BGH Urteil v. - VII ZR 171/22

Notwendigkeit der Zurückverweisung wegen Verfahrensfehlers; Ersatz von Mehrkosten aufgrund gekündigten Bauvertrags

Leitsatz

§ 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO lässt im Falle eines in der ersten Instanz unterlaufenen Verfahrensfehlers, zu dem auch die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des erstinstanzlichen Gerichts zählt, eine Zurückverweisung der Sache an das Landgericht grundsätzlich nur dann zu, wenn aufgrund des Verfahrensmangels außerdem eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist (Anschluss an , NJW 2008, 1672).

Gesetze: Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 348 Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst c ZPO, § 348a Abs 1 ZPO, § 538 Abs 1 ZPO, § 538 Abs 2 S 1 Nr 1 ZPO, § 547 Nr 1 ZPO, § 72a Abs 1 Nr 2 GVG, § 5 Abs 4 Alt 1 BMVBS-B15-20060627-KF, § 8 Abs 3 Nr 1 S 2 BMVBS-B15-20060627-KF, § 8 Abs 3 Nr 2 S 1 BMVBS-B15-20060627-KF

Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 21 U 84/21 Urteilvorgehend LG Wiesbaden Az: 5 O 145/19 Urteil

Tatbestand

1Die Klägerin verlangt vom Beklagten Ersatz von Mehrkosten nach mehreren Teilkündigungen des zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrags über die Ausführung von Bodenbelagsarbeiten.

2Die Klägerin errichtete das R.                   in W.         . Mit Auftragsschreiben vom beauftragte sie den Beklagten auf der Grundlage eines entsprechenden Leistungsverzeichnisses und unter Einbeziehung der VOB/B mit diversen Bodenbelagsarbeiten, Parkettverlegearbeiten in Halle 2 und Parkett-, Linoleum- und Teppichverlegearbeiten in Halle 1 der Gebäude.

3Nachdem der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom mitgeteilt hatte, dass er bis spätestens zum , dem im Terminplan genannten Beginn für die Bodenbelagsarbeiten, mit der Bauausführung beginnen werde, erschien er zu dem angegebenen Termin nicht auf der Baustelle. Mit Schreiben vom meldete er Bedenken bezüglich der Ausführung der Leistungen im Hinblick auf eine zu hohe Restfeuchte des Estrichs an. Mit Schreiben vom forderte die Klägerin den Beklagten erfolglos auf, mit den Bodenbelagsarbeiten im Bereich der Säle in Halle 2 mit Frist bis zum zu beginnen. Die von der Klägerin beauftragte Architekten-Ingenieurgesellschaft B.   (im Folgenden nur: B.  ) teilte am ihre Messergebnisse bezüglich des Estrichs mit und stellte die Belegreife fest. Mit Schreiben vom forderte die Klägerin den Beklagten erneut auf, bis zum11. August 2017 mit den Bodenbelagsarbeiten in Halle 2 zu beginnen und die Arbeiten bis zum fertigzustellen. Darin wies sie die Bedenkenanmeldung des Beklagten wegen zu hoher Restfeuchte des Estrichs unter Hinweis auf die Messergebnisse der B.   zurück. Mit weiterem Schreiben vom setzte die Klägerin dem Beklagten eine weitere Frist für den Beginn der Verlegearbeiten und zur Lieferung des Eichenparketts für die Säle der Halle 2 bis zum unter Hinweis auf die bestehende Belegreife. Für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs kündigte die Klägerin an, den Vertrag insoweit zu kündigen und eine Drittfirma mit den Arbeiten zu beauftragen. Der Beklagte meldete mit Schreiben vom erneut Bedenken gegenüber der Ausführung der Arbeiten an. Mit Schreiben vom wies die Klägerin diese zurück und kündigte den Vertrag mit dem Beklagten in Bezug auf die Parkettarbeiten in den Sälen der Halle 2.

