Online-Nachricht - Freitag, 12.04.2024

Stromsteuer | Stromsteuerbefreiung bei räumlich voneinander entfernten Erzeugungsanlagen (FG)

Im Stromsteuerrecht ist von einem funktionsbezogenen Anlagenbegriff auszugehen und nicht allein auf den Anlagenstandort abzustellen ( VSt).

Hintergrund: Von der Steuer ist u.a. Strom befreit, der in Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von mehr als zwei Megawatt aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt und vom Betreiber der Anlage am Ort der Erzeugung zum Selbstverbrauch entnommen wird, § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG n.F.

Sachverhalt: Die Klägerin sammelte …-Reste ein und entsorgte diese. Die nach der Zerkleinerung der Reste entstehende Biomasse wurde zu Biogasanlagen verbracht, welche die Klägerin an verschiedenen Standorten betrieb. Durch die Vergärung der Biomasse gewann die Klägerin Biogas, das sie zur Erzeugung von Strom verwendete.

In den Jahren 2018 und 2019 entnahm die Klägerin den von ihr erzeugten Strom an dem jeweiligen Standort ihrer Anlagen zum Selbstverbrauch. Ferner leistete sie den Strom an Letztverbraucher, die den Strom auf dem Betriebsgelände der jeweiligen Anlage dem dort von ihr unterhaltenen Netz entnahmen. Darüber hinaus speiste die Klägerin den überschüssigen Strom im Wege der Direktvermarktung in das allgemeine Versorgungsnetz ein. Die Klägerin meldete beim beklagten Hauptzollamt jeweils im Folgejahr die Strommengen an, die sie ihrer Ansicht nach steuerfrei entnommen und geleistet hatte. Der Beklagte folgte den Anmeldungen der Klägerin nicht und setzte für 2018 und 2019 entsprechende Stromsteuern fest.

Zur Begründung führte er aus, dass der Klägerin keine Steuerbefreiung zustehe, u.a. weil der Strom nicht aus einem ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren Energieträgern gespeisten Netz oder einer entsprechenden Leitung entnommen worden sei. Daneben sei der Strom nicht in drei Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von höchstens zwei Megawatt erzeugt worden, denn drei der Anlagen seien wegen ihrer Fernsteuerbarkeit als eine Anlage zur Stromerzeugung anzusehen. Hinsichtlich des in diesen Anlagen im zweiten Halbjahr 2019 erzeugten Stroms gelte die Steuerbefreiung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Stromsteuergesetz in der ab geltenden Fassung (StromStG n.F.) nicht, weil diese Anlagen nicht eine elektrische Nennleistung von jeweils mehr als zwei Megawatt gehabt hätten.

Im Klageverfahren argumentierte die Klägerin, dass der Bezug von Zusatzstrom aus dem allgemeinen Versorgungsnetz nur sehr selten und geringfügig erfolgt sei. Daneben seien die Anlagen an zwei Standorten tatsächlich nicht zentral gesteuert worden. Jedenfalls habe sie hinsichtlich des im zweiten Kalenderjahr 2019 zum Selbstverbrauch entnommenen Stroms nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG n.F. einen Anspruch auf eine Befreiung von der Steuer.

Das FG Düsseldorf gab der Klage hinsichtlich des im zweiten Kalenderjahr 2019 mit den drei Anlagen erzeugten sowie entnommenen Stroms statt:

  • Der Klägerin stehen die Steuerbefreiungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG a.F. und nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG im Streitzeitraum nicht zu. Sie kann sich jedoch für den Zeitraum vom bis zum auf die Befreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG n.F. für den mit den drei Anlagen erzeugten sowie entnommenen Strom berufen.

  • Diese Anlagen haben in diesem Zeitraum zwar für sich genommen eine elektrische Nennleistung von weniger als jeweils zwei Megawatt gehabt. Jedoch sind die Nennleistungen der von der Klägerin betriebenen Stromerzeugungseinheiten für Zwecke des § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG n.F. als eine Anlage zu betrachten.

  • Im Stromsteuerrecht ist von einem funktionsbezogenen Anlagenbegriff auszugehen, der eine isolierte Betrachtung einzelner Stromerzeugungseinheiten verbietet.

  • Danach ist auf die Gesamtheit der technischen Einrichtungen und auf den Funktionszusammenhang - nicht aber auf eine standortbezogene Betrachtung - abzustellen.

Hinweis:

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Beklagte hat unter dem Az. VII R 5/24 Revision beim BFH eingelegt. Der Volltext der Entscheidung ist in der Rechtsprechungsdatenbank des Landes NRW veröffentlicht.

Quelle: FG Düsseldorf, Newsletter April 2024 (il)

Fundstelle(n):
NWB HAAAJ-64887