BGH Urteil v. - 2 StR 351/23

Instanzenzug: Az: 106 KLs 1/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte und zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft hat in vollem Umfang Erfolg. Das ebenfalls auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Rechtsmittel des Angeklagten führt zur Aufhebung des Strafausspruchs, im Übrigen ist es unbegründet.

I.

2Nach den Feststellungen des Landgerichts entschloss sich der Angeklagte zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt, spätestens jedoch am , mit Marihuana zu handeln. Am wurde anlässlich einer Durchsuchung seines circa 15 Quadratmeter großen Appartements in drei Druckverschlusstüten eine Handelsmenge von 89,42 g Cannabisblüten mit einem Wirkstoffgehalt von 13,2 % (11,8 g THC) gefunden. In einem Bettkasten lagerte er in einer Papiertüte eine ungeladene Gasdruckpistole und einen Behälter mit Rundkugeln (Diabolos). Des Weiteren verwahrte er in diesem Bettkasten eine Plastiktüte mit zehn Gaskartuschen, in einem Kunststoffkoffer eine ungeladene PTB-Waffe sowie, ebenfalls in dem Bettkasten, ein Fahrtenmesser mit einer Klingenlänge von 14 cm. Unterhalb des Fensters des Appartements stand eine schwarze Sporttasche, in der sich ein Elektroschocker befand.

3Anlass der Durchsuchung war der Fund von Lichtbildern auf dem Mobiltelefon des Angeklagten mit dem Zeitstempel vom , auf denen er auf dem Bett seines Appartements mit zwei schwarzen Faustfeuerwaffen in den Händen zu sehen war. Auf dem Bett lagen eine größere Menge Marihuana, ein Elektroschocker, Pfefferspray sowie mindestens 500 €.

4Die Strafkammer vermochte sich nicht von einem bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) durch den Angeklagten zu überzeugen. Die Gaspistole und die PTB-Waffe seien im Zeitpunkt der Wohnungsdurchsuchung ungeladen gewesen; beide Waffen hätten sich, ebenso wie das Fahrtenmesser, im Bettkasten befunden, so dass ein Zugriff nur mit zeitlicher Verzögerung möglich gewesen sei. Das sichergestellte Pfefferspray sei nicht zur Verletzung von Menschen bestimmt gewesen. Der Angeklagte habe sich dahingehend eingelassen, das als Tierabwehrspray gekennzeichnete Pfefferspray für Waldspaziergänge zu nutzen; Anhaltspunkte für anderslautende Absichten seien nicht zu erkennen. Den Elektroschocker habe der Angeklagte nicht mit sich geführt. Seiner tatsächlichen Herrschaftsausübung stünden die Eigentums- und Besitzrechte eines Zeugen entgegen.

II.

5Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet.

61. Die Beweiswürdigung des Landgerichts weist Fehler zuungunsten des Angeklagten auf (§ 261 StPO).

7a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO); die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob diesem Rechtsfehler unterlaufen sind, weil die Beweiswürdigung lückenhaft, in sich widersprüchlich oder unklar ist, gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit übertriebene Anforderungen gestellt sind (st. Rspr.; vgl. , juris Rn. 11; vom – 2 StR 503/21, juris Rn. 11; Beschluss vom – 2 StR 494/19, juris Rn. 5).

8b) Bezogen auf die Verhältnisse am ist die Beweiswürdigung des Landgerichts mit Blick auf eine mögliche Strafbarkeit des Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln lückenhaft.

9aa) Die Strafkammer hat die auf dem Foto vom abgebildete Szene nicht in ihre Beweiswürdigung zur Bewertung des Geschehens vom einbezogen, obwohl der Sachverhalt dazu drängte.

10(1) Ihre Wertung, „der tatsächlichen Herrschaftsausübung des Angeklagten über den Elektroschocker“ − eine Waffe im technischen Sinne gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a), Abs. 4 i.V.m. Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nr. 1.2.1 WaffG, bei der es für den bewaffneten Handel mit Betäubungsmitteln keiner Feststellung zur subjektiven Zweckbestimmung bedarf (vgl. , NStZ-RR 2016, 375, 376) − stünden „die Eigentums- und Besitzrechte des Zeugen B.   entgegen“, lässt außer Betracht, dass der Angeklagte dem Foto entsprechend jedenfalls am die Herrschaftsmacht über den Elektroschocker, der in seinem unmittelbaren Zugriffsbereich liegt, tatsächlich ausübt. Vor diesem Hintergrund erschließt sich nicht, wieso die „Eigentums- und Besitzrechte“ an dem Elektroschocker seiner Zugriffsmöglichkeit am entgegenstanden.

11(2) Das gleiche gilt für die Wertung der Strafkammer, der Angeklagte habe „überzeugend angegeben, dass er oft im Wald spazieren gehe und das Pfefferspray daher in seinem Rucksack mit sich führe“. „Anhaltspunkte für andere Absichten des Angeklagten“ habe sie nicht erkennen können.

12(a) Zwar ist die Strafkammer im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass das Gerät als bloßes Tierabwehrspray weder eine Waffe im technischen Sinne (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a) WaffG) noch eine gekorene Waffe (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b) WaffG) darstellt (vgl. , NStZ 2022, 303, 304 Rn. 28). Der Tatbestand des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln wird mithin nur dann erfüllt, wenn der betreffende Gegenstand nicht nur objektiv zur Verletzung von Menschen geeignet, sondern hierzu auch subjektiv bestimmt ist, was entsprechende tatsachenfundierte Feststellungen voraussetzt (vgl. , NStZ 2022, 303, 304; Beschluss vom – 2 StR 219/22, juris Rn. 8 ff.).

