BGH Beschluss v. - AnwZ (Brfg) 15/23

Instanzenzug: Anwaltsgerichtshof Stuttgart Az: AGH 28/2021 I

Gründe

I.

1Der im Zeitraum zwischen dem 1. und verstorbene Kläger war im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom zurück. Die Beklagte hat den Widerspruchsbescheid am nochmals ausgefertigt, mit einer - zuvor fehlenden - Rechtsbehelfsbelehrung versehen und dem Kläger nochmals zugestellt. Die gegen den Widerrufsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom gerichtete Klage hat der Anwaltsgerichtshof Baden-Württemberg als unbegründet abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. Das Urteil wurde dem Kläger am zugestellt. Der Kläger hat beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs zuzulassen.

2Der Senat hat den Kläger mit Verfügung vom auf Bedenken gegen die Zulässigkeit des Zulassungsantrags hingewiesen, weil der Kläger die Begründung des Zulassungsantrags am nicht als elektronisches Dokument eingereicht hat. Daraufhin hat der Kläger diesen Schriftsatz am nochmals, diesmal als elektronisches Dokument, eingereicht und - unkommentiert - Ausdrucke eines E-Mail-Verkehrs des Klägers mit der Zertifizierungsstelle der Bundesnotarkammer vom 24. und beigefügt, aus dem hervorgeht, dass der Kläger aufgrund einer fehlenden PIN nach dem Austausch seiner beA-Karte bereits seit dem keinen Zugang zu seinem besonderen elektronischen Anwaltspostfach mehr hatte.

3Mit Schriftsatz vom hat der Kläger wegen des verspäteten Eingangs der Begründung seines Zulassungsantrags Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Als Anlage zum Schriftsatz hat der Kläger weiteren E-Mail-Verkehr vorgelegt, aus dem u.a. hervorgeht, dass ihm das Sekretariat seiner Zustellungsbevollmächtigten die PIN am per E-Mail zugesandt hat.

II.

41. Ein Verfahren, in dem höchstpersönliche, unvererbliche Rechte einer Partei wahrgenommen werden, wird durch den Tod dieser Partei in der Hauptsache erledigt (Senat, Beschlüsse vom - AnwZ (B) 19/09, juris Rn. 2, und vom - AnwZ (B) 39/75, BGHZ 66, 297, 299). Nach Erledigung der Hauptsache ist gemäß § 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO das Zulassungsverfahren einzustellen und entsprechend § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 173 Satz 1 VwGO, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO die Unwirksamkeit des Urteils des Anwaltsgerichtshofs festzustellen.

52. Nach Erledigung der Hauptsache ist gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Danach waren die Kosten des Verfahrens dem Kläger aufzuerlegen.

6a) Der gegen das angefochtene Urteil des Anwaltsgerichtshofs nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthafte Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung war unzulässig, da innerhalb der zweimonatigen Frist nach § 112e Satz 2 BRAO i.V.m. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO keine formwirksame Begründung des Zulassungsantrags eingegangen ist.

7aa) Die Begründungsfrist begann mit der am erfolgten Zustellung des vollständigen Urteils an den Kläger zu laufen (§ 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 57 Abs. 1 VwGO) und lief gemäß § 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Variante 1 BGB am ab, ohne dass eine formwirksame Begründung eingegangen wäre.

8(1) Die am per Telefax eingereichte Begründung des Zulassungsantrags ist formunwirksam.

9(a) Nach § 55d Satz 1 VwGO (hier i.V.m. § 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO) sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen - wie die hiesige Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung (vgl. Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 124a Rn. 151 mwN) -, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Dem genügte die Übermittlung durch Telefax nicht.

10(b) Zwar bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, wenn sie aus technischen Gründen vorübergehend nicht auf elektronischem Wege möglich ist (§ 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 55d Satz 3 VwGO).

11Vorliegend ist jedoch bereits zweifelhaft, ob im Zeitpunkt der Übersendung der Zulassungsbegründung am die vom Kläger behauptete Störung überhaupt noch vorgelegen hat. Ausweislich des vom Kläger mit dem Schriftsatz vom vorgelegten E-Mail-Verkehrs hat ihm das Sekretariat seiner Zustellungsbevollmächtigten die PIN bereits am per E-Mail übersandt. Letztlich kann dies jedoch dahinstehen. Denn es fehlt jedenfalls an einer rechtzeitigen Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit.

12Ist es dem Rechtsanwalt bereits im Zeitpunkt der Ersatzeinreichung eines Schriftsatzes möglich, die vorübergehende technische Unmöglichkeit der elek-tronischen Übermittlung darzulegen und glaubhaft zu machen, hat dies mit der Ersatzeinreichung zu erfolgen; in diesem Fall genügt es nicht, wenn der Rechtsanwalt die Voraussetzungen für eine Ersatzeinreichung nachträglich darlegt und glaubhaft macht (, NJW 2023, 456 Rn. 9). So liegt der Fall hier.

