BSG Beschluss v. - B 7 AS 49/23 B

Gründe

1Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG ist zurückzuweisen.

2Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist.

3Die vom Beklagten aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als bereits höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Dies ist der Fall.

4Der Beklagte formuliert folgende Rechtsfrage: "Erfordert die Nachbesserung eines schlüssigen Konzepts nur die Anpassung in dem bei Gericht zur Entscheidung anstehenden Einzelfall oder muss die Nachbesserung darüber hinaus in einer Vielzahl von Fällen angewandt werden, unabhängig davon, wie und bevor dieser Einzelfall rechtskräftig entschieden worden ist?" Der Beklagte hält diese Frage noch für klärungsbedürftig, weil das BSG (im Urteil vom - B 4 AS 18/09 R) nur entschieden habe, dass dem Grundsicherungsträger im Fall der Nachbesserung die Aufgabe zukomme, für eine gesicherte Datengrundlage zu sorgen. Es sei aber nicht entschieden worden, dass das Ergebnis der Nachbesserung fallübergreifend anzuwenden sei. Der Beklagte übersieht dabei allerdings, dass das BSG unter Verweis auf die genannte Entscheidung nochmals betont hat ( - SozR 4-4200 § 22 Nr 85 RdNr 20), dass ein Konzept zur Ermittlung der angemessenen Bruttokaltmiete ein planmäßiges Vorgehen im Sinne einer systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenn auch orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Raum erfordert. Wenn aber bereits begrifflich ein Konzept verlangt, dass es für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Raum Geltung beansprucht, ist die vom Beklagten aufgeworfene Frage auch im Fall einer gerichtlich geforderten Nachbesserung nicht mehr klärungsbedürftig. Auch die Nachbesserung eines Konzepts muss sich auf das Konzept als solches und die diesem zugrundeliegenden Daten beziehen, also nicht nur auf den konkreten Einzelfall. Davon zu trennen ist die Frage, ob das LSG davon ausgehen durfte, es liege kein schlüssiges Konzept vor, nachdem der Beklagte die vom LSG geforderten Nachbesserungen vorgenommen, dh das Konzept nach Maßgabe der gerichtlichen Vorgaben überarbeitet und im konkreten Fall auf dieser Basis ein Teilanerkenntnis abgegeben hatte. Dass der Beklagtenvertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung keine fallübergreifende "Allgemeinverbindlichkeitserklärung" zur Beendigung sonstiger Verfahren abgeben wollte, ändert an der Existenz einer den Vorgaben des LSG entsprechenden Ermittlung von Angemessenheitswerten erst einmal nichts.

5Zudem liegt auch die vom Beklagten des Weiteren gerügte Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) der Entscheidung des LSG von der des BSG (im Urteil vom - B 4 AS 18/09 R) nicht vor. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG aufgestellt hat, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen vermag die Zulassung der Revision wegen Divergenz zu begründen.

6Der Beklagte nennt folgenden abstrakten Rechtssatz des LSG: "Eine Nachbesserung eines durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit für nicht schlüssig erachteten Unterkunftskostenkonzepts kann nur dadurch erfolgen, dass der Grundsicherungsträger bereit ist, das ursprüngliche Konzept durch die nachgebesserte Version insgesamt zu ersetzen und die sich daraus ergebenden Mietobergrenzen allgemein im Rahmen der Durchführung von SGB II und SGB XII anzuwenden.“ Dem stellt er den Rechtssatz des BSG in seiner Entscheidung vom (B 4 AS 18/09 R RdNr 26) gegenüber, der lautet: "Entscheidet der Grundsicherungsträger ohne eine hinreichende Datengrundlage, ist er im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 Satz 1, 2. Halbsatz SGG gehalten, dem Gericht eine möglichst zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und ggf. eine unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen. Es kann von dem gemäß § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II für die Leistungen nach § 22 SGB II zuständigen kommunalen Träger erwartet werden, dass er die bei ihm vorhandenen Daten sowie die persönlichen und/oder sachlichen Voraussetzungen für die Erhebung und Auswertung der erforderlichen Daten zur Verfügung stellt."

7Damit hat der Beklagte aber keine zwei sich widersprechende Rechtssätze aufgezeigt. Der von ihm mitgeteilte Rechtssatz des BSG verhält sich nur zu dem Fall, dass nach Auffassung des Gerichts eine hinreichende Datengrundlage fehlt und bezieht sich auf die Mitwirkungspflichten des Grundsicherungsträgers im Verfahren. In diesem Fall ist er gehalten, vorhandene Daten zur Verfügung zu stellen. Dem gegenüber geht der mitgeteilte Rechtssatz des LSG darüber hinaus, indem er vom Grundsicherungsträger fordert, sein Konzept (auf Grundlage der von ihm zur Verfügung gestellte Daten) zu ändern. Insoweit widersprechen sich die Rechtssätze im Grundsätzlichen nicht, sondern beschreiben je andere Obliegenheiten bzw Pflichten des Grundsicherungsträgers.

8Soweit der Beklagte weiter vorbringt, das BSG habe (im Urteil vom - B 4 AS 9/14 R) angenommen, die Nachbesserung eines schlüssigen Konzepts sei gelungen, aber selbst abweichende Endbeträge ausgeurteilt, rügt er letztlich eine Abweichung der Entscheidung des LSG vom genannten Urteil des BSG. Die Nichtzulassungsbeschwerde erfüllt insoweit schon nicht die Anforderungen an die Formulierung eines abstrakten Rechtssatzes, den das BSG vor der Bestimmung der abweichenden Endbeträge herausgearbeitet haben soll. Im Übrigen beruht die Zuerkennung abweichender Endbeträge in diesem Urteil auf der Frage, wie konkrete Aufwendungen für Unterkunft und Heizung festzustellen sind; einen Rechtssatz zum schlüssigen Konzept hat das BSG dabei nicht aufgestellt.

9Auch im Zusammenhang mit der bezogen auf neuere Entscheidungen des BSG (vom - B 14 AS 24/18 R - RdNr 28 und vom - B 14 AS 37/19 R - RdNr 26) erhobenen Divergenzrüge (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) will der Beklagte zwar Abweichungen bezogen auf zu einem schlüssigen Konzept aufgestellte Rechtssätze herleiten. In den genannten Entscheidungen hat das BSG jedoch nicht über schlüssige - behördliche - Konzepte entschieden. Es hat vielmehr dazu ausgeführt, wie Gerichte bei unterlassenen oder fehlgeschlagenen Nachbesserungsversuchen vorgehen können, um - selbst - zur Herstellung der Spruchreife abstrakt angemessene Unterkunftskosten zu bestimmen. Insoweit ist gerade Voraussetzung, dass ein schlüssiges Konzept nicht besteht ( - SozR 4-4200 § 22 Nr 112 RdNr 25).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2023:131223BB7AS4923B0

Fundstelle(n):
FAAAJ-61175