13(b) Weshalb das Foto vom , auf dem das Pfefferspray neben dem – zwei Faustfeuerwaffen haltenden − Angeklagten auf dessen Bett mit Betäubungsmitteln, einer erheblichen Menge Geld und einem Elektroschockgerät abgebildet ist, keinen Anhaltspunkt für eine entsprechende Zweckbestimmung bietet, lassen die Urteilsgründe offen. Damit bleiben wesentliche Umstände unbeleuchtet.

14Anhaltspunkte für eine Zweckbestimmung im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG können sich aus den äußeren Umständen ergeben, insbesondere aus der Beschaffenheit des Gegenstandes und seinen sonstigen Verwendungsmöglichkeiten, aber auch aus dem Ort und der Art seiner Aufbewahrung (vgl. , juris Rn. 30). Zwar hat die Strafkammer gesehen, dass der Angeklagte auf den Lichtbildern „die Betäubungsmittel selbstdarstellerisch nutzt und gerade das Bild eines potenten Verkäufers suggeriert, dessen Machtanspruch durch das Drapieren diverser Waffen und Werkzeuge noch untermauert werden soll“. Sie hat diesen Umstand jedoch lediglich als Indiz für das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch den Angeklagten gewertet. Eine weitergehende Würdigung im Hinblick auf ein mögliches bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln lassen die Urteilsgründe hingegen vermissen.

15bb) Die Strafkammer hat zudem versäumt, die Vorsprache des Angeklagten auf der Polizeiwache am in den Blick zu nehmen. Denn der Angeklagte führte „zu diesem Zeitpunkt ein Pfefferspray mit sich“. Eine nähere Beleuchtung dieses Umstands ist unterblieben, obwohl damit widerlegt ist, dass der Angeklagte das Pfefferspray nur bei Waldspaziergängen mit sich führte. Offen bleibt und hätte der Erörterung bedurft, welchen Zweck der Angeklagte damit verfolgte.

162. Daneben hat das Landgericht die Reichweite seiner Kognitionspflicht verkannt (§ 264 Abs. 1 StPO).

17a) Nach § 264 Abs. 1 StPO muss das Gericht die in der Anklage bezeichnete Tat so, wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt, unter allen rechtlichen Gesichtspunkten aburteilen. Es ist verpflichtet, den Unrechtsgehalt der Tat voll auszuschöpfen, sofern keine rechtlichen Hindernisse im Wege stehen (st. Rspr.; vgl. etwa , NStZ 2018, 347, 350 Rn. 27 mwN).

18b) Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht. Das Landgericht hat nicht den gesamten angeklagten Tatzeitraum, nach dem dem Angeklagten ein bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln „zwischen dem 16. und “ vorgeworfen wird, in den Blick genommen. Es hat seine tatsächliche und rechtliche Prüfung auf den Zeitpunkt der Durchsuchung am beschränkt und ist zu der Überzeugung gelangt, dass der Angeklagte an diesem Tag keine Gegenstände im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG mit sich führte. Für die Tatbestandsverwirklichung genügt indessen, dass dem Täter ein zur Verletzung von Personen bestimmter Gegenstand in irgendeinem Stadium des Tathergangs zur Verfügung steht, das heißt sich so in seiner räumlichen Nähe befindet, dass er hierauf jederzeit, also ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne besondere Schwierigkeiten, zugreifen kann. Setzt sich die Tat aus mehreren Einzelakten zusammen, reicht es aus, wenn der qualifizierende Umstand des Mitsichführens nur bei einem Einzelakt verwirklicht wird (vgl. , NStZ 2017, 714, 717; vom – 2 StR 294/19, NStZ 2020, 233, 234; Beschluss vom – 4 StR 340/22, NStZ-RR 2023, 317, 318). Eine Prüfung, ob durch die abgebildete Szene vom ein bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln durch den Angeklagten dargestellt wird, lassen die Urteilsgründe vermissen.

193. Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Schuldspruchs mitsamt den Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO). Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei umfassender Würdigung der vorstehend aufgezeigten Umstände von einem bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln ausgegangen wäre (§ 337 Abs. 1 StPO).

III.

20Das Rechtsmittel des Angeklagten ist teilweise begründet. Während die Überprüfung des Schuldspruchs keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben hat, hat der Strafausspruch keinen Bestand.

211. Das Landgericht hat dem Angeklagten straferschwerend zur Last gelegt, mit Gewinnerzielungsabsicht gehandelt zu haben. Es hat damit zu seinen Lasten einen Umstand gewertet, der dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln immanent ist, und damit gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 46 Abs. 3 StGB) verstoßen (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 616/13, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Handeltreiben 7; vom – 4 StR 393/17, StV 2018, 489; vom – 2 StR 231/18, juris Rn. 16; jeweils mwN).

222. Überdies hat das Landgericht dem Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung zur Last gelegt, sein Geschäftsgebaren habe „letztlich nur durch die Wohnungsdurchsuchung der Polizei aufgedeckt und beendet“ werden können. Darin liegt der Sache nach die strafschärfende Erwägung, der Angeklagte habe von der weiteren Tatausführung nicht selbständig Abstand genommen. Auch hierin liegt ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (vgl. , NStZ-RR 2011, 271).

233. Die Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Strafausspruchs. Der Senat kann nicht ausschließen, dass dieser bei rechtsfehlerfreier Strafzumessung niedriger ausgefallen wäre. Da es sich lediglich um Wertungsfehler handelt, hat der Senat insoweit von der Anwendung des § 353 Abs. 2 StPO abgesehen.

IV.

24Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Mit der Aufhebung des Urteils ist die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung gegenstandslos (vgl. , juris Rn. 11).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:310124U2STR351.23.0

Fundstelle(n):
DAAAJ-63390