BGH Beschluss v. - III ZR 150/22

Instanzenzug: Az: 9 U 1098/20 Urteilvorgehend Az: 84 O 145/19

Gründe

I.

1Die Klägerin begehrt - nach Rücknahme der gegenüber dem Beklagten zu 2 erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde - mit ihrer Klage (noch) die Feststellung, dass der Beklagte zu 1 als Notar verpflichtet sei, an sie dem Grunde nach Ersatz für alle Schäden zu leisten, die ihr aus den Einreichungen und/oder den Handelsregisteraufnahmen von Gesellschafterlisten sowie aus der Beurkundung, Einreichung und/oder der Handelsregistereintragung von Satzungsänderungen entstanden seien oder noch entstünden.

2Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und den Streitwert auf "bis zu 5.000 €" festgesetzt. Das Kammergericht hat die Berufung der Klägerin mit auf die mündliche Verhandlung vom ergangenem Urteil vom teilweise als unzulässig verworfen und im Übrigen zurückgewiesen. Mit Beschluss vom hat es den Streitwert für die erste und zweite Instanz auf 121.100 € festgesetzt.

3Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen hat die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Nach Zulassung der Revision möchte sie ihre in der Berufungsinstanz zuletzt gestellten Anträge weiterverfolgen, soweit sie auf die Verurteilung des Beklagten zu 1 gerichtet sind.

II.

4Der Wert der mit der beabsichtigten Revision geltend zu machenden Beschwer (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) ist auf "bis 5.000 €" festzusetzen.

51. Der Wert der mit der beabsichtigten Revision geltend zu machenden Beschwer bemisst sich nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichts. Dieses hat das Revisionsgericht selbst zu bewerten; an die Wertfestsetzung durch das Berufungsgericht ist es nicht gebunden (stRspr, vgl. zB Senat, Beschlüsse vom - III ZR 615/16, juris Rn. 3 und vom - III ZR 351/20, juris Rn. 7; BGH, Beschlüsse vom - VI ZR 145/14, juris Rn. 3; vom - XI ZR 554/21, juris Rn. 3 und vom - II ZR 97/21, NJW-RR 2022, 1223 Rn. 2). Maßgebend für die Bewertung der Beschwer der Nichtzulassungsbeschwerde ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (stRspr, vgl. zB Senat, Beschlüsse vom - III ZR 124/20, juris Rn. 8 und vom aaO; BGH, Beschlüsse vom - VII ZR 253/12, NJW-RR 2013, 1402 Rn. 3; vom - V ZR 118/22, NJW-RR 2023, 839 Rn. 10 und vom - VII ZR 21/23, BauR 2023, 2127 Rn. 7). Entscheidend für die Wertermittlung sind hierbei die dem Klageantrag zugrunde liegenden tatsächlichen Angaben des Klägers zum Wert (stRspr, vgl. zB Senat, Beschlüsse vom - III ZR 14/19, juris Rn. 5 und vom - III ZR 62/21, juris Rn. 5; BGH, Beschlüsse vom aaO; vom - VIII ZR 129/15, juris Rn. 2 und vom - VII ZR 41/17, NJW 2017, 3164 Rn. 11); der Kläger ist gehalten, zum Streitwert der Klage vorzutragen, der sich nach seinem Interesse an der Verurteilung bemisst (vgl. aaO Rn. 12). Um dem Revisionsgericht die Prüfung dieser Voraussetzung zu ermöglichen, muss der Beschwerdeführer innerhalb laufender Begründungsfrist darlegen und glaubhaft machen, dass er mit der beabsichtigten Revision das Berufungsurteil in einem Umfang, der die Wertgrenze von 20.000 € übersteigt, abändern lassen will (stRspr, BGH, Beschlüsse vom - V ZR 199/16, Grundeigentum 2017, 1158 Rn. 4; vom - V ZR 140/20, WuM 2021, 333 Rn. 4 und vom aaO).

62. Nach diesen Grundsätzen kann im vorliegenden Fall nicht von einem höheren Wert der Beschwer als dem durch das Landgericht festgesetzten Streitwert von "bis 5.000 €" ausgegangen werden.

7a) Die Klägerin hat in der Klageschrift angegeben, es sei derzeit noch nicht ersichtlich, ob und in welcher Höhe ein Wertverlust und damit ein Schaden eingetreten sei. Der Feststellungsantrag werde daher vorläufig mit 10.000 € beziffert. Nachdem der Klägerin mit gerichtlicher Verfügung aufgegeben worden war, nähere Angaben zum Wert des Streitgegenstands zu machen, hat sie ausgeführt, den Streitwert in Ermangelung greifbarer Anhaltspunkte wie folgt analog § 52 Abs. 3 GKG, § 23 Abs. 3 RVG geschätzt zu haben:

8Zur Begründung hat sie vorgetragen, die erste Durchsicht von Kontenblättern der letzten Jahre habe ergeben, dass sie an den Beklagten zu 1 Gebühren in einer Größenordnung von wenigstens 5.000 € überwiesen habe. Dessen Verhalten habe unter anderem zu einer Flut von Rechtsstreitigkeiten geführt, die überwiegend voneinander abhingen und noch nicht abschließend entschieden seien.

9Nach gerichtlichem Hinweis, dass ein Notar auf Rückzahlung von Notarkosten nur im Wege des Antrags auf gerichtliche Entscheidung über die jeweilige Notarkostenberechnung nach § 127 Abs. 1 GNotKG in Anspruch genommen werden könne, und nach entsprechendem Abtrennungs- und Verweisungsantrag der Klägerin hat das Landgericht (Zivilkammer 84) das Verfahren abgetrennt, soweit die Klägerin die Feststellung beantragt hat, dass ihr der Beklagte zu 1 zur Rückerstattung von Notarkosten verpflichtet sei, und das abgetrennte Verfahren an eine andere Zivilkammer des Landgerichts verwiesen.

10Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht den Wert des Streitgegenstands auf "bis zu 5.000 €" festgesetzt und der hiergegen vom Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 2 aus eigenem Recht (§ 32 Abs. 2 Satz 1 RVG) erhobenen Beschwerde nicht abgeholfen hat. Das Landgericht hat zur Begründung ausgeführt, das für den Streitwert maßgebliche wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung werde durch die Rechtsverteidigungskosten bestimmt, die bei ihr infolge der von ihr als amtspflichtwidrig angesehenen Maßnahmen des Beklagten zu 1 anfielen. Solche Kosten könnten ihr nur entstanden sein oder noch entstehen, wenn sie sich erfolglos gegen die fünf Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen verteidigen sollte, die ihr Streithelfer aufgrund der notariellen Handlungen des Beklagten zu 1 angestrengt habe. Die Parteien hätten bisher aber weder zum Streitwert noch zum Erfolg dieser Klagen etwas vorgetragen. Das trifft zu.

11b) Substantiierte tatsächliche Angaben zum Wert des Feststellungsantrags, die einen höheren Wert als "bis 5.000 €" rechtfertigen könnten, sind von der Klägerin, auf deren Vorbringen es nach den vorstehend unter Nummer 1 genannten Grundsätzen maßgeblich ankommt, auch im zweiten Rechtszug bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht gemacht worden. Das gilt insbesondere für ihre - unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der anderweitigen Ersatzmöglichkeit (§ 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO) erfolgten - Ausführungen in der Berufungsbegründung, nach welchen ihre Bemühungen, den Streithelfer des Beklagten zu 1 für den von ihm insgesamt verursachten Schaden haftbar zu machen, der sich schätzungsweise "im sieben- oder achtstelligen Bereich" bewegen dürfte, sich noch in erster Instanz befänden. Diese Angabe ist aufgrund ihrer Vagheit und Substanzarmut für Zwecke der Wertfestsetzung nicht geeignet. Gleiches gilt für ihr Vorbringen im Schriftsatz vom , in dem sie zwar insgesamt zehn Verfahren mittels Angabe von Gericht und Aktenzeichen benannt hat, welche ihr Streithelfer gegen sie anhängig gemacht hat, es dann aber am Vortrag zum Streitwert des einzelnen Verfahrens und zum jeweiligen (unterstellten) Risiko des Unterliegens hat fehlen lassen.

12c) Zu einer höheren Wertfestsetzung vermag schließlich auch der Schriftsatz der Klägerin vom nicht zu führen. Zwar hat sie darin - nachdem ihr in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am gerichtlicherseits (abermals) aufgegeben worden war, binnen zwei Wochen "substantiiert zum Streitwert vorzutragen" - zur Berechnung des Streitwerts der vorliegenden Feststellungsklage die Streitwerte der mit ihrem Streithelfer geführten Rechtsstreite vorgetragen und deren Prozesskostenrisiken für den Fall des Unterliegens in erster und zweiter Instanz auf insgesamt 143.090,82 € beziffert; hieraus ergebe sich unter Berücksichtigung der Vorsteuerabzugsberechtigung, einem unterstellten Risiko des Unterliegens von 50% und einem Abschlag für die Feststellungsklage ein geschätzter Streitwert von 50.000 €. Dieses Vorbringen kann jedoch bei der Wertfestsetzung nicht berücksichtigt werden, weil der Schriftsatz erst nach der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht und der der Klägerin dort gesetzten Zwei-Wochen-Frist, welche mit Ablauf des geendet hat, beim Berufungsgericht eingegangen ist; ob es bei einem Eingang des Schriftsatzes beim Berufungsgericht vor dem bei der Ermittlung des Werts der Beschwer zu berücksichtigen gewesen wäre, lässt der Senat offen.

III.

13Soweit die Klägerin ihre Ansprüche gegen den Beklagten zu 1 auf die von ihm am beim Handelsregister eingereichte Gesellschafterliste vom stützt, hat das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin mit dem Argument als unzulässig verworfen, dass insoweit konkrete Berufungsangriffe im Sinne des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO nicht erkennbar sind. Auf diesen seiner Ansicht nach gegebenen Umstand hatte es zuvor mit Verfügung vom hingewiesen und Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum gegeben, später die Stellungnahmefrist auf Antrag der Klägerin bis zum verlängert. Mit ihren Schriftsätzen vom , und ist die Klägerin auf diesen Umstand indessen nicht eingegangen. Sie hat mithin die ihr eröffnete Möglichkeit, dem Berufungsgericht mit rechtlichen Ausführungen vor Augen zu führen, weshalb ihre Berufungsbegründung nach ihrer Auffassung den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO gerecht geworden und die Berufung daher auch insoweit zulässig ist, nicht genutzt (vgl. , ZfBR 2022, 356 Rn. 9 f). Deswegen dürfte die Klägerin mit der von ihr in ihrer Nichtzulassungsbeschwerde erhobenen Rüge, das Berufungsgericht habe in diesem Zusammenhang ihre Verfahrensgrundrechte auf Gewährung rechtlichen Gehörs und auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes verletzt, jedenfalls aufgrund des allgemeinen Grundsatzes der Subsidiarität nicht durchdringen (vgl. Senat, Urteil vom - III ZR 54/17, BGHZ 219, 77 Rn. 36 ff; aaO Rn. 6 und 10).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:250124BIIIZR150.22.0

Fundstelle(n):
IAAAJ-61041