BGH Beschluss v. - V ZB 53/23

Instanzenzug: Az: 20 S 135/22vorgehend AG Langenfeld Az: 11 C 431/20

Gründe

1Das Amtsgericht hat den Beklagten auf Antrag der Klägerin durch Versäumnisurteil zur Erteilung einer Löschungsbewilligung verurteilt. Auf seinen Einspruch ist Termin zur mündlichen Verhandlung auf den bestimmt worden. Der Beklagte hat am die Verlegung des Termins wegen fehlender Akteneinsicht beantragt und mit unmittelbar vor Verhandlungsbeginn eingegangenem Schreiben vom den Richter am Amtsgericht wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das Amtsgericht hat den Einspruch durch den abgelehnten Richter mit zweitem Versäumnisurteil verworfen. Die Berufung des Beklagten hat das Landgericht als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.

II.

2Das Berufungsgericht meint, der Beklagte habe die Berufung nicht ordnungsgemäß begründet. Ein zweites Versäumnisurteil unterliege der Berufung nur insoweit, als sie darauf gestützt werde, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe (§ 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Eine zulässige Berufung setze deshalb die schlüssige Darlegung voraus, dass der Termin nicht schuldhaft versäumt worden sei. Derartige Gründe habe der Beklagte in der Berufungsbegründung nicht dargelegt. Er habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass wegen seines unmittelbar vor dem Verhandlungstermin angebrachten Ablehnungsgesuchs der Termin aufgehoben werde und kein Versäumnisurteil durch den abgelehnten Einzelrichter ergehe (§ 47 Abs. 1 ZPO). Auch die Erwartung, der wegen der Nichtgewährung von Akteneinsicht gestellte Verlegungsantrag werde Erfolg haben, entschuldige nicht das eigenmächtige Fernbleiben vom Termin.

III.

3Die Rechtsbeschwerde ist zwar gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist aber unzulässig, weil es an den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist insbesondere nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Der angefochtene Beschluss verletzt den Beklagten nicht in seinen Verfahrensgrundrechten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) und rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).

41. Das Berufungsgericht hat nicht, wie die Rechtsbeschwerde rügt, den Anspruch des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) dadurch verletzt, dass es die Rüge betreffend die Unzulässigkeit des zweiten Versäumnisurteils durch den abgelehnten Richter übergangen hätte. Den dazu gehaltenen Vortrag des Beklagten hat das Berufungsgericht gewürdigt und rechtsfehlerfrei als zur Begründung der Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil nicht geeignet angesehen (§ 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

5a) Ein (zweites) Versäumnisurteil, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist (§ 345 ZPO), unterliegt der Berufung nur insoweit, als sie darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe (§ 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Eine zulässige Berufung setzt also die schlüssige Darlegung voraus, dass der Termin nicht schuldhaft versäumt worden sei. Wird die fehlende oder unverschuldete Säumnis nicht schlüssig dargelegt, ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen (vgl. , FamRZ 2012, 27 Rn. 5; Beschluss vom - VI ZR 488/14, BGHZ 208, 75 Rn. 5). Nicht schuldhaft ist die Säumnis, wenn die Partei beziehungsweise ihr Prozessvertreter, dessen Verschulden sich die Partei als eigenes zurechnen lassen muss (§ 85 Abs. 2 ZPO), an der Wahrnehmung des Verhandlungstermins unverschuldet verhindert war, mithin die Sorgfalt einer ordentlichen Prozesspartei gewahrt hat (vgl. , NJW 2007, 2047 Rn. 6 mwN; Beschluss vom - VI ZR 488/14, aaO Rn. 9).

6b) Nach diesen Grundsätzen war der Vortrag des Beklagten, das zweite Versäumnisurteil sei wegen Verletzung seines Anspruchs auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 GG), zumindest aber wegen Verstoßes gegen § 47 ZPO unzulässig gewesen, nicht geeignet, die Säumnis zu entschuldigen.

