BVerwG Urteil v. - 2 A 1/23

Tatsachenkenntnis des Erstbeurteilers durch Information des Fachvorgesetzten des zu Beurteilenden

Leitsatz

Der Umstand, dass die vorangegangene Fassung einer dienstlichen Beurteilung wegen eines Fehlers aufgehoben worden ist, muss nicht zwingend zu einer Anhebung des vergebenen Gesamturteils in der korrigierten dienstlichen Beurteilung führen.

Tatbestand

1Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Regelbeurteilung.

2Der im Jahre 1980 geborene Kläger ist seit Mai 2015 beim Bundesnachrichtendienst (BND) beschäftigt. Er wurde im Januar 2018 zum Regierungsrat (Besoldungsgruppe A 13 BBesO) im Beamtenverhältnis auf Probe ernannt und zum in das Lebenszeitbeamtenverhältnis übernommen.

3Zum Beurteilungsstichtag erstellte der BND für den Kläger eine Regelbeurteilung betreffend den Beurteilungszeitraum vom bis . Diese Regelbeurteilung wurde aufgehoben, weil der Beurteilungszeitraum sich auch auf einen in seine Probezeit fallenden Zeitraum erstreckte. Die daraufhin erstellte neue Regelbeurteilung umfasst den Beurteilungszeitraum vom bis zum . Bei der Leistungsbewertung erreichte der Kläger sowohl überwiegend in den Einzelbewertungen als auch in der Gesamtnote die Note 2. Im Befähigungsprofil erhielt er sechsmal die Bewertung A und fünfmal die Bewertung B. Das Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung lautet auf 2 Punkte (= entspricht im Allgemeinen den Anforderungen, weist aber Mängel auf) der Notenskala zwischen einem Punkt und sechs Punkten.

4Nach der Aufgabenbeschreibung war der Kläger im Beurteilungszeitraum als Referent Auswertung in einem Bereich der Regionalauswertung Nahost tätig. Die Leistungsbewertung und das Gesamturteil wurden textlich begründet. In der Begründung des Gesamturteils heißt es u. a.: "Trotz der durch die sehr gut ausgeprägte Sprachbegabung im regionalen Zuständigkeitsbereich eigentlich gegebene kulturelle Zugangsmöglichkeit waren die erstellten Produkte wie Berichterstattung oder auch Vorträge durchgängig nicht ohne sehr substanzielle Korrektur nutzbar. Ebenfalls waren mündliche Vorträge eher unpräzise und schwammig. [...] Auch wiederholte Versuche durch den Sachgebietsleiter sowie den Referatsleiter, mithilfe von Anleitung, gemeinsamer Erstellung und erklärender Korrektur eine Verbesserung der Arbeitsergebnisse zu erzielen, waren nicht von Erfolg gekrönt."

5Im März 2022 legte der Kläger Widerspruch gegen die dienstliche Beurteilung ein. Zu dessen Begründung führte er u. a. aus: Die Gesamtnote 2 werde weder seinen Leistungen, seinem Durchhaltevermögen noch seiner gewissenhaften Auftragsbearbeitung gerecht. Unzutreffend sei auch, dass seine mündlichen Vorträge "eher unpräzise und schwammig" gewesen seien. Während der Corona-Pandemie habe er im Beurteilungszeitraum nur sehr selten Gelegenheit gehabt, sich in Form mündlicher Vorträge vor dem Referatsleiter zu präsentieren. Bei der Vorstellung seiner Produkte im Führungsinformationszentrum, bei AND-Fachgesprächen und bei Behördenbriefings habe es nie negative Rückmeldungen gegeben.

6Mit Widerspruchsbescheid vom , zur Zustellung an den Kläger verfügt am , wies der BND den Widerspruch zurück. Zur Begründung wird insbesondere ausgeführt, der Erstbeurteiler habe die Bewertung der Präsentationsfähigkeit dahingehend plausibilisiert, dass diese ihren Grund in regelmäßigen inhaltlichen Unsicherheiten und mangelnder Präzision habe, sodass dem Kläger insbesondere bei Briefings anderer Behörden nach Möglichkeit ein weiterer Mitarbeiter als Begleitung zur Seite gestellt worden sei.

