 BauGB umgesetzt, während die Erfordernisse der Raumordnung im Übrigen in die Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB einfließen.
23aa) Soweit das Oberverwaltungsgericht die Einwirkung der regionalplanerischen Standortausweisung auf das Bauplanungsverfahren dem Grunde nach in § 1 Abs. 7 BauGB und nicht, wie von den Revisionsführerinnen für richtig erachtet, in § 1 Abs. 4 BauGB verankert, ist das zwar bei richtiger Einordnung der Standortausweisung nicht zu beanstanden.
24Zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht auch erkannt, dass die Antragsgegnerin im Rahmen der bauplanerischen Abwägung eine auf das Gemeindegebiet bezogene Standortalternativenprüfung vorgenommen hat. Entgegen der Ansicht der Revisionsführerinnen ist dies mit hinreichender Deutlichkeit dem Urteil zu entnehmen. In den einleitenden Ausführungen zur Standortprüfung wird mit dem Einschub im ersten Satz des betreffenden Absatzes (UA S. 26; juris Rn. 86:"abgesehen ... gebe") ein gebietsbezogener Gegensatz bezeichnet. Standortalternativen auf dem Gebiet der Antragsgegnerin sind danach geprüft worden; dies gilt nicht nur für die Aufstellung des Flächennutzungsplans, sondern - ungeachtet der fehlenden ausdrücklichen Erwähnung - wegen des Verweises in der Begründung des im Parallelverfahren aufgestellten Bebauungsplans auch für diesen. Nur bei den Gebieten jenseits der Stadtgrenzen hat sich die Antragsgegnerin demgegenüber mit dem Verweis auf die Ausführungen im Regionalplan begnügt.
25Eine weitere ordnungsgemäße Prüfung der Abwägungsentscheidung hat das Oberverwaltungsgericht sich indessen durch eine unzutreffende raumordnungsrechtliche Einordnung der Standortausweisung und hieran anknüpfend durch eine verfehlte Bezugnahme auf nicht einschlägige rechtliche Maßstäbe verbaut.
26bb) (1) Das Oberverwaltungsgericht hat die Ausweisung eines Standorts für einen Kraftwerksneubau in der 7. Änderung des Gebietsentwicklungsplans Regierungsbezirk Münster - Teilabschnitt "Emscher-Lippe" den raumordnungsrechtlichen Kategorien nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 und 3 ROG nicht im Wege einer nachvollziehbaren Auslegung, sondern nur beiläufig zugeordnet. Es spricht zunächst von einer "verbindlichen" Standortfestlegung (UA S. 27; juris Rn. 87) und erwähnt im Folgenden auch unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des 4 A 1001.04 - juris Rn. 80; gleichlautend in der Leitentscheidung, Urteil vom - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 83) den raumordnungsrechtlichen Begriff des Ziels (UA S. 27 f.; juris Rn. 89, 94). Damit gibt das Oberverwaltungsgericht zu erkennen, dass nach seiner Rechtsauffassung die Rechtswirkungen einer zielförmigen Festlegung zu bewältigen sind.
27Fehlt es an einer Auslegung des dem irrevisiblen Landesrecht zugehörigen Regionalplans, kann der Senat ohne einschränkende Bindungen das rechtlich gebotene Verständnis der darin enthaltenen Festlegungen ermitteln. Dies führt im hier maßgeblichen Regelungszusammenhang auf einen Grundsatz der Raumordnung.
28Die regionalplanerische Standortfestlegung mag zunächst ein Verständnis nahelegen, dass damit die möglichen Kraftwerksstandorte - und im Gebiet der Antragsgegnerin demnach der einzig verbleibende - abschließend festgelegt sind und es sich folglich um ein Ziel der Raumordnung handelt. Das bedarf jedoch einer differenzierenden Betrachtung.
29Bei der zeichnerischen Festlegung eines Gewerbe- und Industrieansiedlungsbereichs (GIB) mit der Zweckbestimmung "Kraftwerke mit einschlägigen Nebenbetrieben" handelt es sich nach den Erläuterungen zum einschlägigen Planzeichenverzeichnis (siehe Planzeichendefinition 1 e), 1 ec) der Anlage 3 zu § 35 Abs. 1 der nach der Übergangsvorschrift des § 45 anwendbaren Verordnung zur Durchführung des Landesplanungsgesetzes - LPlG DVO - vom , GV. NRW. 2010, 334) um die Ausweisung eines Vorranggebiets gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ROG (§ 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 ROG 2008). Andere raumbedeutsame Funktionen oder Nutzungen in diesem Gebiet werden demnach ausgeschlossen, soweit diese mit den vorrangigen Funktionen oder Nutzungen nicht vereinbar sind; das Vorranggebiet wird auf diese Weise für bestimmte Nutzungen reserviert. Lediglich in Bezug auf diese strikte innergebietliche Ausschlusswirkung ist das Vorranggebiet als Ziel der Raumordnung einzuordnen (vgl. 4 NB 20.91 - BVerwGE 90, 329 <336 f.>). Diese Rechtswirkung ist hier aber nicht betroffen; denn das Gebiet soll nicht in einer Weise genutzt werden, die eine Nutzung als Kraftwerksstandort ausschließt.