7aa) Der Beklagte durfte nicht davon ausgehen, dass der Termin zur mündlichen Verhandlung am wegen seines unmittelbar davor eingereichten Ablehnungsgesuchs gegen den Richter am Amtsgericht nicht stattfinden werde. Zwar hat gemäß § 47 Abs. 1 ZPO ein abgelehnter Richter vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten. Wird ein Richter während der Verhandlung abgelehnt und würde die Entscheidung über die Ablehnung eine Vertagung der Verhandlung erfordern, so kann der Termin unter Mitwirkung des abgelehnten Richters fortgesetzt werden (§ 47 Abs. 2 ZPO). Aber auch dann, wenn - wie hier - der ordnungsgemäß geladene Beklagte erst unmittelbar vor dem Verhandlungstermin das Ablehnungsgesuch einreicht, darf er sich nicht darauf verlassen, dass der Termin aufgehoben und kein Versäumnisurteil durch den abgelehnten Richter erlassen werde (§ 47 Abs. 1 ZPO; vgl. , BGHZ 208, 75 Rn. 10; Beschluss vom - VII ZB 58/21, NJW-RR 2022, 1361 Rn. 17). Das folgt schon daraus, dass die Partei nach dem gewöhnlichen Geschäftsablauf nicht damit rechnen kann, dass ein unmittelbar vor dem Termin eingereichtes Ablehnungsgesuch dem abgelehnten Richter rechtzeitig bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung (§ 136 Abs. 4 ZPO) vorgelegt wird. Er muss vorsorglich zu dem Termin erscheinen und ggf. sein Ablehnungsgesuch wiederholen.

8bb) Unabhängig davon kann die fehlende oder unverschuldete Säumnis im Sinne des § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht mit der Rüge begründet werden, das Ablehnungsgesuch der säumigen Partei sei fehlerhaft behandelt worden (vgl. , BGHZ 208, 75 Rn. 7 ff. mwN; Beschluss vom - IX ZR 81/17, WM 2018, 445 Rn. 6; Beschluss vom - IV ZB 4/18, juris Rn. 11; Urteil vom - VII ZR 123/18, NJW-RR 2019, 695 Rn. 20). Die Regelung des § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO dient nicht allgemein der Korrektur von Rechtsanwendungsfehlern. Sie stellt eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift dar, die lediglich die Überprüfung ermöglichen soll, ob eine schuldhafte Säumnis tatsächlich vorgelegen hat, mithin die Sanktion des endgültigen Prozessverlustes gerechtfertigt ist. Ansonsten soll sie einer Verschleppung des Rechtsstreits vorbeugen. Eine Anwendung der Vorschrift auch auf den Fall, dass die schuldhaft säumige Partei in der Berufung die unrichtige Behandlung ihrer Ablehnungsgesuche durch das erstinstanzliche Gericht rügt, steht diesem Ziel entgegen (vgl. , BGHZ 208, 75 Rn. 16; Beschluss vom - IX ZR 81/17, WM 2018, 445 Rn. 6).

92. Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, das Berufungsgericht habe sich unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht mit der Frage befasst, ob der Erlass des zweiten Versäumnisurteils wegen der unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht gewährten Akteneinsicht durch das Amtsgericht unzulässig gewesen sei. Auch den darauf bezogenen Vortrag sieht das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei als ungeeignet an, die Säumnis des Beklagten zu entschuldigen. Die Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil kann gemäß § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht auf eine behauptete Gehörsverletzung durch das Amtsgericht, sondern allein auf den Sonderfall der fehlenden oder unverschuldeten Säumnis gestützt werden (vgl. , NJW 1990, 838, 839; Beschluss vom - VI ZR 488/14, BGHZ 208, 75 Rn. 18; Beschluss vom - IX ZR 81/17, WM 2018, 445 Rn. 6; Beschluss vom - IV ZB 5/21, juris Rn. 10).

IV.

10Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Wertfestsetzung entspricht der Festsetzung durch das Berufungsgericht.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:080224BVZB53.23.0

Fundstelle(n):
LAAAJ-64287