4Mit Schreiben vom aktualisierte die Klägerin gegenüber dem Beklagten die vereinbarten Ausführungstermine bezüglich der noch ausstehenden Arbeiten, denen der Beklagte mit Schreiben vom zustimmte.

5Nachdem es zu Verzögerungen hinsichtlich der Bodenbelagsarbeiten in Halle 1 (Parkett in Salons) gekommen war, forderte die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom auf, mit den Arbeiten bis spätestens zum zu beginnen und diese bis zum fertigzustellen. Zugleich kündigte die Klägerin an, dem Beklagten im Falle des fruchtlosen Fristablaufs den Auftrag zu entziehen. Nachdem der Beklagte erneut Bedenken wegen bestehender Restfeuchte angemeldet hatte, kündigte die Klägerin mit Schreiben vom den Vertrag hinsichtlich der restlichen Parkettarbeiten in Halle 1.

6Ferner setzte sie dem Beklagten mit Schreiben vom gleichen Tag eine Nachfrist bis zum , um mit Verlegearbeiten hinsichtlich des Teppichs und des Linoleums in Halle 1 (break out Räume und Büros) zu beginnen, und drohte die Entziehung des Auftrags an. Nachdem die gesetzte Frist fruchtlos verstrichen war, kündigte sie den Vertrag gegenüber dem Beklagten mit Schreiben vom auch hinsichtlich dieser Arbeiten.

7Mit Schreiben vom setzte sie dem Beklagten eine weitere Frist für die Vornahme der Bodenarbeiten im Bereich Backstage, Lager und Technikräume bis zum , die der Beklagte nicht einhielt. Nachdem der Beklagte das Verhalten der Klägerin gerügt und Baubehinderungen angezeigt hatte, kündigte die Klägerin den Vertrag hinsichtlich der genannten Arbeiten mit Schreiben vom .

8Hinsichtlich der verbleibenden Restarbeiten, Linoleumboden in Halle 2 sowie weiterer Kleinflächen in Halle 2, setzte die Klägerin dem Beklagten für den Beginn der Arbeiten eine Nachfrist bis zum und kündigte den Vertrag nach erfolglosem Fristablauf auch insoweit mit Schreiben vom17. November 2017.

9Die Klägerin beauftragte anschließend verschiedene Drittunternehmer mit den nicht ausgeführten Arbeiten. Sie behauptet unter Vorlage einer Rechnungsaufstellung (Anlage K 8), ihr seien dadurch Mehrkosten in Höhe von insgesamt 155.032,23 € entstanden. Die Arbeiten seien ausgeführt und von ihr bezahlt worden. Nach Abzug eines in einem vorausgegangenen Mahnverfahren mit Vollstreckungsbescheid gegenüber dem Beklagten titulierten Betrags in Höhe von 58.042,64 €, dem das Abrechnungsschreiben vom zugrunde liegt, stehe ihr noch ein Anspruch in Höhe von 96.980,68 € zu. Dieser ist Gegenstand der Klage.

10Das Landgericht hat nach Übertragung der Sache auf den Einzelrichter mit Beschluss vom , der nur von zwei Mitgliedern der Kammer unterzeichnet worden ist, der Klage bis auf einen Teil des geltend gemachten Zinsanspruchs in voller Höhe stattgegeben. Die Berufung des Beklagten, mit der er die Abweisung der Klage erstrebt hat, ist ohne Erfolg geblieben.

11Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision möchte der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.

Gründe

12Die Revision des Beklagten ist unbegründet.

I.