13Ausweislich des vom Kläger vorgelegten E-Mail-Verkehrs mit der Zertifizierungsstelle der Bundesnotarkammer vom 24. und waren ihm die Gründe für die vorübergehende Unmöglichkeit der elektronischen Einreichung bereits vor dem bekannt. Gleichwohl hat der Kläger am nichts dazu mitgeteilt, dass er nach einem Austausch der beA-Karte aufgrund fehlender PIN vorübergehend keinen Zugriff auf sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach hatte. Ob sodann die im Zusammenhang mit der nochmaligen Einreichung des Schriftsatzes am erfolgte Vorlage des genannten E-Mail-Verkehrs den Anforderungen einer verständlichen, geschlossenen Schilderung gerecht wird (vgl. dazu , NJW 2022, 3647 Rn. 15), kann dahinstehen. Denn die Vorlage des E-Mail-Verkehrs erfolgte erst am und damit jedenfalls verspätet. Soweit der Kläger sodann im Schriftsatz vom die Problematik um die PIN nach dem Austausch der beA-Karte ausführt und weiteren E-Mail-Verkehr aus dem Zeitraum vom 5. bis zum vorlegt, erfolgte dies ebenfalls nicht mehr rechtzeitig.

14(2) Die nochmalige Übersendung des Schriftsatzes vom am als elektronisches Dokument erfolgte nach Ablauf der Begründungsfrist am und war damit verspätet.

15bb) Dem Kläger war auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 60 VwGO). Insofern kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger rechtzeitig einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Denn er war jedenfalls nicht ohne Verschulden verhindert, seinen Antrag auf Zulassung der Berufung fristgemäß und formgerecht zu begründen.

16Mit der dem Urteil des Anwaltsgerichtshofs beigefügten Rechtsmittelbelehrung wurde der Kläger ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils darzulegen sind. Zudem ergibt sich diese Frist aus dem Gesetz (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).

17Auch die Nutzungspflicht nach § 55d Satz 1 VwGO und die an eine Ersatzeinreichung nach § 55d Sätze 3 und 4 VwGO zu stellenden Voraussetzungen ergeben sich aus dem Gesetz. Dass die Rechtsmittelbelehrung darauf nicht gesondert hinweist, ist unschädlich. So ist etwa auch auf die Formvorschrift, den Widerspruch schriftlich oder zur Niederschrift zu erheben (§ 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO), nicht zwingend hinzuweisen (vgl. BVerwG, NJW 1979, 1670). Für andere Formvorschriften gilt nichts anderes (vgl. BeckOK VwGO/Kimmel, 66. Edition, § 58 Rn. 19 [Stand: ]). Eine Hinweispflicht ergibt sich auch nicht aus dem Anspruch auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG), zumal § 55d VwGO nur auf Rechtsanwälte, Behörden und vertretungsberechtigte Personen - und damit nicht auf den juristischen Laien - Anwendung findet.

18b) Der Antrag auf Zulassung der Berufung wäre - seine Zulässigkeit unterstellt - unbegründet gewesen. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

19aa) Ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird. Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den Zulassungsgrund dann nicht aus, wenn sie nicht die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom - AnwZ (Brfg) 20/22, juris Rn. 3 mwN). Daran fehlt es. Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs steht im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats. Insbesondere begründet das Vorbringen des Klägers keine ernstlichen Zweifel an der Annahme des Anwaltsgerichtshofs, dass sich der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids in Vermögensverfall (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO) befunden hat.

20bb) Soweit der Kläger einen "Kurswechsel" des Senats im Hinblick auf die Kriterien für die Annahme eines Vermögensverfalls und einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden fordert und damit den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) anspricht, ist dieser damit nicht dargetan. Der Kläger wendet sich vielmehr gegen die Rechtsanwendung durch den Anwaltsgerichtshof in seinem konkreten Einzelfall, ohne aufzuzeigen, dass damit allgemein klärungsbedürftige Rechtsfragen verbunden wären. Das ist auch nicht der Fall. Die vom Kläger angesprochenen Fragen sind höchstrichterlich bereits grundsätzlich geklärt (vgl. Senat, Beschluss vom - AnwZ (Brfg) 61/18, juris Rn. 12 mwN). Weiterer Klärungsbedarf ist auch nach dem Vorbringen des Klägers nicht gegeben.

21cc) Dem Anwaltsgerichtshof ist schließlich auch kein Verfahrensfehler unterlaufen, auf dem sein Urteil beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Insbesondere ist weder ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 86 Abs. 1 VwGO) noch eine Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) hinreichend dargetan.

223. Diese Entscheidung trifft gemäß § 87a Abs. 1 Nr. 3 VwGO die Vorsitzende. Die genannten Bestimmungen gelten infolge der Verweisungsregelung des § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die im Zulassungsverfahren entsprechend anwendbar ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, NVwZ-RR 2006, 360 mwN), auch für das dem Berufungsprozess vorgeschaltete Zulassungsverfahren (OVG Berlin-Brandenburg, aaO; vgl. auch Eyermann/Schübel-Pfister, VwGO, 16. Aufl., § 87a Rn. 2).

Limperg

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:100124BANWZ.BRFG.15.23.0

Fundstelle(n):
UAAAJ-60616