BGH Urteil v. - VIa ZR 972/22

Instanzenzug: Az: 27 U 1193/22vorgehend LG Augsburg Az: 125 O 915/21

Tatbestand

1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2Er erwarb am für 32.700 € ein von der Beklagten hergestelltes, gebrauchtes Kraftfahrzeug BMW 320d A Touring, das mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der Baureihe N47 (Schadstoffklasse Euro 5) ausgerüstet ist.

3Das Landgericht hat die im Wesentlichen auf Zahlung von Schadensersatz nebst Zinsen, Zahlung von Deliktszinsen, Feststellung des Annahmeverzugs und Freistellung von Rechtsverfolgungskosten gerichtete Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung, mit der der Kläger seine Anträge aus dem ersten Rechtszug, abgesehen von dem Deliktszinsen betreffenden Antrag im Wesentlichen weiterverfolgt hat, ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter.

Gründe

4Die Revision des Klägers hat Erfolg.

I.

5Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

6Der Kläger habe weder ein sittenwidriges Verhalten im Sinne des § 826 BGB noch einen Schädigungsvorsatz der Beklagten schlüssig dargelegt. Das behauptete Thermofenster reiche für sich genommen insofern nicht aus, weil ein Prüfstandsbezug fehle und der Kläger weitere Umstände nicht aufgezeigt habe. Die weitere Abschalteinrichtungen betreffenden Behauptungen habe der Kläger ohne greifbare Anhaltspunkte aufgestellt. Schließlich sei dem Kläger auch kein Schaden entstanden.

7Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV scheitere - neben der fehlenden schlüssigen Darlegung des erforderlichen subjektiven Tatbestands - an dem Schutzgesetzcharakter der zuletzt genannten Bestimmungen.

II.

8Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren teilweise nicht stand.

91. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.

102. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).

11Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

12Ein Anspruch des Klägers auf Ersatz des Differenzschadens gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV kann dabei weder unter Hinweis auf fehlende Darlegungen des Klägers zum subjektiven Tatbestand noch gestützt auf Erwägungen zum Schaden verneint werden. Hinsichtlich des Verschuldens greift eine Vermutung zugunsten des Klägers ein und obliegt dem Fahrzeughersteller die Entlastung. Auch das hat der Senat nach Erlass der angefochtenen Berufungsentscheidung geklärt (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 59 ff.). Geklärt hat der Senat ferner, dass eine Verringerung des objektiven Werts des Kraftfahrzeugs infolge seiner Ausrüstung mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Vergleich zu einem Kraftfahrzeug der betreffenden Baureihe und Motorisierung ohne unzulässige Abschalteinrichtung nicht ohne Verstoß gegen § 287 ZPO verneint werden kann und nach welchen Maßstäben der Differenzschaden zu bestimmen ist ( VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245, Rn. 41 und 71 ff.).

III.

13Die angefochtene Entscheidung ist demnach im beantragten Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil sie sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

14Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen Differenzschaden darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom (VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu den Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:050324UVIAZR972.22.0

Fundstelle(n):
JAAAJ-64120