30Von Bedeutung ist vielmehr die einer eigenständigen Beantwortung zugängliche Frage, ob mit der Standortfestlegung über den Standort für ein Kraftwerk abschließend entschieden und auch insoweit von einem Ziel der Raumordnung auszugehen ist (vgl. 4 C 8.09 u. a. - BVerwGE 142, 234 Rn. 74 ff., 81 f. sowie die Vorinstanz .T - juris Rn. 416 ff., 433; siehe hierzu auch Rojahn, NVwZ 2011, 654 <656 f.>). Das ist zu verneinen. Denn eine außergebietliche Ausschlusswirkung für die mit dem Vorrang belegte dominante Funktion oder Nutzung ist mit der Festlegung des Vorranggebiets nicht verbunden (vgl. 4 A 16.16 - NVwZ-RR 2017, 768 Rn. 105 und Beschluss vom - 4 BN 18.10 - BRS 78 Nr. 9 Rn. 10; siehe auch .AK - juris Rn. 311 ff., 318 ff.). Die Vorrangwirkung hat nicht zur Folge, dass ein Kraftwerk allein auf der festgelegten Fläche errichtet werden kann; das wäre nur mit der ausdrücklichen Festlegung der Wirkung eines Eignungsgebiets nach § 7 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3, Satz 3 ROG in der bis zum geltenden Fassung (ROG 2017) (§ 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 ROG 2008) möglich, mit der - über den Wortlaut hinausgehend - nicht allein die Zulässigkeit von Außenbereichsvorhaben gesteuert wird (vgl. Wagner, UPR 2020, 88 <II.1.b bei Fn. 17 f.>). Dass die Standortfestlegung nicht auf eine solche Bindungswirkung ausgerichtet ist und sich insoweit auf eine Angebotsplanung beschränkt (so auch der aktuelle LEP NRW i. d. F. der Bekanntmachung vom <GV. NRW. S. 207> in Ziel 10.3-1 <mit Erläuterungen, Lesefassung S. 151 f.>, wonach die Festlegung eines neuen Standorts für die Energieerzeugung als Vorranggebiet ohne Eignungswirkung erfolgt), wird bestätigt durch den Grundsatz 18.3 des Gebietsentwicklungsplans Regierungsbezirk Münster - Teilabschnitt "Emscher-Lippe" - (S. 103), auf den die Begründung zum Aufstellungsbeschluss zur 7. Änderung des Regionalplans ausdrücklich Bezug nimmt (siehe S. 88). Danach sollen im Plangebiet Kraftwerksstandorte nach Möglichkeit nur in den mit dem Symbol "Kraftwerke und einschlägigen Nebenbetriebe" gekennzeichneten Gewerbe- und Industrieansiedlungsbereichen errichtet werden. Nach den Erläuterungen sollen - ungeachtet der durch die Liberalisierung des Strommarkts nicht mehr möglichen stringenten Steuerung von Kraftwerken - im Hinblick auf eine sinnvolle, auf Bedarfe ausgerichtete Versorgung des Plangebiets mit Strom und Fernwärme und einem flächenschonenden Umgang mit knappen Industrieflächen dennoch die dargestellten Standorte bevorzugt zum Tragen kommen. Soll-Festsetzungen stehen der Annahme einer zielförmigen Festlegung zwar nicht von vornherein entgegen; die Einordnung als Ziel setzt jedoch voraus, dass der Adressat an die strikte Beachtung eines vorgegebenen Regel-Ausnahme-Verhältnisses gebunden ist (vgl. 4 A 15.20 - NVwZ 2023, 678 Rn. 52 m. w. N.). Hier fehlt es aber an einer subsumtionsfähigen Regel-Ausnahme-Struktur, mit der der Plangeber den Verbindlichkeitsanspruch des Plansatzes abschließend regelt. Schon durch die selbst gewählte, wenn auch für die rechtliche Bewertung nicht bindende (siehe zum Ziel zuletzt 4 CN 10.21 - NVwZ 2023, 1766 Rn. 11), Einordnung als Grundsatz (§ 7 Abs. 1 Satz 4 ROG) gibt der Plangeber zu erkennen, dass er diesen Anspruch nicht verfolgt.
31(2) Die hiervon ausgehend gebotene Prüfung, ob die Standortausweisung ordnungsgemäß in die bauplanungsrechtliche Abwägung eingestellt worden ist, hat das Oberverwaltungsgericht nicht vorgenommen. Es ist demgegenüber - rechtlich nicht näher angebunden - davon ausgegangen, dass ein Fehler auf regionalplanerischer Ebene auf die Abwägung durchschlägt. Diese Ansicht findet in der vom Oberverwaltungsgericht in Bezug genommenen Rechtsprechung des 4 A 1001.04 -; insoweit gleichlautend Urteil vom - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116) keine Stütze.
32Auch abgesehen davon, dass es hier - anders als in der genannten Entscheidung - nicht um die Einwirkungen einer zielförmigen Festlegung geht, übersieht das Oberverwaltungsgericht, dass das Bundesverwaltungsgericht in dem angeführten Urteil ausdrücklich die verschiedenartige rechtliche Ausgestaltung der Verknüpfung der Planungsebenen im Bauplanungsrecht einerseits und im Fachplanungsrecht andererseits herausstellt. Während bei der Bauleitplanung eine hierarchische Arbeitsteilung in einem mehrstufigen System räumlicher Gesamtplanung vorliege, in das die gemeindliche Bauleitplanung als unterste Ebene der Planungshierarchie eingebunden sei, werde das Verhältnis zwischen Landesplanung/Raumordnung und Fachplanung durch eine arbeitsteilige Aufgabenstruktur mehrerer Planungsträger gekennzeichnet ( 4 A 1001.04 - juris Rn. 63 ff., 67 ff.; so auch Urteil vom - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 66 ff., 70 ff.). Schon vor diesem Hintergrund kommt eine Orientierung an Rechtsmaßstäben, die das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich zum Fachplanungsrecht aufgestellt hat, nicht in Betracht. Dies gilt umso mehr, als das Bauplanungsrecht mit § 1 Abs. 4 und Abs. 7 BauGB zwei Normen zur Verfügung stellt, mit denen die planungsrechtlichen Ebenen nach Maßgabe des unterschiedlichen Grads der Verbindlichkeit der regionalplanerischen Festlegungen miteinander verzahnt werden. Dann verbietet es sich, die Anwendungsbereiche der beiden Normen in der Weise zu vermengen, dass die Einwirkungen zielförmiger Festlegungen - die hier, wie aufgezeigt, nicht vorliegen - auf die Bauleitplanung im Rahmen von § 1 Abs. 7 BauGB abzuarbeiten sind. Im Übrigen wird die Rechtmäßigkeit eines Planfeststellungsbeschlusses in der Regel auch in Bezug auf zielförmige Vorgaben des Raumordnungsrechts im Zuge der sonstigen Anforderungen des zwingenden Rechts geprüft, ohne dass es der Erwähnung einer besonderen Norm des Fachplanungsrechts bedürfte, die die Beachtung des zwingenden Rechts - letztlich als inhaltliche Wiederholung des Beachtensgebots nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ROG und damit deklaratorisch - erlaubt (siehe etwa 4 A 14.19 - UPR 2022, 141 Rn. 35, 41 mit Bezug auf Beschluss vom - 4 VR 7.19 u. a. - NVwZ 2021, 723 Rn. 39 ff., 57 ff., vom - 4 A 10.19 - NVwZ 2021, 1615 Rn. 28 ff., 38 ff. und vom - 4 A 2.16 u. a. - DVBl 2017, 1039 Rn. 35 ff., 45 ff.). Die Prüfung zielförmiger Festlegungen erst im Rahmen der Abwägung ist die Ausnahme: damit soll ermöglicht werden, zielförmige Standortentscheidungen der Raumplanung in der Planfeststellung aus spezifisch fachplanerischen Erwägungen zu überwinden, die in der Standortentscheidung noch nicht berücksichtigt worden sind (Urteile vom - 4 A 1001.04 - juris Rn. 75 und - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 79; siehe auch Steinberg/Wickel/Müller, Fachplanung, 4. Aufl. 2012, § 7 Rn. 51 f.).