13Das Berufungsgericht, dessen Urteil unter anderem in BauR 2023, 93 veröffentlicht ist, hat zur Begründung der Entscheidung - soweit für die Revision von Interesse - Folgendes ausgeführt:

14Das Landgericht habe im Ergebnis zu Recht und mit zutreffender Begründung, die sich das Gericht ergänzend zu eigen mache, den Beklagten zur Zahlung in Höhe von 96.980,68 € verurteilt. Der Klägerin stehe gegen den Beklagten ein Anspruch auf Ersatz der ihr entstandenen Mehrkosten aus § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2, Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VOB/B i. V. mit § 5 Abs. 4 Fall 1 sowie § 5 Abs. 4 Fall 3, Abs. 3 VOB/B zu. Denn die Klägerin habe aufgrund des jeweils fruchtlos verstrichenen Baubeginns außerordentliche Teilkündigungen aussprechen dürfen. Insbesondere habe dem Beklagten nach den ausdrücklichen Anweisungen der Klägerin zur Aufnahme der Arbeiten kein Leistungsverweigerungsrecht zur Seite gestanden, ohne dass es auf die Höhe der Restfeuchte oder des Vorhandenseins von Schüsselungen ankäme. Nach den ausdrücklichen und nachhaltigen Hinweisen der Klägerin sei die Haftung des Beklagten für die aus den Anweisungen resultierenden Mängel entfallen.

15Der Beklagte habe innerhalb der gesetzten Fristen mit den ihm obliegenden Arbeiten nicht begonnen. Auf die Gültigkeit des Ausführungsplans komme es nicht an. Denn aufgrund der Zusage des Beklagten, mit den Arbeiten am zu beginnen, beziehungsweise mit der nach Vorlage des geänderten Terminplans erfolgten Zusage des Beklagten vom , mit den Arbeiten fristgerecht zu beginnen, hätten sich die Parteien auf diese Fristen für den Beginn der Arbeiten geeinigt. Der Beklagte sei der Behauptung der Klägerin, er habe keinerlei Arbeiten bis zum Ablauf der jeweils gesetzten Nachfristen durchgeführt, nicht entgegengetreten. Ein Verschulden werde regelmäßig vermutet. Es habe dem Beklagten oblegen, Gründe für sein fehlendes Verschulden vorzutragen.

16Ferner vermöge der Beklagte mit seinen gegen die Anspruchshöhe gerichteten Angriffen nicht durchzudringen. Soweit der Beklagte insoweit eine Überraschungsentscheidung des erstinstanzlichen Gerichts rüge, versäume er bereits, näher darzulegen, was er auf einen entsprechenden Hinweis hin vorgetragen hätte. Dann aber bleibe es bei der zutreffenden Feststellung des Landgerichts, der Beklagte habe die nachvollziehbar dargestellten Mehrkosten der Klägerin nicht substantiiert bestritten, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre. Dabei fehle es dem Vortrag der Klägerin auch nicht an einer Nachvollziehbarkeit, weil die Klägerin vorgerichtlich einen niedrigeren Schaden geltend gemacht habe.

17Eine Aufhebung und Zurückverweisung des Verfahrens an das Landgericht komme nicht in Betracht. Zwar sei das angefochtene Urteil entgegen den gesetzlichen Vorschriften vom Einzelrichter und nicht von der Kammer gefasst worden. Der Verstoß gegen den gesetzlichen Richter sei von Amts wegen zu berücksichtigen. Er sei dadurch begründet, dass gemäß § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. c ZPO grundsätzlich die Zuständigkeit der Kammer gegeben sei, hingegen der Einzelrichter entschieden habe. Zwar habe die Kammer einen Übertragungsbeschluss auf den Einzelrichter gemäß § 348a Abs. 1 ZPO gefasst. Den Beschluss hätten aber nur zwei von drei Kammermitgliedern unterschrieben. Der Übertragungsbeschluss sei aus diesem Grund nicht wirksam geworden. Die fehlende Unterschrift sei auch nicht mehr nachholbar.

