Online-Nachricht - Freitag, 05.04.2024

Verfahrensrecht/Corona | Festsetzung von Verspätungszuschlägen für die verspätete Abgabe der Einkommensteuererklärungen 2018 und 2019 (FG)

Bei verspäteter Abgabe der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2019 kann wegen der gesetzlich verlängerten Abgabefrist (aufgrund der Corona-Pandemie) ein Verspätungszuschlag nach Ablauf der gesetzlich verlängerten Abgabefrist nicht nach § 152 Abs. 2 AO - sondern allenfalls nach § 152 Abs. 1 AO - festgesetzt werden (, Revision anhängig, BFH-Az. VI R 2/24)

Sachverhalt: Die Kläger hatten ihre Einkommensteuererklärungen für 2018 und 2019 unstreitig nach Ablauf der Abgabefristen eingereicht. Problematisch war hier, dass aufgrund der Corona-Pandemie für die Veranlagungszeiträume 2018 und 2019 Sonderregelungen bzw. -vereinbarungen im Hinblick auf die Abgabefristen des § 149 AO und den Umgang mit Fristverlängerungsanträgen bestanden. Für das Jahr 2018 haben nach Erörterungen auf Bund-Länder-Ebene von behördlicher Seite insoweit keine Bedenken bestanden, Fristverlängerungsanträgen von Angehörigen der steuerberatenden Berufe rückwirkend bis zum (Pfingstsonntag) zu entsprechen. Eine Verschuldensprüfung (im Sinne des § 152 Abs. 1 AO) durfte in diesen Fällen unterbleiben. Für das Jahr 2019 hat der Gesetzgeber die Abgabefrist des § 149 Abs. 3 AO mit Art. 97 § 36 Abs. 1 EGAO dahingehend modifiziert, dass eine Abgabe bis zum als rechtzeitig gelten sollte.

Die Kläger hatten in beiden Jahren auch diese Fristen um mehrere Monate verpasst. Das Finanzamt setzte daraufhin Verspätungszuschläge nach der zwingenden Norm des § 152 Abs. 2 AO fest. Ausdrückliche Anpassungen der gesetzlichen Regelungen für Verspätungszuschläge in § 152 AO waren durch den Gesetzgeber für die Streitjahre nicht getroffen worden (vgl. oben). Im vom Finanzgericht entschiedenen Fall war deshalb umstritten, ob Verspätungszuschläge nach der Ermessensnorm des § 152 Abs. 1 AO oder im Rahmen einer gebundenen Entscheidung nach § 152 Abs. 2 AO festzusetzen waren. Im Rahmen einer Ermessensentscheidung hätte das Finanzamt die auf eine Erkrankung des Klägers gestützten Entschuldigungsgründe berücksichtigen müssen.

Das FG ist dem Finanzamt im Hinblick auf die Festsetzung der Verspätungszuschläge für den Veranlagungszeitraum 2018 gefolgt, die Festsetzung der Verspätungszuschläge für 2019 hat es hingegen aufgehoben:

  • Für 2018 ist § 152 Abs. 3 Nr. 1 AO mangels Vorliegens einer behördlichen (oder gesetzlichen) Verlängerung der Abgabefrist nach Ansicht des Senats nicht einschlägig. Auch eine andere der Rückausnahmen des Abs. 3 greift nicht, Verspätungszuschläge sind daher zwingend nach § 152 Abs. 2 AO festzusetzen.

  • Betreffend 2019 hat der 3. Senat seine Aufhebungsentscheidung darauf gestützt, dass die gesetzliche Abgabefristverlängerung im EGAO „erst recht“ dieselben Folgen wie eine behördliche, individuelle Fristverlängerung haben muss – in beiden Fällen ist die Anwendung des § 152 Abs. 2 AO wegen § 152 Abs. 3 Nr. 1 AO gesperrt.

  • Auch bei Überschreiten der gesetzlich verlängerten Abgabefrist ist die Anwendung des § 152 Abs. 2 AO weiterhin gesperrt und das Finanzamt kann Verspätungszuschläge „nur“ im Wege der Ermessensentscheidung nach § 152 Abs. 1 AO festsetzen – dies ist für die behördliche Fristverlängerung seit Langem ganz herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur.

  • Der Gesetzgeber hat sich offenbar veranlasst gesehen, für die Folgejahre ab 2020 (in denen die Abgabefristen ebenfalls pandemiebedingt gesetzlich verlängert wurden) ausdrücklich zu regeln, wie mit verspäteten Abgaben im Hinblick u.a. auf Verspätungszuschläge umzugehen ist, Art. 97 § 36 Abs. 3 EGAO.

Hinweise:

Das Schleswig-Holsteinische FG hat sich damit in Widerspruch zu Entscheidungen des FG Düsseldorf gesetzt (, EFG 2023, 1669 sowie ).

Die Revision gegen die Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen FG ist beim BFH unter dem Az. VI R 2/24 anhängig.

Quelle: Schleswig-Holsteinisches FG, Newsletter I/2024 (il)

Fundstelle(n):
NWB MAAAJ-64359