33Mit dem Begriff des "Durchschlagens" eines Fehlers der höherstufigen Planungsebene auf das Abwägungsergebnis in der nachgelagerten Planungsebene wird die zwangsläufige Folge der strikten Bindungswirkung der höherstufigen Entscheidung zum Ausdruck gebracht. Das "Durchschlagen" tritt somit der Sache nach an die Stelle der Prüfung nach § 1 Abs. 4 BauGB und steht - vor die Klammer gezogen - neben den üblichen Maßstäben der Kontrolle einer Abwägungsentscheidung. Das entspricht nicht den rechtlichen Vorgaben des § 4 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 ROG, wonach Grundsätze der Raumordnung in der Abwägungsentscheidung zu berücksichtigen sind. Sie sind in die Abwägung einzustellen und dort - gegebenenfalls mit dem ihnen zukommenden Gewichtungsvorrang - zu würdigen.
34b) Das Oberverwaltungsgericht hält die der Standortalternativenprüfung zugrundeliegende Umweltprüfung und den Umweltbericht (§ 9 Abs. 1 Satz 1 ROG 2008) aus zwei Gründen für rechtsfehlerhaft: Zum einen sei der Untersuchungsraum zu Unrecht auf das Gebiet des zu ändernden Regionalplans beschränkt und nicht der gesamte Zuständigkeitsbereich des Planungsträgers betrachtet worden, und zum anderen hätten die Suchkriterien den Kreis möglicher Standorte unzulässig eingeschränkt; diese Verfahrensfehler stellten zugleich einen Mangel im Abwägungsvorgang für die Standortausweisung dar (§ 7 Abs. 2 Satz 2 ROG 2008). Dies hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
35aa) Das Oberverwaltungsgericht entnimmt den nicht nur für die erstmalige Aufstellung eines Raumordnungsplans, sondern auch für dessen nicht nur geringfügige Änderung (§ 9 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ROG 2008) geltenden gesetzlichen Vorgaben für die in Betracht kommenden anderweitigen Planungsmöglichkeiten im Ergebnis keine Rechtfertigung für die vom Planungsträger gewählte Bemessung des Untersuchungsraums. Nach der Ziffer 2 Buchst. d der Anl. 1 zu § 9 Abs. 1 ROG 2008 sind im Umweltbericht bei den Angaben zu Standortalternativen als einer anderweitigen Planungsmöglichkeit die Ziele und der räumliche Geltungsbereich des Raumordnungsplans zu berücksichtigen. Für das Oberverwaltungsgericht sind wegen der Aufgabe einer strategischen Umweltprüfung nach der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (ABl. L 197 S. 30) - SUP-RL -, eine effektive Umweltvorsorge zu gewährleisten, letztlich maßgeblich allgemeine Verhältnismäßigkeitserwägungen, die sich am Aufwand der Ermittlung anderweitiger Planungsmöglichkeiten und dem möglichen Nutzen des Ermittlungsergebnisses ausrichten; angesichts der vom Oberverwaltungsgericht dem durch regionalplanerische Festlegungen zu ermöglichenden Vorhaben zugeschriebenen erheblichen Umweltauswirkungen sei der gesamte Zuständigkeitsbereich der Raumordnungsbehörde in den Blick zu nehmen (UA S. 33 f., juris Rn. 114 ff.).
36(1) Der rechtliche Ausgangspunkt des Oberverwaltungsgerichts ist nicht zu beanstanden. Die Orientierung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, nach dem Aufwand und möglicher Ertrag bei der Ermittlung und Auswertung von Umweltauswirkungen an verschiedenen Standorten in einem definierten Gebiet in die Untersuchungen eingestellt werden, ist - wie das Oberverwaltungsgericht zu Recht ausführt - auch ausweislich der Verpflichtung der Betrachtung vernünftiger Alternativen in Art. 5 Abs. 1 SUP-RL unionsrechtlich geboten. Der Standort insbesondere von Großvorhaben, mit denen Umweltauswirkungen in bedeutendem Ausmaß verbunden sein können, soll nicht auf der Grundlage einer räumlich unangemessen verengten Perspektive festgelegt werden, die die Möglichkeit einer Reduzierung von Umweltbelastungen durch eine optimierte Standortwahl nicht hinreichend in den Blick nimmt. Eine so verstandene "je-desto-Formel", die auf eine Relation zwischen zu erwartenden Umweltauswirkungen und der Bemessung des Untersuchungsraums verweist, begegnet keinen grundsätzlichen Bedenken, sondern bringt eine im Interesse der Effektivierung des Umweltschutzes naheliegende Überlegung zum Ausdruck. Diese allgemeine Leitlinie bedarf jedoch bei der praktischen Umsetzung einer näheren Ausfüllung und Konkretisierung. Eine wesentliche normative Orientierung erfahren die Verhältnismäßigkeitserwägungen durch das Gebot der Berücksichtigung zum einen örtlich radizierter Ziele des Raumordnungsplans im Sinne der verfolgten Plankonzeption und zum anderen des räumlichen Geltungsbereichs des Plans.