7Mit der am erhobenen Klage macht der Kläger insbesondere geltend, dass der Beurteilung ein unzutreffender Sachverhalt zugrunde liege und die Begründung des Gesamturteils Widersprüche enthalte. Der vom Erstbeurteiler gerügte mangelhafte freie Vortrag habe in dem nur sieben Monate langen Beurteilungszeitraum nicht stattgefunden; es habe maximal eine Gelegenheit gegeben, bei der er habe vortragen können und der Erstbeurteiler anwesend gewesen sei. Außerdem werde in der Begründung der Beurteilung sachlich fehlerhaft ausgeführt, dass er zu wenig Aufträge bearbeitet habe. Weiter werde fehlerhaft von seiner fehlenden Belastbarkeit ausgegangen; Ursachen seien aber eher externe Faktoren als in seiner Person liegende Gründe. Schließlich sei nicht nachvollziehbar, wie der Erstbeurteiler ohne Arabischkenntnisse beurteilen könne, inwieweit er - der Kläger - seine Sprachkenntnisse gewinnbringend bei der Erledigung der ihm obliegenden Aufgaben eingesetzt habe. Widersprüchlich sei, dass der Erstbeurteiler in den unterschiedlichen Entwürfen wechselnde Begründungen für die gleichbleibende Benotung angeführt habe.

8Der Kläger beantragt,

die über den Kläger erstellte dienstliche Beurteilung des Bundesnachrichtendienstes vom und dessen Widerspruchsbescheid vom aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts für den Beurteilungszeitraum vom bis zum neu dienstlich zu beurteilen.

9Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

10Sie ist der Ansicht, die Beurteiler seien von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Entgegen der Annahme des Klägers werde weder in der Beurteilung noch in der hierzu abgegebenen Erläuterung des Erstbeurteilers von einer quantitativen Minderleistung ausgegangen; vielmehr werde die Bewertung in der Beurteilung mit der Qualität der Leistung begründet. Hinsichtlich der Bewertung des Vortragsverhaltens habe der Erstbeurteiler klargestellt, dass sich seine Bewertung auch auf persönliche Unterredungen des Klägers mit seinem Sachgebietsleiter stütze; daraus ergebe sich eine ausreichende Tatsachengrundlage. Zu beiden Aspekten stelle der Kläger nicht den der Beurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt, sondern dessen Bewertung in Frage. Dass aus dem Ausbleiben negativer Feedbacks nicht auf ein gutes oder fehlerfreies Vortragsverhalten geschlossen werden könne und dass die Quantität der Arbeitsleistung nicht dazu führen könne, dass qualitative Minderleistungen unberücksichtigt blieben, lasse keinen Bewertungsfehler erkennen. Dass frühere fehlerhafte Entwürfe der Beurteilung korrigiert oder ersetzt worden seien, sei unerheblich und führe insbesondere nicht dazu, dass nunmehr das Gesamturteil unplausibel sei.

11Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Erstbeurteilers als Zeugen, welche mündlichen Vorträge der Kläger im Beurteilungszeitraum der angegriffenen dienstlichen Beurteilung gehalten hat und wer dabei anwesend war sowie welche Anleitungsversuche zur Verbesserung seiner Arbeitsergebnisse unternommen wurden.

12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die dem Senat vorliegenden Akten des behördlichen Verfahrens verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung waren.

Gründe

13Die Klage, über die der Senat nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO erst- und letztinstanzlich zu entscheiden hat, ist zulässig, aber unbegründet. Zutreffend hat der BND bei der Erstellung der streitgegenständlichen dienstlichen Beurteilung diejenigen Beurteilungsbestimmungen zugrunde gelegt, die zum Beurteilungsstichtag galten (1.). Der dienstlichen Beurteilung haften keine formellen Mängel an (2.). Der Beurteilungsmaßstab ist richtigerweise auf das Statusamt des Beurteilten bezogen (3.). Der dienstlichen Beurteilung liegt weder ein unzutreffender Sachverhalt zugrunde (4.) noch ist sie in sich widersprüchlich (5.).