18Eine Zurückverweisung der Sache an das Landgericht komme schon deswegen nicht in Betracht, weil das Verfahren entscheidungsreif sei. Auch die Systematik der Vorschrift spreche gegen eine Aufhebung und Zurückverweisung. Denn das Gesetz sehe in den weiteren Fällen des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 7 ZPO eine Zurückverweisung auch dann vor, wenn keine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme erforderlich sei. Gleichwohl habe der Gesetzgeber den Fall des Verstoßes gegen den gesetzlichen Richter nicht einem solchen Fall gleichgestellt. Vielmehr gehe das Gesetz gemäß § 538 Abs. 1 ZPO im Grundsatz davon aus, dass das Berufungsgericht die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden habe.

19Das Berufungsgericht habe die erstinstanzlichen Verfahrens- und Entscheidungsmängel grundsätzlich selbst zu beheben. Ziel sei es, den Aufwand einer mehrfachen Bearbeitung gering zu halten und Verfahrensverzögerungen durch Hin- und Herschieben von Fällen zwischen den Instanzen zu vermeiden. Entsprechend sei der Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift des § 538 Abs. 2 ZPO eng zu gestalten.

20Auch der Umstand, dass der Verfahrensfehler zu einer nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des erkennenden Gerichts und damit zu einem absoluten Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 ZPO geführt habe, erfordere keine Aufhebung und Zurückverweisung. Das Vorliegen eines absoluten Revisionsgrunds führe nicht zwingend zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache, wie etwa ein Verstoß gegen § 547 Nr. 6 ZPO zeige. Die gegenteilige Auffassung des Oberlandesgerichts Koblenz (MDR 2011, 1257) überzeuge nicht.

II.

21Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

22Die Klägerin kann von dem Beklagten die ihr infolge der Teilkündigungen entstandenen Mehrkosten in Höhe von 96.980,68 € gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2, Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VOB/B i. V. mit § 5 Abs. 4 Fall 1 VOB/B erstattet verlangen.

231. Die Klägerin hat den Vertrag mit dem Beklagten vom über die Ausführung von Bodenbelagsarbeiten durch die von ihr ausgesprochenen Teilkündigungen gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 VOB/B i.V.m. § 5 Abs. 4 Fall 1 VOB/B insgesamt wirksam gekündigt.

24Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hatten die Parteien für alle in verschiedenen Teilbereichen der Gebäude zu erbringenden Leistungen verbindliche Vertragsfristen für den Beginn der Ausführung vereinbart, zu denen der Beklagte mit den ihm obliegenden Arbeiten nicht begonnen hat. Die Klägerin hat dem Beklagten unstreitig vor jeder einzelnen Teilkündigung erfolglos eine Frist zur Vertragserfüllung gesetzt, verbunden mit der Androhung einer Kündigung des Auftrags.

25Dem Beklagten stand entgegen der Auffassung der Revision kein Leistungsverweigerungsrecht zu, weil der Estrich jeweils eine zu hohe Restfeuchtigkeit aufwies. Der Beklagte hatte gegenüber der Klägerin insoweit zwar mehrfach schriftlich Bedenken gegen die Ausführung der Leistung gemäß § 4 Abs. 3 VOB/B mitgeteilt. Ein Leistungsverweigerungsrecht scheidet, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, jedoch deswegen aus, weil die Klägerin den Beklagten jeweils ausdrücklich angewiesen hatte, mit den Arbeiten zu beginnen. Die Klägerin hat danach das Risiko einer mangelhaften Ausführung, die auf einer zu hohen Restfeuchtigkeit beruhte, übernommen. Die Angriffe der Revision gegen die dahingehende Auslegung der Erklärung der Klägerin im Schreiben vom durch das Berufungsgericht greifen nicht durch. Ein Ausnahmefall, der den Beklagten berechtigte, die Ausführung der Leistung trotz der von der Klägerin ausgesprochenen ausdrücklichen Anweisung, die Leistung vorzunehmen, und der vorliegenden Haftungsübernahmeerklärung zu verweigern (vgl. dazu nur: Ingenstau/Korbion/Oppler, VOB Teile A und B, 22. Aufl., § 4 Abs. 1 VOB/B Rn. 87 m.w.N.), liegt nicht vor. Die vom Beklagten in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft, sie jedoch nicht für durchgreifend erachtet, § 564 Satz 1 ZPO.