37(2) (2.1) Wenn das Gesetz auch bei der Änderung des Raumordnungsplans die Berücksichtigung von dessen rechtlichem Geltungsbereich verlangt, ist damit nach dem üblichen Begriffsverständnis keine strikte Verbindlichkeit in dem Sinne gemeint, dass sich der Untersuchungsraum für Planungsalternativen stets mit dem Geltungsbereich des Raumordnungsplans decken müsste. Der damit bezeichnete Teil des Landesgebiets ist neben dem Ziel des Raumordnungsplans nur ein Element für eine sinnvolle, an den Zwecken der Umweltprüfung ausgerichteten Bemessung des Untersuchungsraums im Einzelfall. Die Annahme eines starren Regel-Ausnahme-Verhältnisses, bei dem eine Abweichung vom Geltungsbereich des Raumordnungsplans stets besondere Umstände voraussetzt, wird dem nicht gerecht.
38Der Regionalplan als ein gesetzlicher Regelfall für einen räumlichen Teilplan in den Ländern (§ 7 Abs. 1 Satz 2, § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ROG 2008; § 7 Abs. 1 Satz 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ROG 2017, Hofmann, in: Kment, ROG, 1. Aufl. 2019, § 7 Rn. 7) ist in seinem räumlichen Umgriff selbst Ergebnis einer Entscheidung mit planungsrechtlichem Gehalt; dies gilt auch dann, wenn er - wie in der Regel - an vorgegebene territoriale Gliederungen auf landesorganisationsrechtlicher Ebene anknüpft. Er bildet den Bezugsrahmen, in den sich die Änderungen einfügen müssen.
39Vor diesem Hintergrund geht es nicht an, bei Änderungen - wie von den Revisionsklägerinnen vertreten - von vornherein nur den Geltungsbereich des Änderungsplans in den Blick zu nehmen; damit wäre im Übrigen zugleich die Gefahr eines Missbrauchs durch den Zuschnitt des Änderungsplans verbunden, wenn dieser schon aufgrund seiner geringen Ausdehnung und der örtlichen Verhältnisse eine Prüfung von Standortalternativen ausschließt. Eine Beschränkung des Suchraums auf einen Ausschnitt des Geltungsbereichs des Regionalplans - insbesondere in unmittelbarem Anschluss an das Gebiet der geplanten Änderung - mag allerdings bei Vorhaben mit von vornherein eher geringen Umweltauswirkungen in Betracht kommen.
40Anlass, eine Überschreitung der Grenzen des Regionalplans in Erwägung zu ziehen, kann in verschiedenen Fallgestaltungen gegeben sein. Des Nachweises einer begründeten Erwartung, jenseits dieser Grenzen geeignetere Standorte für das Vorhaben zu finden, bedarf es dabei jedoch nicht; denn die Standortausweisung soll gerade Ergebnis einer weiträumigeren Untersuchung sein.
41So kommen spezifische örtliche Verhältnisse in Betracht, wenn etwa der in Aussicht genommene Standort am Rande des Plangebiets liegt und deswegen eine - partielle - plangebietsüberschreitende Perspektive geboten ist.
42Das Bedürfnis nach einer weiträumigeren Alternativenprüfung kann sich insbesondere dann ergeben, wenn die beabsichtigte Änderung des Regionalplans auf ein Vorhaben abzielt, dessen Verwirklichung ganz bedeutende umweltrechtliche Konfliktlagen mit sich bringen kann. Die Entscheidung, ob eine vergleichende Betrachtung der - gegebenenfalls den üblichen Rahmen sprengenden - erheblichen Umweltauswirkungen bei einer Beschränkung auf den Geltungsbereich des Regionalplans nicht mehr in einer der Problemlage angemessenen Weise erfolgen kann, ist auf einer geeigneten Tatsachengrundlage zu treffen. Hierbei reicht es allerdings nicht aus, wenn das Oberverwaltungsgericht typisierend auf das "Musterkraftwerk" mit großem Emissionspotenzial abstellt. Vielmehr sind darüber hinausgehend vorhandene konkrete Erkenntnisse zu verwerten und zu bewerten, wie sie hier durch das bereits errichtete Kraftwerk, aufbereitete Daten im Umweltbericht sowie die für die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen erstellten Gutachten vorliegen. Insoweit unterscheidet sich die Situation von einer Planung auf "freiem Feld"; eine ungerechtfertigte Privilegierung von auf unsicherer Basis errichteten Vorhaben liegt darin nicht.
43(2.2) Das Oberverwaltungsgericht hat demgegenüber die rechtlichen Maßstäbe nicht verfehlt, soweit es um die bei der Prüfung von Standortalternativen neben dem räumlichen Geltungsbereich ebenfalls gebotene Berücksichtigung der Ziele des Raumordnungsplans im Sinne der vom Planungsträger verfolgten Plankonzeption geht.
44Es ist nicht davon ausgegangen, dass die von ihm als legitim anerkannte planerische Zielfestlegung einer Absicherung des in dem für die Überprüfung der Abwägung maßgeblichen Zeitpunkt bereits weitgehend fertiggestellten Steinkohlekraftwerks auch für sich genommen eine Erweiterung des Untersuchungsraums gebietet. Dieses Erfordernis hat es vielmehr bereits zuvor mit den erheblichen Umweltauswirkungen begründet. Die Ausführungen zu den Zielen dienen nur zur Stützung der Ansicht, dass diese eine Ermittlung anderweitiger Planungsmöglichkeiten außerhalb der Emscher-Lippe-Region nicht ausschlössen (UA S. 41, juris Rn. 133).
45Das Oberverwaltungsgericht nimmt damit Bezug auf die dem Vorgehen der Regionalplanung bei der 7. Änderung zugrundeliegende Entscheidung, wegen der Ergebnisoffenheit der Alternativenprüfung anderweitige Planungsmöglichkeiten auch außerhalb des Stadtgebiets von Datteln in den Blick und ein Scheitern der Planungsbemühungen am gewählten Standort - jedenfalls vom Grundsatz her - in Kauf zu nehmen (UA S. 44, juris Rn. 138; Aufstellungsbeschluss S. 83). Wenngleich die Revisionsklägerinnen die besondere örtliche Radizierung des Planungsziels betonen, machen sie mit dem Hinweis auf eine "überobligatorische" Prüfung jedenfalls nicht ausdrücklich geltend, dass der Träger der Regionalplanung mit der darin liegenden Abschwächung des Planungsziels der Absicherung des Bestands die Grenzen seiner planerischen Freiheit überschritten hätte. Das ist auch nicht ersichtlich.
