Online-Nachricht - Freitag, 05.04.2024

Verfahrensrecht | Freigabe eines Anspruchs nach dem AnfG "zur weiteren Rechtsverfolgung" durch die Behörde nicht vor Beendigung des Insolvenzverfahrens (FG)

Der Insolvenzverwalter kann einen Anspruch nach dem Anfechtungsgesetz nicht vor Beendigung des Insolvenzverfahrens "zur weiteren Rechtsverfolgung" durch die Behörde "freigeben" (, rechtskräftig).

Sachverhalt: Streitig ist, ob durch den Insolvenzverwalter des Schuldners in Anfechtungskonstellationen nach dem Anfechtungsgesetz (AnfG) auf die gerichtliche Verfolgung von Anfechtungsansprüchen zugunsten des Finanzamtes verzichtet werden kann und das Finanzamt sodann die Rechtsverfolgung im Gerichtsverfahren fortführen kann, obwohl das Insolvenzverfahren des Schuldners noch nicht beendet ist:

Die Klägerin hatte sich ursprünglich gegen einen Duldungsbescheid nach § 191 Abs. 1 AO in Verbindung mit § 3 Abs. 2 bzw. § 4 Abs. 1 AnfG gewehrt. Nachdem das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners – der zuvor die von den Duldungsbescheiden betroffenen GbR-Anteile an die Klägerin übertragen hatte – eröffnet worden war, war das Verfahren der Klägerin vor dem FG von Gesetzes wegen unterbrochen. Der Insolvenzverwalter des Schuldners hatte die Wiederaufnahme dieses Verfahrens bisher nicht erklärt. Schließlich schrieb der Insolvenzverwalter des Schuldners an das FA: „Als Insolvenzverwalter über das Vermögen des E erkläre ich hiermit: Insoweit wie die von dem Finanzamt […] erhobenen Anfechtungsansprüche dem Insolvenzbeschlag unterliegen, erteile ich dem Finanzamt [...] die Freigabe zur weiteren Rechtsverfolgung. Ich bin damit einverstanden, dass das Finanzamt […] die Anspruchsverfolgung gegen [die Klägerin] aufgrund des Anfechtungsgesetzes im eigenen Namen weiter betreibt. Diese Erklärung erfolgt mit der Maßgabe, dass der Insolvenzmasse durch die weitere Anspruchsverfolgung keine Kosten entstehen dürfen.“

Die Besonderheit im Streitfall besteht darin, dass der Insolvenzverwalter des Schuldners – unter Beteiligung des Finanzamtes – zuvor zivilrechtlich einen Vergleich geschlossen hatte, der im Verhältnis Insolvenzmasse/Klägerin eine Abgeltung vorsah. Das Finanzamt beantragte darauf bei Gericht, den Stillstand des Verfahrens zu beenden. Fraglich war damit, ob mit einer solchen zivilrechtlichen Vereinbarung die – zumindest im Wortlaut entgegenstehenden – Regelungen zur Prozessunterbrechung und -aufnahme in §§ 17, 18 AnfG umgangen werden können.

Der 3. Senat des FG Schleswig-Holstein hat – im Wege eines Zwischengerichtsbescheids – festgestellt, dass das Verfahren weiterhin unterbrochen ist:

  • Die Regelungen in §§ 17, 18 AnfG, die bei laufendem Insolvenzverfahren eine Aufnahmemöglichkeit des Anfechtungsprozesses nur für den Insolvenzverwalter vorsehen (bzw. für die Beteiligten allenfalls wegen der Kosten), sind ihrem Wortlaut gemäß anzuwenden und nicht – im Wege der teleologischen Auslegung – auf Fälle auszuweiten, in denen der Insolvenzverwalter – gleich aus welchen Gründen und auf welche Art – auf die Verfolgung von Anfechtungsansprüchen, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 16 Abs. 1 AnfG allein ihm obliegt, verzichtet.

  • Dass der Gesetzgeber diese Konstellationen übersehen und versehentlich nicht geregelt hat, ergibt sich nicht ohne Weiteres.

  • Es ist weiter nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber dies im Sinne des Insolvenzverwalters des Schuldners geregelt hat. Es ist nicht Aufgabe des FG, konkludent zu prüfen, ob ein – wie auch immer gearteter – Verzicht auf die Durchsetzung der Anfechtungsrechte des Insolvenzverwalters den insolvenzrechtlichen Vorgaben entspricht und tatsächlich keinerlei Bezug der Anfechtungsansprüche zur Insolvenzmasse mehr besteht.

  • Die gerichtliche Verfolgung dieser Ansprüche bei laufendem Insolvenzverfahren soll ausnahmslos dem Insolvenzverwalter zustehen bzw. von diesem betrieben werden können.

Hinweis:

Die zugelassene und zunächst auch eingelegte Revision (Az. beim BFH: VII R 32/23) ist inzwischen zurückgenommen worden.

Quelle: Schleswig-Holsteinisches FG, Newsletter I/2024 (il)

Fundstelle(n):
NWB EAAAJ-64353