26Die Annahme des Berufungsgerichts, die jeweils auf bestimmte Teile des Auftrags beschränkten Teilkündigungen seien wirksam, begegnet auch im Übrigen keinen rechtlichen Bedenken und wird insoweit von der Revision nicht angegriffen. Es kann daher dahinstehen, ob hinsichtlich der Bodenarbeiten im Bereich der Säle im 2. Obergeschoss in Halle 2 auch der Kündigungsgrund nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 VOB/B i.V.m. § 5 Abs. 4 Fall 3, Abs. 3 VOB/B erfüllt ist.

272. Die Klägerin hat den mit der Klage geltend gemachten Mehrkostenerstattungsanspruch entgegen der Auffassung der Revision hinreichend dargelegt.

28Die Klägerin ist, nachdem der mit dem Beklagten geschlossene Bauvertrag durch mehrere Teilkündigungen insgesamt beendet worden ist, nicht verpflichtet gewesen, den auf Erstattung der infolge der Kündigungen entstandenen Mehrkosten gerichteten Anspruch hinsichtlich der jeweils ausgesprochenen Teilkündigungen im Einzelnen aufzuschlüsseln. Es ist zur bestimmten Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ausreichend, die infolge der Beendigung des Vertrags infolge der Kündigungen entstandenen Mehrkosten - unter Berücksichtigung der im Vorprozess bereits titulierten Forderung - insgesamt darzulegen. Eine Zuordnung der Mehrkosten zu den durch die einzelnen Teilkündigungen jeweils ausgelösten Leistungen der Drittunternehmer wäre nur erforderlich, wenn die Klägerin - was nicht der Fall ist - lediglich eine Teilforderung geltend machen würde.

29Diesen Anforderungen genügt der Klägervortrag. Die Klägerin hat die ihr durch die Beauftragung von Drittunternehmern für die Ausführung der von dem Beklagten noch zu erbringenden Leistungen entstandenen Kosten im Einzelnen dargelegt und hiervon die von dem Beklagten hierfür nach dem Vertrag zu beanspruchende Vergütung in Abzug gebracht. Aus der von der Klägerin vorgelegten Rechnungsaufstellung Anlage K 8 ist in hinreichender Weise zu ersehen, welche Kostenpositionen aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag mit den von den Drittunternehmern in Rechnung gestellten Kosten korrespondieren.

30Die im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachte Forderung auf Erstattung der infolge der Kündigung entstandenen Mehrkosten ist auch hinreichend von der im Vorprozess geltend gemachten Forderung in Höhe von 58.042,64 €, über die rechtskräftig entschieden worden ist, abgegrenzt. Die Klägerin hat sich zur Berechnung der ihr insgesamt entstandenen Mehrkosten auf die von den Drittunternehmern in Rechnung gestellten Kosten gestützt, die sich mit den Kosten decken, die bereits zur Berechnung der Mehrkosten herangezogen wurden, die Gegenstand des Vorprozesses gewesen sind. Die Klägerin hat danach die mit der Klage begehrten Mehrkosten jeweils auf derselben Grundlage berechnet. Lediglich die Abzüge, die im Hinblick auf die von dem Beklagten nach dem Vertrag zu beanspruchende Vergütung vorzunehmen sind, differieren. Die im Vorprozess titulierte Teilforderung stellt sich danach als Teil der von der Klägerin insgesamt errechneten Erstattungsforderung wegen der ihr durch die Kündigungen entstandenen Mehrkosten dar und ist daher von den errechneten Mehrkosten über insgesamt 155.032,23 € in Abzug zu bringen.