46Einen unmittelbaren Bezug zur Erweiterung des gegebenen Untersuchungsraums könnte allenfalls die von den Revisionsführerinnen ebenfalls im "Zielbündel" verortete Förderung des Kraftwerksstandorts Emscher-Lippe haben. Auch dies führt nicht weiter; insoweit ist - was das Oberverwaltungsgericht in anderem Zusammenhang betont (UA S. 45 f., juris Rn. 142) - lediglich ein Teilaspekt des Ziels betroffen, einen zusätzlichen Kraftwerksstandort auf dem Gebiet der Antragsgegnerin festzulegen.
47bb) Bundesrechtswidrig ist des Weiteren die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, die der Standortalternativenprüfung zugrunde gelegten Kriterien für geeignete Alternativstandorte hätten die Prüfung unzulässig eingeschränkt. Das Oberverwaltungsgericht geht von einem unzutreffenden Verständnis des vom Regionalplanungsträger verfolgten Planungsziels aus. Wird dies hingegen richtig erfasst, ist dessen Vorgehen insoweit nicht zu beanstanden.
48(1) Das Oberverwaltungsgericht meint, die Suchkriterien wie die Höchstabstände zu bestimmten Transportwegen - eine Wasserstraße und eine Bahnlinie - sowie die Mindestanforderungen an die Flächengröße seien ersichtlich auf das fast fertiggestellte Steinkohlekraftwerk zugeschnitten, wodurch der Zweck der Standortalternativenprüfung verfehlt worden sei. Die Ansätze des Regionalplanungsträgers seien insoweit nicht konsistent. Er habe zwar zunächst ein Steinkohlekraftwerk mit bestimmten Leistungsdaten als Musterkraftwerk zugrunde gelegt, sei von diesem Planungsziel im Folgenden aber abgerückt, indem nicht ein bestimmter Energieträger oder Kraftwerkstyp habe begünstigt werden sollen. Flächen, auf denen ein weniger Raum beanspruchendes Gaskraftwerk betrieben werden könne, seien zu Unrecht nicht in den Blick genommen worden.
49Diese Sachverhaltswürdigung wird den Anforderungen des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht gerecht. Die Annahme, der Regionalplanungsträger habe die Alternativenprüfung an einem überholten Planungsziel ausgerichtet, weil er der Sache nach von seinem auf die Ermöglichung der Errichtung eines (Ersatz-)Steinkohlekraftwerks bezogenen Planungsziel - in welcher Weise auch immer - abgerückt sei, findet in den vom Oberverwaltungsgericht (UA S. 47 f.; juris Rn. 149) hierfür herangezogenen Ausführungen in der Begründung des Aufstellungsbeschlusses keine Grundlage. Dort wird zwar betont, dass die Raumordnung energieträgerneutral und es auch nicht Gegenstand des Regionalplans sei, einen bestimmten Kraftwerkstyp verbindlich an einem Standort vorzugeben (S. 88 f.). Daneben wird jedoch zugleich festgehalten, dass durch die Ausrichtung der Umweltprüfung an der Konzeption des Musterkraftwerks die Nutzbarkeit des festzulegenden Standorts gerade auch für ein Steinkohlekraftwerk gesichert worden sei (S. 12 ff.). Wenn das Oberverwaltungsgericht bei einer Zusammenschau dieser beiden Feststellungen zu dem Schluss kommt, das Planungsziel sei aufgegeben worden oder jedenfalls berührt, vermengt es den Planungsanlass einerseits und das unter Einbeziehung weiterer Erwägungen bestimmte Planungsziel andererseits. Letzteres schlägt sich in der als Ergebnis der Standortalternativenprüfung gefundenen raumplanerischen Festlegung nieder, die lediglich den Vorrang einer Nutzung für einen nicht weiter konkretisierten Kraftwerkstyp regelt. Der vom Oberverwaltungsgericht gezogene Rückschluss missachtet die verschiedenen rechtlichen Zusammenhänge, erweist sich insoweit als unlogisch und als Verstoß gegen die Denkgesetze.
50(2) Das vom Planungsträger verfolgte Planungsziel ist vor dem Hintergrund des Planungsanlasses auf die Festlegung eines Standorts ausgerichtet, auf dem jedenfalls auch ein Steinkohlekraftwerk einer bestimmten Größenordnung errichtet werden kann. Davon geht das Oberverwaltungsgericht im Ausgangspunkt zu Recht aus. Dieses Planungsziel ist vom weiten Ermessensspielraum des Regionalverbands gedeckt. Ihm wird bei der Ausgestaltung der regionalplanerischen Standortfestlegung als energieträgerneutraler Angebotsplanung nur durch eine Alternativenprüfung Rechnung getragen, die sich bezogen auf die verschiedenen Kraftwerkstypen an den weitestgehenden Anforderungen orientiert. Eine Alternativenprüfung, die auch Standorte einbezieht, auf denen aufgrund der örtlichen Verhältnisse nur ein Teil der möglichen Kraftwerkstypen errichtet werden könnte, genügte mangels Eignung weder dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz noch bezöge sie sich auf vernünftige Alternativen.
51cc) Schließlich ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die von ihm festgestellten Mängel der Standortfestlegung (Fehler bei der Umweltprüfung und daraus resultierende Mängel der Abwägung) weiterhin beachtlich seien, weil die Vorschriften über die Planerhaltung nicht eingriffen. Das ist mit den Vorgaben des nationalen Rechts nicht vereinbar.
