Yin und Yang bei der Einkommensteuer?
BFH zu Arbeitslohn bei Teilerlass eines Fortbildungsdarlehens
Einnahmen- und Ausgabenseite sind bei der Besteuerung – trotz ihrer jeweiligen Besonderheiten – systematisch fest miteinander verbunden. Im Einkommensteuerrecht verdeutlicht dies bereits die grundlegende Arithmetik der Einkünftebestimmung. Gerade auch im Bereich nichtselbständiger Tätigkeit lässt sich der Zusammenhang an vielen Stellen aufzeigen, wie das einmal mehr vor Augen führt. Im dortigen Fall hatte eine Steuerpflichtige in den Erklärungen für die Jahre 2014 und 2015 Aufwendungen für ein nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz gefördertes KfW-Darlehen als Werbungskosten abgezogen. Den Förderungsbedingungen folgend wurde nach bestandenen Abschlussprüfungen in 2018 ein Teil der Darlehenssumme erlassen. Während die zusammenveranlagten Eheleute diesen Erlass der privaten Lebensführung zuordneten, sah das Finanzamt darin eine steuerpflichtige Einnahme. Anders als zuvor das Finanzgericht gab der BFH der Verwaltung Recht. Der teilweise Darlehenserlass beruhe auf in der Erwerbssphäre liegenden Gründen. Dies zeige die Abhängigkeit allein vom Bestehen der Prüfungen und nicht etwa eine Orientierung an finanzieller Bedürftigkeit oder den persönlichen Lebensumständen.
Den Blick jeweils so strikt als möglich auf den Veranlassungszusammenhang zu richten, ist folgerichtig. Haben Aufwendungen – wie hier die Fortbildungskosten – einen eindeutigen Berufsbezug, sollte ihre Abziehbarkeit unstrittig sein. Wird dann aber ein Teil der bereits berücksichtigten Beträge zurückgezahlt oder entfällt er später – im Urteilssachverhalt durch den Erlass –, muss dies konsequenterweise zu einer Einnahme bei ebenjener Einkunftsart führen, wenn auch Rückfluss oder Wegfall der Kosten in der beruflichen Sphäre wurzeln. Nachvollziehbar hat der BFH dies entlang der in der Entscheidung dargestellten Fördervoraussetzungen und der Motive des Gesetzgebers angenommen.
Solche systematischen Zusammenhänge müssen Arbeitnehmer bei ihrer Einkommensbesteuerung und zudem Arbeitgeber im Lohnsteuerverfahren immer wieder beachten. Wurden Werbungskosten – was nur bei konkreter diesbezüglicher Gesetzesregelung zulässig ist – steuerfrei erstattet, entfällt auf der Ausgabenseite ihr Abzug. Ansonsten abzieh- oder erstattbare Verpflegungspauschalen sind zu kürzen, wenn einem Mitarbeiter bei Auswärtstätigkeit Mahlzeiten zur Verfügung gestellt werden. Einige Pauschalierungen des Arbeitgebers mindern ebenfalls die berücksichtigungsfähigen Erwerbsaufwendungen. Oder aber nicht steuerfrei mögliche Erstattungen, etwa für ein häusliches Arbeitszimmer oder bei Homeoffice-Tätigkeit, zählen zum Arbeitslohn.
In der Folge können sich – insbesondere durch das Zusammenspiel mit dem Arbeitnehmer-Pauschbetrag – selbst bei wirtschaftlich vergleichbarer Lage individuell durchaus unterschiedliche Besteuerungssituationen ergeben. Hier stehen Bewältigung des Massenverfahrens durch Typisierung und Vereinfachung sowie die anzustrebende Steuergleichheit in einem gewissen Widerstreit, was den Gesetzgeber – gerade auch unter Rücksichtnahme auf die spezifische Stellung des bei der Lohnbesteuerung in öffentliche Verpflichtung genommenen Arbeitgebers – immer wieder zwingt, einen verfassungsrechtlich gangbaren Mittelweg als Kompromiss zu finden.
Lukas Hilbert
Fundstelle(n):
NWB 2024 Seite 889
EAAAJ-63945