141. Für die Erstellung der am eröffneten Regelbeurteilung und für den Widerspruchsbescheid vom gilt § 21 BBG in der Fassung des am in Kraft getretenen Gesetzes zur Regelung des Erscheinungsbildes von Beamtinnen und Beamten sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften vom (BGBl. I S. 2250). § 21 Abs. 1 Satz 1 BBG bestimmt, dass Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Beamten regelmäßig, mindestens jedoch alle drei Jahre, zu beurteilen sind. Die aktuelle Gesetzesfassung berücksichtigt die Anforderungen der Senatsrechtsprechung zu den erforderlichen normativen Vorgaben für die Erstellung von dienstlichen Beurteilungen (vgl. 2 C 2.21 - BVerwGE 173, 81 Rn. 31 ff. und vom - 2 A 3.20 - BVerwGE 173, 213 Rn. 14) noch nicht vollständig. Zwar hat der Parlamentsgesetzgeber nunmehr das Beurteilungssystem geregelt - Regelbeurteilungen, ergänzt durch Anlassbeurteilungen -; defizitär bleibt allerdings, dass er sich nicht zur Vorgabe der Bildung des abschließenden Gesamturteils geäußert hat ( 2 A 3.20 - BVerwGE 173, 213 Rn. 16). Dieses Defizit führt jedoch nicht zur Aufhebung der streitgegenständlichen dienstlichen Beurteilung, weil die unzureichende Gesetzeslage für einen Übergangszeitraum weiterhin angewendet werden kann, um einen der verfassungsmäßigen Ordnung noch ferneren Zustand zu vermeiden ( 2 C 2.21 - BVerwGE 173, 81 Rn. 40 m. w. N. und vom - 2 A 3.20 - BVerwGE 173, 213 Rn. 15).

15Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle einer dienstlichen Beurteilung ist auf die Überprüfung beschränkt, ob der Dienstherr gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, die anzuwendenden Begriffe oder den gesetzlichen Rahmen verkannt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat (stRspr, vgl. - BVerfGK 12, 106 <109>; 2 C 8.78 - BVerwGE 60, 245 <246>, vom - 2 C 27.14 - BVerwGE 153, 48 Rn. 9, vom - 2 C 2.20 - BVerwGE 169, 254 Rn. 10 und vom - 2 A 1.21 - Buchholz 232.1 § 50 BLV Nr. 8 Rn. 17).

16Hat der Dienstherr - wie hier - Richtlinien über die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen, sind die Beurteiler aufgrund des Gleichheitssatzes hinsichtlich des anzuwendenden Verfahrens und der anzulegenden Maßstäbe an diese Richtlinien gebunden (vgl. 2 C 2.20 - BVerwGE 169, 254 Rn. 21). Das Gericht hat deshalb auch zu kontrollieren, ob die Richtlinien eingehalten sind, ob sie im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung verbleiben und ob sie auch sonst mit den gesetzlichen Vorschriften in Einklang stehen (stRspr, z. B. 2 C 34.04 - BVerwGE 124, 356 <358> m. w. N. und vom - 2 A 1.21 - Buchholz 232.1 § 50 BLV Nr. 8 Rn. 18 m. w. N.). Grundlage für die Beurteilung der Beschäftigten des BND im hier maßgeblichen Beurteilungszeitraum sind die Bestimmungen über die Beurteilung der Beamtinnen, Beamten und Beschäftigten im Bundesnachrichtendienst (BB-BND) in der Fassung vom .

17Tatsächliche Grundlagen, auf denen Werturteile beruhen, sind nicht notwendig in die dienstliche Beurteilung aufzunehmen. Die dienstliche Beurteilung kann auch im Rahmen der Eröffnung und Besprechung sowie im nachfolgenden Widerspruchs- oder Klageverfahren plausibilisiert werden. Hierfür sind Erläuterungen und Konkretisierungen erforderlich, auf deren Grundlage die Gerichte nachprüfen können, ob der Dienstherr bei der Erstellung der dienstlichen Beurteilung bzw. bei einzelnen in ihr enthaltenen Werturteilen von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, sachfremde Erwägungen angestellt oder allgemeingültige Wertmaßstäbe verletzt hat ( 2 C 21.16 - BVerwGE 157, 366 Rn. 18 m. w. N.).