52(1) Das Oberverwaltungsgericht hat seiner Prüfung zu Unrecht die im Zeitpunkt des Erlasses der 7. Änderung des Regionalplanes geltende Fassung des § 12 ROG i. d. F. des Gesetzes vom (BGBl. I S. 2986) zugrunde gelegt. Zwar ist für die Wirksamkeit einer Rechtsnorm grundsätzlich maßgebend die Rechtslage im Zeitpunkt ihres Zustandekommens. Das gilt aber nur vorbehaltlich gesetzlicher Sonderregelungen (vgl. 4 C 5.16 - BVerwGE 160, 104 Rn. 12). Solche Bestimmungen finden sich in den Übergangsvorschriften zu späteren Änderungen des Raumordnungsgesetzes (§ 27 ROG: "Anwendungsvorschrift für die Raumordnung in den Ländern"). Danach sind in der Folgezeit erlassene Fassungen der Regelung zur Planerhaltung zu beachten. Diese unzutreffende rechtliche Einordnung ist der Sache nach aber nicht von Bedeutung.
53Bereits nach dem im Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts geltenden § 27 Abs. 2 Satz 1 ROG i. d. F. des Gesetzes vom (BGBl. I S. 1245) ist die Neufassung der Regelungen zur Planerhaltung in § 11 ROG auch auf Raumordnungspläne der Länder anzuwenden, die vor der Gesetzesänderung in Kraft getreten sind. Nach Satz 2 bleiben weitergehende landesrechtliche Regelungen zur Unbeachtlichkeit von Fehlern bei der Planaufstellung oder durch Fristablauf unberührt. Diese Regelung ist in ihrem Grundansatz von der während des Revisionsverfahrens in Kraft getretenen, nur geringfügig geänderten Neufassung des § 27 Abs. 2 ROG i. d. F. des Gesetzes vom (BGBl. I Nr. 88) beibehalten worden. Die Rechtsänderung ist für das Revisionsverfahren beachtlich, weil sie von der Vorinstanz, wenn sie jetzt entschiede, berücksichtigt werden müsste (stRspr, vgl. bereits 5 C 97.54 - BVerwGE 1, 291 <298 ff.> sowie zuletzt Urteil vom - 4 C 5.21 - Buchholz 406.11 § 13a BauGB Nr. 7 Rn. 14 m. w. N.).
54Die Einbeziehung alter Raumordnungspläne in die Neuregelung ist von dem Anliegen getragen, den Vorschriften zur Planerhaltung möglichst einheitlich und umfassend zum Durchbruch zu verhelfen und so die "Bestandskraft" von Raumordnungsplänen zu erhöhen (so zu § 28 Abs. 2 ROG 2008, BT-Drs. 16/10292 S. 30). Die damit verbundene Rückwirkung wirft keine Rechtsprobleme auf, weil es ein schutzwürdiges Vertrauen in die Ungültigkeit einer Rechtsnorm nicht gibt. § 27 Abs. 2 Satz 1 ROG 2017/2023 trennt nicht nach Normen, die den Kreis beachtlicher Fehler umschreiben (§ 11 Abs. 1 bis 4 ROG 2017/2023), und der Bestimmung des § 11 Abs. 5 ROG 2017/2023 über die Geltendmachung der Verletzung von Rechtsfehlern und den hierfür zu beachtenden Fristen. Damit unterscheidet sich die aktuelle Übergangsvorschrift von der Vorgängernorm des § 28 Abs. 2 ROG 2008, die - in Anlehnung an die vergleichbare Regelung in § 233 Abs. 2 Satz 2 und 3 BauGB (siehe OVG Lüneburg, Urteil vom - 12 KN 80/12 - ZfBR 2013, 789 <792>) - zwischen den beiden Normenkomplexen differenziert und für die Rügepflicht sowie die damit verbundenen Rechtsfolgen nach dem Prinzip des "Entstehungsrechts" (vgl. Jarass/Kment, BauGB, 3. Aufl. 2022, § 233 Rn. 4 f.) von der Geltung der alten Bestimmungen ausgeht. Vor dem Hintergrund dieser Entstehungsgeschichte, die auf eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers schließen lässt, verbietet sich eine teleologische Reduktion der Reichweite des § 27 Abs. 2 Satz 1 ROG 2017/2023, um das vermeintlich naheliegende Ergebnis zu erreichen, wonach Rügeobliegenheiten sich jeweils nur nach den Vorschriften richten könnten, die im Zeitpunkt des gebotenen Handelns galten. Dies gilt umso weniger, als hier - wie bereits erwähnt - Vertrauensschutzerwägungen keine Rolle spielen (zur insoweit abweichenden Konstellation bei der Klagebegründungsfrist des § 6 UmwRG, siehe 7 C 5.18 - BVerwGE 166, 321 Rn. 28).
55Die Anwendung des § 11 Abs. 5 ROG 2017/2023 auf Pläne, die nach früherem Verfahrensrecht zustande gekommen sind, muss allerdings die betroffenen Regelungen - ungeachtet des Verweises auf konkrete Normen - nach ihrem sachlichen Gehalt erfassen (vgl. OVG Bautzen, Urteil vom - 1 C 72/20 - juris Rn. 72 f.).
56Der Wortlaut des § 11 ROG 2017/2023 stimmt - soweit hier von Bedeutung (zum Fehlen eines Verweises in § 11 Abs. 5 ROG auf das Entwicklungsgebot in § 11 Abs. 2 ROG siehe Hager, in: Kment, ROG, 1. Aufl. 2019, § 11 Rn. 61) - indes im Wesentlichen mit dem des § 12 ROG 2008 überein. Die unzutreffende Verortung der Prüfung der Planerhaltung ist demnach ohne Belang.
57(2) § 11 ROG ist im Rahmen der Inzidentprüfung anwendbar.
58Der auch ausweislich der Gesetzesbegründung mit den Vorschriften über die Planerhaltung verfolgte Zweck der Stärkung der "Bestandskraft" von Raumordnungsplänen (so BT-Drs. 13/6392, S. 31, 38) würde nicht erfüllt, wenn diese nur bei einer prinzipalen Normenkontrolle Anwendung fänden. Es wäre schwerlich nachvollziehbar, gerade bei der Überprüfung einer Norm, die schon vor längerer Zeit verkündet worden ist, einen unbeschränkten Zugriff auf Rechtswidrigkeitsgründe zuzulassen; denn insbesondere in einer solchen Situation wächst das Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Verlässlichkeit der Rechtsordnung (BT-Drs. 13/6392, S. 41, 85; zur einhelligen Auffassung, auch im Anwendungsbereich des BauGB, siehe etwa 4 C 8.98 - Buchholz 406.11 § 142 BauGB Nr. 5 S. 3 f.; VGH Mannheim, Urteil vom - 3 S 1108/07 - juris Rn. 31; 11 N 27.15 - juris Rn. 28 f.; 15 ZB 21.2855 - juris Rn. 16; Hager, in: Kment, ROG, 1. Aufl. 2019, § 11 Rn. 107; Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 215 Rn. 7; Sennekamp, in: Brügelmann, BauGB, Stand Oktober 2023, § 215 Rn. 2; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2023, § 215 Rn. 1, 44).
59Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist eine abweichende rechtliche Bewertung nicht etwa deswegen angezeigt, weil jedenfalls zum Zeitpunkt des Erlasses der 7. Änderung nach den einschlägigen Bestimmungen des Landesrechts ein Normenkontrollantrag nicht statthaft war. Denn auch in dieser Situation geht die grundsätzlich gebotene Inzidentprüfung nicht ins Leere. Sie ist weiterhin möglich, lediglich der Prüfungsmaßstab bzw. der Kreis der für die Feststellung einer Rechtswidrigkeit beachtlichen Rechtsfehler kann mangels rechtzeitiger gegenüber der zuständigen Stelle erhobener Rüge beschränkt sein. Die Rechtslage unterscheidet sich nicht von der bei Statthaftigkeit der prinzipalen Normenkontrolle. Wenn der Betroffene wegen Fehlens der Möglichkeit der Einleitung einer statthaften Normenkontrolle davon ausgegangen sein sollte, dass die Vorschriften über die Planerhaltung ihm dann auch später nicht entgegengehalten werden können, handelt es sich um einen unbeachtlichen Rechtsirrtum, dem gerade ein Hinweis auf die Rügepflicht - ungeachtet der nachfolgenden Prüfung im Einzelnen - entgegenzuwirken geeignet war.
60(3) Nicht zu folgen ist des Weiteren der Rechtsansicht, dass der nach § 11 Abs. 5 Satz 2 ROG 2017/2023 (§ 12 Abs. 5 Satz 2 ROG 2008) der Bekanntmachung beigefügte Hinweis unzureichend war. Damit hat das Oberverwaltungsgericht die rechtlichen Anforderungen überspannt.
61Nach seiner Auffassung ist der pauschale Hinweis auf § 12 Abs. 5 ROG 2008 hinsichtlich der Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften fehlerhaft. Einem Betroffenen sei nicht zumutbar, die Norm selbst zu lesen. Die Bezugnahme sei auch unvollständig bzw. missverständlich. Es werde nicht hinreichend klar, ob die in "§ 12 Abs. 1 Nr. 2 bis 4" ROG 2008 (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 und 3 ROG 2017/2023) genannten Bestimmungen Verfahrens- oder Formvorschriften im Sinne des Hinweises seien. Der Hinweis sei darüber hinaus fehlerhaft, weil von "Mängeln der Abwägung" die Rede sei. § 12 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 ROG 2008 (§ 11 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 ROG 2017/2023) spreche dagegen von beachtlichen Mängeln des Abwägungsvorgangs.
62Aus diesen Einwänden folgt nicht, dass der Hinweis die ihm zugedachte Anstoßfunktion nicht erfüllt hat und deswegen seine Rechtsfolge nicht eingetreten ist. Der Hinweis muss geeignet sein, die von der Planung Betroffenen so auf ihre Rechte aufmerksam zu machen, dass sie diese ungeschmälert wahrnehmen können. Das setzt voraus, dass der Hinweis vollständig und unmissverständlich ist ( 4 CN 2.10 - BVerwGE 138, 12 Rn. 15).
63(3.1) Der Hinweis ist vollständig. Er enthält die gesetzlichen Mindestangaben. Insbesondere ist ihm zu entnehmen, hinsichtlich welcher Rechtsverstöße eine auf ein Jahr befristete Rügeobliegenheit besteht. Der Hinweis benennt Verfahrens- und Formvorschriften und Mängel der Abwägung. Die Umweltprüfung (§ 11 Abs. 4 und 5 Satz 1 Nr. 3 ROG 2017/2023; § 12 Abs. 4 und 5 Satz 1 Nr. 4 ROG 2008) findet allerdings keine ausdrückliche Erwähnung. Ob der Gesetzgeber ausweislich von § 28 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ROG 2008 von ihrer terminologischen Einordnung unter "sonstige Vorschriften" neben den Verfahrens- und Formvorschriften und dem Mangel der Abwägung ausgeht, kann dahinstehen. Denn dessen ungeachtet enthalten die Vorschriften über die Umweltprüfung und den Umweltbericht auch verfahrensrechtliche Anforderungen, und deren Ergebnis fließt in die Abwägung ein (vgl. Spannowsky, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, 2. Aufl. 2018, § 11 Rn. 39, 42 f., 72, 77; Hager, in: Kment, ROG, 1. Aufl. 2019, § 11 Rn. 96). Insoweit kann ein Rechtsfehler bei der Umweltprüfung jedenfalls unter eine der beiden im Hinweis erwähnten Fehlerkategorien einzuordnen sein. Dies gilt gerade für die vom Oberverwaltungsgericht angenommene Konstellation, dass der Umweltbericht in wesentlichen Punkten unvollständig ist.
64Der Hinweis gibt auch keinen Anlass zu einem Missverständnis, wenn der Adressat, bei dem die Behörde von einem interessierten und mündigen Bürger ausgehen darf (vgl. dazu zuletzt 4 A 10.21 - UPR 2023, 495 Rn. 22 m. w. N.), den Text des im Hinweis in Bezug genommenen § 12 Abs. 5 ROG 2008 zur Kenntnis nimmt. Zwar mag gerade der juristisch nicht vorgebildete Leser den Begriff der Form- und Verfahrensvorschriften allein - weil (nur) dort ausdrücklich erwähnt - dem § 12 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 12 Abs. 1 Nr. 1 ROG 2008 (§ 11 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 11 Abs. 1 Nr. 1 ROG 2017/2023) zuordnen und deswegen neben dem Abwägungsmangel in § 12 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. § 12 Abs. 3 ROG 2008 (§ 11 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. § 11 Abs. 3 ROG 2017/2023) die in § 12 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 i. V. m. § 12 Abs. 4 ROG 2008 (§ 11 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. § 11 Abs. 4 ROG 2017/2023) aufgeführte Umweltprüfung im Hinweistext zunächst vermissen. Anlass für die Annahme, die Umweltprüfung sei von der Rügepflicht nicht erfasst, kann eine solche sich aus dem Gesetzestext vermeintlich ergebende Unstimmigkeit aber nicht sein; denn nach aufmerksamer Lektüre kann kein Zweifel daran bestehen, dass auch Fehler der Umweltprüfung mangels rechtzeitiger Rüge unbeachtlich werden können.
