BGH Beschluss v. - 2 StR 3/23

Instanzenzug: Az: 2 StR 3/23 Urteilvorgehend LG Erfurt Az: 2 KLs 820 Js 34158/19

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit „unerlaubtem“ Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Außerdem hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen sowie die erweiterte Einziehung von Taterträgen angeordnet. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

21. Die Überprüfung von Schuldspruch, Strafausspruch sowie der Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen hat Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben.

32. Die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB hält dagegen einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

4a) Diese richtet sich nach § 64 StGB in der Fassung des am in Kraft getretenen Gesetzes zur Überarbeitung des Sanktionenrechts (BGBl. I 2023 Nr. 203). Nach § 2 Abs. 6 StGB muss bei Maßregeln der Besserung und Sicherung eine Gesetzesänderung auch vom Revisionsgericht berücksichtigt und grundsätzlich vorbehaltlich einer hier nicht getroffenen Übergangsregelung das neue Recht angewendet werden (§ 354a StPO; vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 390/07; vom – 6 StR 405/23).

5b) Nach § 64 Satz 1 StGB n.F. erfordert der Hang eine Substanzkonsumstörung, infolge derer eine dauernde und schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung, der Gesundheit, der Arbeits- oder der Leistungsfähigkeit eingetreten ist und fortdauert (vgl. BT-Drucks. 20/5913, S. 44, 69). Hierauf muss die rechtswidrige Tat überwiegend zurückgehen; insbesondere in Fällen, in denen Straftaten begangen werden, um – neben dem Drogenkonsum – den eigenen, womöglich aufwendigen Lebensbedarf zu finanzieren, etwa bei einem „Großdealer“, der selbst auch die gehandelte Droge konsumiert, wird die Ursächlichkeit des Hangs abzulehnen sein (BT-Drucks. aaO, S. 47).

6c) Die Urteilsgründe belegen keine Substanzkonsumstörung des Angeklagten mit dauernder und schwerwiegender Beeinträchtigung der Lebensgestaltung. Die Strafkammer nimmt trotz langjährigem regelmäßigen Marihuana- und Kokainkonsums sowie gelegentlichem Konsum weiterer Drogen schon keine Abhängigkeitserkrankung an, sondern geht lediglich von einer „starken Neigung zur Einnahme berauschender Mittel im Übermaß“ aus. Auswirkungen auf die berufliche Tätigkeit des Angeklagten, der bis zum Beginn der Corona-Pandemie seinen Lebensunterhalt selbst verdiente, oder sonstige schwerwiegende Beeinträchtigungen seiner Lebensgestaltung hat das Landgericht nicht festgestellt (vgl. , BGH NStZ-RR 2024, 45).

7d) Ferner ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, dass die Taten überwiegend auf einen Hang des Angeklagten zurückgehen. Danach hat der Angeklagte mit dem Betäubungsmittelhandel und der diesbezüglichen Bunkerhaltung „seinen eigenen Drogenkonsum und sein Leben“ finanziert. Damit ist zwar eine – zum Urteilszeitpunkt für die Unterbringung nach § 64 Satz 1 StGB a.F. ausreichende – Mitursächlichkeit seines erheblichen Konsums für die Straftaten belegt, jedoch lässt sich der Maßregelentscheidung keine Aussage zu der maßgeblichen Frage entnehmen, inwieweit der Drogenkonsum das ausschlaggebende Motiv für die verfahrensgegenständlichen Taten war (vgl. ).

8e) Die Frage der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bedarf somit erneuter Prüfung und Entscheidung. Der Senat hebt auch die zugehörigen Feststellungen auf, um dem Tatgericht widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen.

93. Auch die Anordnung der erweiterten Einziehung von Taterträgen in Höhe von 1.750 € begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

10a) Die Strafkammer hat festgestellt, dass im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung bei dem Angeklagten am 1.750 € sichergestellt wurden und der Angeklagte zu dieser Zeit über keine legalen Einnahmen verfügte. Sie ist deshalb davon ausgegangen, dass er diesen nicht unerheblichen Bargeldbetrag durch andere rechtswidrige Taten oder für diese erlangt hat.

11b) Die auf diese Erwägungen gestützte Einziehungsentscheidung erweist sich als rechtsfehlerhaft.

12Die erweiterte Einziehung von aus nicht verfahrensgegenständlichen Taten erlangten Gegenständen (§ 73a Abs. 1 StGB) setzt voraus, dass diese Vermögenswerte bei der Begehung der Anknüpfungstat im Vermögen des Angeklagten gegenständlich vorhanden waren (st. Rspr.; vgl. , wistra 2023, 209). Abgeschöpft werden kann im Wege der erweiterten Einziehung von Taterträgen nur dasjenige illegal Erlangte, das der Angeklagte zur Tatzeit der abgeurteilten Delikte in seiner Verfügungsgewalt hatte. Das später Erlangte unterfällt § 73a Abs. 1 StGB hingegen nicht.

13Das Landgericht hat diese Maßgaben aus dem Blick verloren und nicht geprüft, ob die nach § 73a Abs. 1 StGB eingezogenen Geldmittel während der mit der Sicherstellung der Betäubungsmittel am beendeten Tat schon gegenständlich im Vermögen des Angeklagten vorhanden waren. Es ergibt sich auch nicht von selbst, dass sich das im Jahre 2020 beschlagnahmte Geld bereits zehn Monate vorher im Vermögen des Angeklagten befand. Eher spricht der Zeitablauf dafür, dass der Angeklagte die Erträge aus anderen rechtswidrigen Taten erst zu einem späteren Zeitpunkt vereinnahmte. Gleichwohl kann der Senat die erweiterte Einziehung nach § 73a Abs. 1 StGB nicht entsprechend § 354 Abs. 1 StPO entfallen lassen. Denn er vermag nicht auszuschließen, dass ein neues Tatgericht noch Feststellungen treffen kann, die eine erweiterte Einziehung des sichergestellten Bargelds in diesem Verfahren rechtfertigen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:111023B2STR3.23.0

Fundstelle(n):
TAAAJ-64267