18Steht eine auf Werturteilen beruhende Beurteilung zur gerichtlichen Überprüfung an, kann das Verwaltungsgericht nicht die Darlegung und den Nachweis der einzelnen "Tatsachen" verlangen, die dem jeweiligen Werturteil zugrunde liegen und es tragen. Mit der Beurteilungsbefugnis ist dem Dienstherrn vielmehr auch das Recht zuerkannt, die einzelnen im Beurteilungszeitraum liegenden Vorgänge in einer Gesamtschau zusammenzufassen und zu bewerten ( 2 A 10.17 - BVerwGE 161, 240 Rn. 32 m. w. N.). Diese Beurteilungsermächtigung hat auch die durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verlangte gerichtliche Kontrolle zu wahren. Hält der beurteilte Beamte oder ein Mitbewerber im Konkurrentenstreitverfahren die Beurteilung für nicht hinreichend plausibel, liegt es an ihm, konkrete Punkte zu benennen, die weiterer Konkretisierung oder Plausibilisierung bedürfen ( 2 VR 3.23 - ZBR 2024, 32 Rn. 62).

19Die Verpflichtung zur Plausibilisierung der in einer dienstlichen Beurteilung enthaltenen Werturteile und die Darlegung solcher Zweifel an der Richtigkeit dieser Werturteile stehen in einer Wechselbeziehung zueinander. Hält der Beamte die dienstliche Beurteilung trotz einer Erläuterung durch den Dienstherrn für nicht hinreichend plausibel, liegt es an ihm, konkrete Punkte zu benennen, die er entweder für unklar oder für unzutreffend hält. Hat der Dienstherr seinen Standpunkt etwa in Gesprächen dargestellt, genügt es danach nicht mehr, Einzelbewertungen oder das Gesamturteil als nicht nachvollziehbar zu bezeichnen. In einer solchen Situation liegt es vielmehr am Beamten klarzustellen, hinsichtlich welchen Werturteils und aus welchem Grund er einen weiteren Erläuterungsbedarf sieht ( 2 A 10.17 - BVerwGE 161, 240 Rn. 37).

202. Den hieraus folgenden formalen Anforderungen wird die angefochtene Regelbeurteilung gerecht. Sie ist von den dafür als Erst- und Zweitbeurteiler zuständigen Bediensteten des BND erstellt worden.

21Weder § 21 BBG noch §§ 48 bis 50 BLV regeln, welcher Bedienstete die dienstliche Beurteilung von beim BND tätigen Beamten zu erstellen hat. Die Vorgabe des § 50 Abs. 1 Satz 1 BLV, dass dienstliche Beurteilungen in der Regel von mindestens zwei Personen erfolgen, wird beim BND durch das Zusammenwirken von Erst- und Zweitbeurteiler beachtet. Mangels weiterer normativer Vorgaben bestimmt sich die Zuständigkeit entsprechend § 50 Abs. 1 Satz 2 und 3 BLV nach den Beurteilungsbestimmungen des BND (vgl. 2 A 7.22 - juris Rn. 16).

22Nach der Neufassung der Beurteilungsbestimmungen im Jahr 2019 sind Regelbeurteilungen alle 24 Monate zu erstellen, für - wie hier - Beamte des höheren Dienstes erstmals zum (Ziff. 2.1 der BB-BND). Der Beurteilungszeitraum beginnt bei Beamten, für die erstmals eine Regelbeurteilung zu erstellen ist, mit dem Zeitpunkt der Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit; nur wenn dann der Beurteilungszeitraum kürzer als sechs Monate ist, entfällt die Regelbeurteilung (Ziff. 2.2 der BB-BND). Für Beamte des höheren Dienstes ist Erstbeurteiler der Referatsleiter (Ziff. 7.2 der BB-BND), Zweitbeurteiler der Abteilungsleiter (Ziff. 8.2 der BB-BND).