31Soweit die Klägerin zur Berechnung der im Vorprozess geltend gemachten Forderung über insgesamt 58.042,64 € zugunsten des Beklagten teils höhere Abzüge vorgenommen hat, als sie ihrer abschließenden Forderungsberechnung zugrunde gelegt hat, begegnet die durch die nunmehr geltend gemachte Klageforderung vorgenommene teilweise Erweiterung des Anspruchs hinsichtlich der durch die erste Teilkündigung entstandenen Mehrkosten keinen rechtlichen Bedenken. Bei der im Vorprozess geltend gemachten Erstattungsforderung handelte es sich um eine durch das Schreiben der Klägerin an den Beklagten vom detailliert dargelegte Teilforderung auf der Grundlage einer von einem Drittunternehmer erteilten Abschlagsrechnung, die Nachforderungen der Klägerin nicht ausschloss.

32Soweit die Klägerin den im Vorprozess titulierten Betrag in Höhe von 58.042,64 € in voller Höhe von dem von ihr errechneten Mehrkostenbetrag in Höhe von 155.032,23 € in Abzug gebracht hat, auch wenn die bereits titulierte Forderung in dieser Höhe nicht vollständig in die Berechnung der nunmehr errechneten Mehrkosten mit eingeflossen ist, beeinträchtigt dies die Schlüssigkeit der Darlegung nicht. Im Übrigen wirkt sich dies lediglich zugunsten des Beklagten aus.

333. Das Berufungsgericht war befugt, in der Sache selbst zu entscheiden.

34a) Es kann dahinstehen, ob die Zivilkammer des Landgerichts am wirksam einen Beschluss gemäß § 348a Abs. 1 ZPO gefasst hat, mit dem der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden ist.

35aa) Allerdings war nach § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. c ZPO die Kammer zur Entscheidung berufen, weil es sich um eine Streitigkeit aus einem Bauvertrag handelte, für die nach § 72a Abs. 1 Nr. 2 GVG Spezialkammern bei den Landgerichten bestehen. Gemäß § 348a Abs. 1 ZPO kann die Zuständigkeit des Einzelrichters begründet werden, wenn die Kammer die Sache durch Beschluss auf den Einzelrichter überträgt.

36bb) Eine Beschlussfassung gemäß § 348a Abs. 1 ZPO setzt indes eine entsprechende interne Willensbildung der vollbesetzten Zivilkammer voraus, deren Vorliegen vom Gericht von Amts wegen zu prüfen ist. Diese Prüfung hat das Berufungsgericht nicht hinreichend vorgenommen. Aus dem bei den Akten befindlichen schriftlichen Originalbeschluss, auf dem sich lediglich die Unterschriften der Vorsitzenden der Kammer und eines Beisitzers befinden, geht nicht ohne weiteres hervor, ob dem Beschluss eine entsprechende Willensbildung der vollbesetzten Zivilkammer zugrunde lag.

37Dies bedarf jedoch ebenso wenig einer Klärung wie eine Entscheidung der vom Berufungsgericht erörterten Fragen notwendig ist, ob eine Übertragung der Sache auf den Einzelrichter nach § 348a Abs. 1 ZPO formwirksam nur durcheinen von sämtlichen Kammermitgliedern unterschriebenen Beschluss erfolgen konnte und ob die Nachholung der fehlenden Unterschrift eines Beisitzers im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht noch möglich gewesen wäre.

38b) Selbst wenn unterstellt wird, dass mangels wirksamer Übertragung der Sache auf den Einzelrichter die angefochtene Entscheidung des Landgerichts nicht von dem gesetzlich zur Entscheidung berufenen Richter getroffen worden ist (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), war eine Zurückverweisung der Sache an das Landgericht gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO nicht geboten.

