BGH Beschluss v. - 2 StR 422/23

Gesetze: § 30a Abs 1 BtMG, § 27 StGB, § 28 Abs 2 StGB

Instanzenzug: LG Aachen Az: 64 KLs 10/22

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Beihilfe zum bandenmäßigen „unerlaubten“ Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen (Fälle II.23, II.24, II.26 und II.30 der Urteilsgründe) und wegen Beihilfe zum „unerlaubten“ Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen (Fälle II.25 und II.27 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es sie freigesprochen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2Nach den Feststellungen des Landgerichts war die Angeklagte ab Anfang 2020 Mitglied einer von ihrem Lebensgefährten geführten Bande, der neben ihrem Lebensgefährten und ihr selbst weitere Personen angehörten und die aufgrund einer Bandenabrede mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel trieb. Der Lebensgefährte der Angeklagten handelte daneben auch außerhalb der Bandenabrede mit Betäubungsmitteln. Der Angeklagten oblag es, bei der Abwicklung von Betäubungsmittelgeschäften Übersetzungsdienste zu leisten. Auf diese Weise förderte sie ein Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zwischen September 2020 und Dezember 2020 in insgesamt sechs Fällen.

II.

3Die Verurteilung der Angeklagten wegen Beihilfe zum bandenmäßigen „unerlaubten“ Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier der sechs Fälle – den Fällen II.23, II.24, II.26 und II.30 der Urteilsgründe – hat keinen Bestand, weil das Landgericht keine hinreichenden Feststellungen zur inneren Tatseite getroffen hat. Damit unterliegt auch der Ausspruch über die Gesamtstrafe der Aufhebung. Im Übrigen ergibt die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten.

41. Im Ausgangspunkt rechtsfehlerfrei hat das Landgericht festgestellt, die Angeklagte sei Mitglied einer von ihrem Lebensgefährten angeführten Bande gewesen, die die in den Fällen II.23, II.24, II.26 und II.30 ausgeurteilten Taten gemäß der Bandenabrede und nicht ausschließlich im eigenen Interesse der jeweils unmittelbar Beteiligten ausgeführt habe. Es hat weiter zu Recht angenommen, die Angeklagte habe die Taten in allen vier Fällen als Bandenmitglied unterstützt, so dass das besondere persönliche Merkmal der Bandenmitgliedschaft gemäß § 28 Abs. 2 StGB in ihrer Person verwirklicht gewesen sei (vgl. , BGHSt 46, 120, 128; Beschlüsse vom – 2 StR 445/14, juris Rn. 8; vom – 5 StR 400/17, juris Rn. 3).

52. Die Feststellungen des Landgerichts tragen aber seine Schlussfolgerung nicht, die Angeklagte habe in allen vier Fällen auch mit dem erforderlichen Gehilfenvorsatz gehandelt.

6a) Anders als das täterbezogene Merkmal der Bandenmitgliedschaft ist das Merkmal der Tatbegehung innerhalb der Bandenabrede ein tatbezogenes Merkmal (vgl. , StV 2016, 556 Rn. 4), auf das sich der Gehilfenvorsatz erstrecken muss.

7b) Das Landgericht hat eine Beteiligung der Angeklagten sowohl an Bandentaten als auch an Taten ihres Lebensgefährten festgestellt. Dass die Angeklagte in den Fällen II.23, II.24, II.26 und II.30 der Urteilsgründe mit dem Vorsatz handelte, eine Tat innerhalb der Bandenabrede zu fördern, ergeben die Feststellungen des Landgerichts nicht. Im Fall II.30 der Urteilsgründe hat das Landgericht lediglich festgestellt, die Angeklagte habe durch ihr Tun „die Rauschgiftgeschäfte ihres Lebensgefährten“ unterstützen wollen. Im Fall II.26 der Urteilsgründe sei die Angeklagte als Übersetzerin „für ihn [ihren Lebensgefährten]“ tätig geworden. Die Urteilsgründe lassen nicht erkennen, dass die Angeklagte in diesen Fällen von einer von ihr unterstützten Bandentat ausging und nicht nur wie in den Fällen II.25 und II.27, in denen das Landgericht sie lediglich wegen einer ihrem Lebensgefährten geleisteten Beihilfe zum „unerlaubten“ Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt hat, von einer Tat ihres Lebensgefährten. In den Fällen II.23 und II.24 lassen sich auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe keine Feststellungen zum Vorsatz der Angeklagten entnehmen.

8c) Nähere Darlegungen zur inneren Tatseite waren auch nicht entbehrlich, soweit das Landgericht festgestellt hat, der Angeklagten sei bekannt gewesen, dass neben ihrem Lebensgefährten weitere Bandenmitglieder an der Tatbegehung mitwirkten. Die Mitwirkung weiterer Bandenmitglieder führt nicht notwendig dazu, Taten als solche innerhalb der Bandenabrede zu qualifizieren (vgl. , NStZ-RR 2013, 208, 209; Beschlüsse vom – 3 StR 346/15, StV 2016, 556 Rn. 4; vom – 3 StR 321/16, StV 2017, 308, 309 Rn. 12; vom – 2 StR 418/23, juris Rn. 6). Entsprechend genügt das Wissen des Gehilfen um die Mitwirkung weiterer Bandenmitglieder für sich nicht.

93. Die Lückenhaftigkeit der Feststellungen zum Gehilfenvorsatz führt im genannten Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils samt den Feststellungen zur inneren Tatseite, § 353 Abs. 2 StPO, und zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs. Im Übrigen haben die Feststellungen Bestand.

104. Der Senat sieht schließlich Anlass, auf die nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der Prüfung eines minder schweren Falls zu beachtende Prüfungsreihenfolge hinzuweisen (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 236/22, NStZ 2023, 163; vom – 2 StR 270/22, NStZ 2023, 508; je mwN). Im Schuldspruch ist bei Betäubungsmitteldelikten der Zusatz „unerlaubt“ entbehrlich (st. Rspr.; vgl. etwa , NStZ-RR 2023, 51 f.).

Menges                              Krehl                              Meyberg

                     Grube                            Schmidt

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:160124B2STR422.23.1

Fundstelle(n):
PAAAJ-61578