65(3.2) Schließlich darf der Hinweis keine irreführenden Zusätze enthalten und insbesondere nicht geeignet sein, einen Betroffenen von der rechtzeitigen Erhebung von Rügen abzuhalten (vgl. 4 CN 4.09 - BVerwGE 138, 84 Rn. 15, vom - 4 CN 5.10 - BVerwGE 143, 192 Rn. 15 und vom - 4 CN 8.18 - BVerwGE 166, 378 Rn. 23). Grundsätzlich unbeachtlich ist indessen, wenn im Hinweis auch über eine nach dem Gesetz nicht bestehende Rügepflicht belehrt wird; anderes kann nur gelten, wenn dies dazu führen kann, dass der Betroffene die Rüge eines beachtlichen Verfahrensverstoßes unterlässt (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom - 8 S 1739/10 - ZfBR 2012, 590 <594>).
66Der Hinweis ist zwar insoweit unzutreffend, als er mit der weiten Formulierung "Mängel der Abwägung" anstatt der zutreffenden Angabe "Mängel des Abwägungsvorgangs" den Eindruck erweckt, auch Mängel im Abwägungsergebnis müssten innerhalb eines Jahres gerügt werden. Es ist aber nicht ersichtlich, dass der juristische Laie, dem der Unterschied zwischen Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis nicht vor Augen stehen dürfte, deswegen davon abgehalten werden könnte, eine gegebenenfalls "überschießende" - weil auch einen Ewigkeitsmangel des Abwägungsergebnisses betreffende - Rüge zu erheben (vgl. 1 N 11.2631 - juris Rn. 34; Sennekamp, in: Brügelmann, BauGB, Stand Oktober 2023, § 215 Rn. 83; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2023, § 215 Rn. 52).
67(3.3) Trotz des hiernach ausreichenden Hinweises sind Rügen nicht fristgerecht erhoben worden. In den Urteilsgründen hat das Oberverwaltungsgericht hierzu zwar ausdrücklich keine Feststellungen getroffen. In den Gerichtsakten, auf die das Oberverwaltungsgericht im Tatbestand gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO Bezug nimmt, findet sich jedoch ein Schreiben des Planungsträgers vom , in dem auf eine Anfrage des Berichterstatters vom mitgeteilt wird, dass nach Bekanntgabe der Regionalplanänderung "keine Mängel oder Rechtsverstöße im Sinne des § 12 Abs. 5 ROG a. F." ihm gegenüber geltend gemacht worden seien. Dieses Schreiben, gegen dessen Inhalt die Antragstellerin sich weder im Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht noch im Revisionsverfahren gewendet hat, kann das Bundesverwaltungsgericht in der Sache zur Kenntnis nehmen und würdigen (vgl. Eichberger/Buchheister, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand März 2023, § 137 VwGO Rn. 137 ff., 144 ff.; siehe auch 4 CN 7.21 - NVwZ 2023, 1576 Rn. 21).
68(4) Der Senat kann offenlassen, ob hieraus auch ein Bundesrechtsverstoß im Sinne von § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO folgt, auf dem das angegriffene Urteil beruht. Das wäre dann nicht der Fall, wenn die Vorschrift über die Planerhaltung wegen des Vorrangs des Unionsrechts ohnehin nicht angewendet werden dürfte.
69Soweit der Regionalplan als solcher betrachtet wird und lediglich die Vereinbarkeit des § 11 ROG 2017/2023 mit der SUP-Richtlinie und dem Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten vom (Aarhus-Konvention - AK -; BGBl. 2006 II S. 1251) in Rede steht, spricht alles dafür, diese zu bejahen. Angesichts der rechtlichen Maßstäbe für die Ausgestaltung des Rechtsschutzes im hier einschlägigen Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 3 AK, wie sie in den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs vom (- C-664/15 [ECLI:EU:C:2017:987], Protect - NVwZ 2018, 225 Rn. 88 ff.) entwickelt und im Urteil vom (- C-826/18 [ECLI:EU:C:2021:7], Stichting Varkens in Nood - ZUR 2021, 229 Rn. 62 ff.; vgl. dazu auch 4 VR 2.20 - BVerwGE 172, 57 Rn. 87) bestätigt worden sind, ist davon auszugehen, dass der nationale Gesetzgeber bei den Regelungen über die Planerhaltung den ihm eingeräumten Entscheidungsspielraum nicht überschritten hat.
70Ob bei einer Inzidentprüfung die Vorschriften über die Planerhaltung auch an Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (UVP-RL; ABl. 2012 L 26 S. 1) zu messen sind und ob insoweit ein unionsrechtlicher Klärungsbedarf besteht (vgl. 4 CN 3.16 - Buchholz 406.11 § 215 BauGB Nr. 20), kann dahinstehen. Ein Vorabentscheidungsverfahren kommt jedenfalls deswegen nicht in Betracht, weil wegen der gebotenen Zurückverweisung die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage nicht feststeht.
713. Das Urteil stellt sich nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Mangels tragfähiger tatsächlicher Feststellungen, die den zutreffenden rechtlichen Maßstäben gerecht werden, kann der Senat nicht davon ausgehen, dass die Standortalternativenprüfung unzureichend, die regionalplanerische Standortfestlegung rechtswidrig und die bauleitplanerische Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB, die einen solchen Standort in die Abwägung eingestellt hat, fehlerhaft ist.
72Da es auch im Hinblick auf die sonstigen abwägungserheblichen Umstände, insbesondere was die Umweltauswirkungen angeht, an jeglichen Feststellungen fehlt, ist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2023:071223U4CN6.22.0
Fundstelle(n):
SAAAJ-65008