233. Der bei der Erstellung der dienstlichen Beurteilung angelegte Maßstab ist zutreffend das Statusamt des Beurteilten, nicht sein konkreter Dienstposten; dieser rechtlich gebotene Maßstab wird den Beurteilern in Ziff. 1.4 der BB-BND ausdrücklich vermittelt. Eine dienstliche Beurteilung ist zu erstellen aufgrund der Erkenntnisse über die von dem jeweiligen Beamten auf dem konkret innegehabten Dienstposten gezeigten Leistungen, gemessen an den (abstrakten) Anforderungen des Statusamtes (stRspr, vgl. etwa 2 C 1.18 - BVerwGE 165, 305 Rn. 32 und zuletzt Urteil vom - 2 A 7.22 - juris Rn. 38).

244. Der Regelbeurteilung vom liegt kein unzutreffender Sachverhalt zugrunde.

25a) Eine Regelbeurteilung soll die Grundlage für eine an den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG orientierte Auswahlentscheidung liefern. Um eine verlässliche Grundlage für die Auswahlentscheidung bieten zu können, muss eine dienstliche Beurteilung die dienstliche Tätigkeit des zu beurteilenden Beamten im maßgebenden Beurteilungszeitraum vollständig erfassen, auf zuverlässige Erkenntnisquellen gestützt sein, das zu erwartende Leistungsvermögen in Bezug auf das angestrebte Amt auf der Grundlage der im innegehabten Amt erbrachten Leistungen hinreichend differenziert darstellen sowie auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhen ( 2 VR 1.16 - BVerwGE 157, 168 Rn. 24 m. w. N.). Ist der für die Beurteilung Zuständige nicht in der Lage, sich ein eigenes vollständiges Bild von den Leistungen des Beamten zu machen, muss er sich die Informationen verschaffen, die es ihm ermöglichen, diejenigen zu bewertenden Elemente der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zutreffend zu erfassen, über die er keine aus eigener Anschauung gewonnenen Erkenntnisse besitzt ( 2 A 10.13 - BVerwGE 150, 359 Rn. 22 f. m. w. N.). Hierfür kommen vorrangig, aber nicht ausschließlich, Aussagen von Personen in Betracht, die die Dienstausübung des zu beurteilenden Beamten aus unmittelbarer eigener Anschauung kennen.

26b) Der Erstbeurteiler verfügte über ausreichende Informationen, um den Kläger im Beurteilungszeitraum eigenverantwortlich nach den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG beurteilen zu können. Dies gilt insbesondere für die Frage der Qualität der Vorträge des Klägers. Nicht entscheidend ist hierbei, wie häufig und intensiv der unmittelbare Kontakt zwischen dem Referatsleiter als Erstbeurteiler und dem Kläger als zu beurteilendem Referenten im Beurteilungszeitraum war; hierüber gehen die von beiden Personen in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben auseinander. Maßgeblich ist, dass es auch im - von der Corona-Pandemie geprägten - Beurteilungszeitraum einen intensiven unmittelbaren Kontakt zwischen dem Sachgebietsleiter und dem Kläger gab und dass der Sachgebietsleiter dem Referatsleiter die für die Erstellung der Beurteilung erforderlichen Kenntnisse vermittelte. So gab es nach den vom Kläger nicht bestrittenen Angaben seines Referatsleiters in der mündlichen Verhandlung insbesondere einen Austausch in den grundsätzlich täglichen - wenn auch z. T. per Videokonferenz durchgeführten - Sachgebietsbesprechungen und bei der Überarbeitung der Berichterstattungen des Klägers. Im Beurteilungszeitraum hat es acht bis neun Berichterstattungen des Klägers gegeben, die den Dienstweg über den Sachgebietsleiter zum Referatsleiter genommen haben und sämtlich überarbeitet werden mussten. Dabei ist dem Kläger auch jeweils vermittelt worden, wo die Mängel liegen und wie sie zu vermeiden sind. Angesichts dessen ist davon auszugehen, dass dem Referatsleiter als Erstbeurteiler die erforderliche Tatsachengrundlage für die Beurteilung des Leistungs-, Befähigungs- und Eignungsbildes des Klägers im Beurteilungszeitraum vorgelegen hat. Hinsichtlich der Qualität der Vorträge hatte der Sachgebietsleiter aus den Sachgebietsbesprechungen hinreichende Erkenntnisse, die er an den Referatsleiter als Erstbeurteiler weitergegeben hat.