39aa) § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO lässt im Falle eines in der ersten Instanz unterlaufenen Verfahrensfehlers, zu dem auch die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des erstinstanzlichen Gerichts zählt (vgl. , NJW 2008, 1672), eine Zurückverweisung der Sache an das Landgericht grundsätzlich nur dann zu, wenn aufgrund des Verfahrensmangels außerdem eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Ein in erster Instanz unterlaufener Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zwingt allerdings ausnahmsweise - ungeachtet der weiteren in § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO genannten Voraussetzungen - dann zur Zurückverweisung der Sache an das erstinstanzliche Gericht, wenn das erstinstanzliche Verfahren überhaupt keine Grundlage für das Berufungsverfahren darstellen kann (vgl. , NJW 2008, 1672; , juris Rn. 24 ff.). Ein solcher Ausnahmefall liegt nicht schon mit Blick auf § 547 Nr. 1 ZPO vor, weil erkennendes Gericht - wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat (vgl. Rn. 7, RdL 2023, 157 sowie Urteil vom - IVb ZR 54/85, MDR 1987, 40, juris Rn. 11; Urteil vom - V ZR 232/56, NJW 1958, 1398 zu § 551 Ziff. 1 ZPO a.F.) - nur das Berufungsgericht ist, dessen Entscheidung mit der Revision angegriffen wird.

40bb) Nach diesen Maßstäben war eine Zurückverweisung der Sache durch das Berufungsgericht an das Landgericht gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO nicht geboten.

41(1) Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, die Voraussetzung für eine Zurückverweisung der Sache an das Landgericht nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO, dass aufgrund des Verfahrensfehlers eine umfangreiche oder aufwendige Beweisaufnahme erforderlich sei, liege nicht vor; der Rechtsstreit sei vielmehr zur Entscheidung reif. Dies stellt auch die Revision nicht in Frage.

42(2) Das Berufungsgericht selbst, das durch drei seiner Mitglieder entschieden hat, war bei der angefochtenen Entscheidung vorschriftsmäßig besetzt. Da es eine eigene Sachentscheidung unter Würdigung der vom Landgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen getroffen und sich nicht lediglich auf die Übernahme der Feststellungen des Einzelrichters beim Landgericht beschränkt hat, ist das Berufungsurteil auch nicht durch eine etwaige fehlerhafte Besetzung des Landgerichts beeinflusst worden (vgl. Rn. 7, RdL 2023, 157; Urteil vom - IVb ZR 54/85, MDR 1987, 40, juris Rn. 11).

43(3) Entgegen der Auffassung der Revision fehlt es nicht überhaupt an einer Grundlage für das Berufungsverfahren (a.A. , MDR 2011, 1257, juris Rn. 9). Das Berufungsgericht war aufgrund der vom Landgericht getroffenen Feststellungen in der Lage, unter selbständiger Würdigung der festgestellten Tatsachen eine Entscheidung in der Sache zu treffen. Die Zurückverweisung an das Erstgericht soll nach der Konzeption des Gesetzgebers ein Ausnahmefall bleiben (vgl. BT-Drucks. 14/4722, S. 102). Das Berufungsgericht hat nach § 538 Abs. 1 ZPO grundsätzlich die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden. Die Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung an das Gericht erster Instanz ist deshalb für den Fall, dass das Verfahren im ersten Rechtszug an einem wesentlichen Mangel leidet (§ 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO), nur geboten, wenn eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme durch oder infolge der Korrektur des wesentlichen Verfahrensmangels zu erwarten ist (vgl. Rn. 19, MDR 2016, 1044; , juris Rn. 25), in deren Folge die Durchführung des Verfahrens in der Berufungsinstanz ausnahmsweise zu noch größeren Nachteilen führen würde als die Zurückverweisung der Sache an das erstinstanzliche Gericht (vgl. Rn. 17, BGHZ 222, 44; Urteil vom - V ZR 196/14 Rn. 19, MDR 2016, 1044; Versäumnisurteil vom - VII ZR 270/03, BauR 2005, 590 = NZBau 2005, 224, juris Rn. 23).

III.

44Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:010224UVIIZR171.22.0

Fundstelle(n):
BAAAJ-64461