BGH Beschluss v. - 2 StR 485/23

Instanzenzug: LG Limburg Az: 5 KLs - 4 Js 4153/21

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen, davon in einem Fall in weiterer Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Besitz von zwei Butterflymessern (Fälle II.1 und 2 der Urteilsgründe), Bedrohung in Tateinheit mit Beleidigung (Fall II.3 der Urteilsgründe) und Besitzes von Betäubungsmitteln (Fall II.4 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und die Einziehung von sichergestelltem Bargeld in Höhe von 570 € im Wege der erweiterten Einziehung angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

21. Das Gericht hat – soweit für die Begründung der Revisionsentscheidung von Bedeutung – die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:

3a) Am verfügte der Angeklagte im Wohnzimmer der von ihm und seiner damaligen Lebenspartnerin bewohnten Wohnung in der W.   straße in E.  über 129,7 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 16,34 Gramm THC. Die Betäubungsmittel waren zu 60 % für den gemeinsamen Eigenkonsum und zu weiteren 40 % zum Handel bestimmt. Im selben Zimmer befanden sich in einer Entfernung von etwa zwei bis drei Metern zu den Betäubungsmitteln zwei Butterflymesser. Die Strafkammer hat den Angeklagten wegen „unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) in Tateinheit (§ 52 StGB) mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) in Tateinheit (§ 52 StGB) mit vorsätzlichem unerlaubtem Besitz von zwei Butterflymessern (§ 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.4.3. zum Waffengesetz)“ verurteilt (Fall II.1 der Urteilsgründe).

4b) Am selben Tag wurde die Wohnung einer Verwandten des Angeklagten in der L.      Straße in E.  durchsucht. Dorthin hatte der Angeklagte in der Woche zuvor ohne Wissen seiner Verwandten 100,96 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 12,21 Gramm THC verbracht. Von dieser Menge waren wiederum 60 % für den Konsum mit seiner Partnerin und 40 % für den Handel bestimmt. Die Betäubungsmittel stammten aus einem anderen Ankaufgeschäft als diejenigen, die in der Wohnung in der W.    straße in E.  aufgefunden worden waren. Die Strafkammer hat den Angeklagten insoweit wegen „des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) in Tateinheit (§ 52 StGB) mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG)“ schuldig gesprochen (Fall II.2 der Urteilsgründe).

52. Die Revision ist teilweise begründet.

6a) Die Verfahrensrüge versagt aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts dargestellten Gründen.

7b) Hingegen hat das Rechtsmittel mit der Sachrüge teilweise Erfolg.

8aa) Die Überprüfung der Schuld- und Strafaussprüche in den Fällen II.3 und 4 der Urteilsgründe, Tatzeiten waren der bzw. der , der Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt sowie der Anordnung der erweiterten Einziehung von 570 € haben keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

9bb) Hingegen hält die Verurteilung in den Fällen II.1 und 2 der Urteilsgründe sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.

10(1) Die von der Strafkammer vorgenommene konkurrenzrechtliche Bewertung der festgestellten Delikte erweist sich in doppelter Hinsicht als rechtsfehlerhaft.

11(a) Die Strafkammer hat zunächst übersehen, dass nach ständiger Rechtsprechung der gleichzeitige Besitz an verschiedenen Betäubungsmitteln zum Eigenverbrauch das Gesetz nur einmal verletzt. Dieser Zusammenhang entfällt auch dann nicht, wenn der Täter diese getrennt voneinander aufbewahrt (vgl. , juris Rn. 14; vom – 6 StR 6/21, juris Rn. 5; Beschlüsse vom – 4 StR 358/04, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Besitz 4; vom – 5 StR 284/17, juris Rn. 2; vom – 2 StR 110/20, juris Rn. 8; vom – 2 StR 565/21, juris Rn. 5). Daneben verklammert der einheitliche Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hier die beiden selbständigen Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (in geringer Menge) zur Tateinheit (vgl. zur Klammerwirkung BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 580/16, juris Rn. 5 ff.; vom – 4 StR 298/17, juris Rn. 7).

12(b) Die Strafkammer hat zudem nicht bedacht, dass die zeitgleiche Aufbewahrung von Waffen und Betäubungsmitteln die Annahme einer Handlungseinheit regelmäßig nur dann rechtfertigen kann, wenn jenseits der Gleichzeitigkeit ein – hier gerade nicht festgestellter – funktionaler Zusammenhang zwischen beiden Besitzlagen besteht (vgl. , juris Rn. 7; Beschluss vom – 2 StR 288/21, juris Rn. 7).

13(c) Der Angeklagte hat sich daher in den Fällen II.1 und 2 der Urteilsgründe wegen des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in zwei tateinheitlichen Fällen und daneben wegen des Besitzes eines verbotenen Gegenstandes (Butterflymesser) strafbar gemacht.

14(2) Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend dem sachlich-rechtlich richtigen Konkurrenzverhältnis abgeändert (vgl. zum Tenor beim Waffendelikt , juris Rn. 13). § 265 Abs. 1 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da sich der Angeklagte gegen den geänderten Schuldspruch nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

15cc) Die Schuldspruchänderung in den Fällen II.1 und 2 der Urteilsgründe bedingt aufgrund des zwischen den Taten verschobenen Schuldgehalts die Aufhebung der beiden Einzelstrafen. Der Wegfall der beiden Einzelstrafen von jeweils einem Jahr und neun Monaten zieht die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich. Die Feststellungen sind von den aufgezeigten Rechtsfehlern nicht betroffen und haben Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO).

163. Die Sache bedarf im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung.

17Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht bei der neuerlichen Zumessung der Einzelstrafe im Fall II.1 der Urteilsgründe nicht gehindert ist, diese dem – naheliegend – erhöhten Schuldgehalt anzupassen. Das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) steht einer Erhöhung dieser Einzelstrafe nicht entgegen. Jedoch darf die Summe der neu zuzumessenden Einzelstrafen in den Fällen II.1 und 2 der Urteilsgründe die bisherige Summe dieser beiden Einzelstrafen nicht überschreiten (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 346/95, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 7; vom – 1 StR 587/14, juris Rn. 22; vom – 4 StR 48/23, juris Rn. 5). Bei dieser Zumessung wird das Tatgericht zudem zu bedenken haben, dass die bisher getroffenen Feststellungen den für eine von der Strafkammer in den Fällen II.1 und 2 der Urteilsgründe angenommene Strafmilderung nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG erforderlichen Zusammenhang zwischen der aufgedeckten Betäubungsmitteltat und den Taten des Angeklagten als Aufklärungsgehilfen (vgl. Weber/Kornprobst/Maier/Weber, BtMG, 6. Aufl., § 31 Rn. 39 ff.; Patzak/Volkmer/Fabricius/Patzak, BtMG, 10. Aufl., § 31 Rn. 38) nicht belegen. Sollte das neue Tatgericht einen solchen Zusammenhang nicht feststellen können, wird es zu beachten haben, dass jedenfalls die Möglichkeit verbleibt, die festgestellte wesentliche und erfolgreiche Aufklärungshilfe auch außerhalb des Anwendungsbereichs von § 31 BtMG, § 46b Abs. 1 StGB als bestimmenden Strafmilderungsgrund zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 75/11, BGHSt 56, 191, 194; vom – 3 StR 428/15, juris Rn. 4; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1058). Daneben wird das neue Tatgericht Gelegenheit haben, den offenen Vollstreckungsstand der Verurteilung aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts F.     vom aufzuklären (vgl. , juris Rn. 35).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:130224B2STR485.23.0

Fundstelle(n):
KAAAJ-63661