27c) Soweit der Kläger beanstandet, in der Begründung der Beurteilung werde sachlich fehlerhaft ausgeführt, dass er zu wenig Aufträge bearbeitet habe, findet sich eine entsprechende Passage dort nicht. Deshalb kann die Beurteilung insoweit auch nicht von einem falschen Sachverhalt ausgehen. Abgestellt wird in der Begründung der Beurteilung nicht auf quantitative, sondern auf qualitative Defizite.

28d) Die Bewertung der Belastbarkeit des Klägers im Befähigungsprofil mit A (= schwächer ausgeprägt) ist ein Werturteil, das unter Berücksichtigung der nicht nur den Kläger betreffenden Personalknappheit in dem betreffenden Arbeitsbereich getroffen worden ist. Ein unzutreffender Sachverhalt - oder auch eine sachfremde Erwägung - ist nicht erkennbar.

295. Die Regelbeurteilung vom enthält auch keine sachfremden oder sonst willkürlichen Erwägungen.

30Dies gilt zunächst für die Beibehaltung der Einzelbewertungen und des Gesamturteils trotz Änderung des Begründungstextes. Ein Abweichen von einer rechtswidrigen und aufgehobenen, damit rechtlich nicht mehr existenten dienstlichen Beurteilung löst keinen Plausibilisierungsbedarf aus ( 2 A 10.17 - BVerwGE 161, 240 Rn. 39). Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die aufgehobene Berücksichtigung des Zeitraums im Probebeamtenverhältnis auch in der abschließenden Fassung noch "fortgewirkt" hätte (vgl. hierzu 2 A 7.22 - juris Rn. 49 f.) und die Beibehaltung der Einzelnoten und des Gesamturteils Ausdruck eines schon feststehenden Ergebnisses wäre. Die Korrektur eines in der vorangegangenen Fassung erkannten Fehlers führt nicht zwingend zu einer Anhebung des vergebenen Gesamturteils in der korrigierten dienstlichen Beurteilung.

31Auch soweit der Kläger rügt, dass nicht nachvollziehbar sei, wie der Erstbeurteiler ohne Arabischkenntnisse beurteilen könne, inwieweit er - der Kläger - seine Sprachkenntnisse gewinnbringend bei der Erledigung der ihm obliegenden Aufgaben eingesetzt habe, ist damit kein Beurteilungsfehler aufgezeigt. In der Begründung des Gesamturteils ist insoweit ausgeführt, dass "trotz der durch die sehr gut ausgeprägte Sprachbegabung im regionalen Zuständigkeitsbereich eigentlich gegebene kulturelle Zugangsmöglichkeit [...] die erstellten Produkte wie Berichterstattung oder auch Vorträge durchgängig nicht ohne sehr substanzielle Korrektur nutzbar [waren]". In seiner Stellungnahme zur Widerspruchsbegründung des Klägers führte der Erstbeurteiler insoweit plausibel aus, dass es nicht um die Fähigkeit gehe, Arabisch in Wort und Schrift zur Anwendung zu bringen, sondern um den über die Sprache möglichen kulturellen Zugang und damit um die Möglichkeit, die Zielregion durch die jeweilige "Brille" zu sehen. Entsprechend hat er sich in der mündlichen Verhandlung geäußert. Das lässt einen Beurteilungsfehler nicht erkennen.

326. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2024:010224U2A1.23.0

Fundstelle(n):
IAAAJ-65007