OFD Frankfurt/M. - S 7168 A-015-St 16

Vermietung und Verpachtung von Gebäuden zur Unterbringung von Bürgerkriegsflüchtlingen und Asylbewerbern

Bezug: BStBl 2023 I S. 348

Bezug: BStBl 2018 I S. 982

Bezug: BStBl 2014 I S. 1613

Bezug:

Bezug: BStBl 2023 II S. 279

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Infolge der gestiegenen Zahl von Bürgerkriegsflüchtlingen und Asylbewerbern vermieten oder verpachten vermehrt Unternehmer Gebäude an die öffentliche Hand oder die Betreiber von Gemeinschaftsunterkünften.

1. Langfristige Vermietung oder Verpachtung

Die Verträge werden meist langfristig, d.h. länger als sechs Monate, abgeschlossen. Dabei ist auf die Laufzeit der Verträge abzustellen und nicht auf die Dauer des tatsächlichen Aufenthalts der untergebrachten Personen. Auch wenn sich der Miet- oder Pachtzins nach der tatsächlichen Belegung (der Anzahl der jeweils untergebrachten Personen) richtet, liegt keine kurzfristige Vermietung oder Verpachtung vor, wenn der Vertrag insgesamt über mehr als sechs Monate oder unbefristet abgeschlossen wurde.

1.1 Ausschließliche Wohnraumüberlassung

Wird ausschließlich Wohnraum überlassen, sind die Umsätze aus dieser Leistung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfrei.

1.2 Wohnraumüberlassung zusammen mit der Erbringung weiterer Dienstleistungen

1.2.1 Nebenleistungen

Als übliche Nebenleistungen, die wie die Hauptleistung der Vermietung oder Verpachtung zu besteuern sind, können insbesondere angesehen werden:

  • Bereitstellung von Mobiliar

  • Versorgung der Einrichtung mit Strom, Wasser und Wärme

  • Reinigung der allgemeinen Außen- und Innenbereiche

  • Hausmeisterservice

Auch ein pauschaler Abnutzungszuschlag, der vom Mieter gezahlt wird, da er keine Renovierung der angemieteten Räume vorzunehmen hat, ist wie die eigentliche Vermietungsleistung zu besteuern.

1.2.2 Bewirtschaftung von Gemeinschaftsunterkünften

Werden weitere Leistungen erbracht, die üblicherweise nicht im Zusammenhang mit der Vermietung oder Verpachtung von Räumlichkeiten stehen, so sind diese als einheitliche Leistung zu beurteilen. Hierunter fallen unter anderem:

  • Verpflegung der untergebrachten Personen

  • Zurverfügungstellung und Reinigung der (Bett-)Wäsche

  • Waschdienst

  • Kontrolle der Zimmer

  • Führen von Anwesenheitslisten

  • Sicherheitsdienst

  • Zurverfügungstellung von Hauspersonal

  • Soziale Betreuung der Bewohner

Diese einheitliche Leistung ist nach § 4 Nr. 18 UStG umsatzsteuerfrei (s.u.). Es ist kein Vertrag besonderer Art anzunehmen, weil die Gebrauchsüberlassung des Grundstücks gegenüber diesen Leistungen nicht zurücktritt (Abschn. 4.12.6. Abs. 1 Satz 1 UStAE).

Das FG Düsseldorf entschied mit Urteil vom , Az. 1 K 3578/15 U, dass die Überlassung einer im Eigentum der Klägerin stehenden Gemeinschaftsunterkunft an eine juristische Person des öffentlichen Rechts einerseits und die weiteren Dienstleistungen der Klägerin zur Bewirtschaftung der Gemeinschaftsunterkunft andererseits zwei sonstige Leistungen seien. Die Vermietungsleistung und die Bewirtschaftungsleistung würden nicht gemeinsam auf einem Vertrag besonderer Art beruhen. Allerdings seien die von der Klägerin – neben der Grundstücksüberlassung als selbstständiger Leistung – erbrachten übrigen Leistungen zur Bewirtschaftung der Gemeinschaftsunterkunft (Unterbringung der Asylbewerber, Bewachung der Unterkunft, soziale Betreuung etc.) als eine einheitliche komplexe sonstige Leistung eigener Art zu beurteilen, die umsatzsteuerpflichtig sei und dem Regelsteuersatz unterliege.

Überdies waren auch verschiedene andere Betreiberverträge für Gemeinschafts-/Flüchtlingsunterkünfte mit Bundesländern, Landkreisen, Städten und Gemeinden Gegenstand des Verfahrens. In diesen Fällen standen die Objekte im Eigentum der juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder wurden ihnen von Dritten zur Verfügung gestellt. Die juristische Person des öffentlichen Rechts als jeweilige Vertragspartnerin überließ der Klägerin das Grundstück entweder entgeltlich oder unentgeltlich zur Bewirtschaftung der Unterkunft. In dem Zusammenhang stellte das FG fest, dass es sich bei den von der Klägerin im Rahmen der jeweiligen Betreiberverträge erbrachten sonstigen Leistungen (Unterbringung, soziale Betreuung, Hausmeisterleistungen, Reinigung etc.) um eine einheitliche komplexe sonstige Leistung eigener Art handele, die weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht umsatzsteuerfrei sei. Die Klägerin erbringe in diesen Fällen weder Vermietungs- noch Beherbergungsleistungen.

Der , die Auffassung des FG Düsseldorf bezüglich der Beurteilung der Bewirtschaftung der Gemeinschaftsunterkunft als einheitliche Leistung bestätigt. Entgegen der Auffassung des FG beurteilte der BFH diese Leistung jedoch nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL umsatzsteuerfrei. Dasselbe gilt auch für den Betrieb einer kommunalen Obdachlosenunterkunft.

Es handelt sich hierbei um eine eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistung, weil Flüchtlinge zum hilfsbedürftigen und damit begünstigten Personenkreis gehören.

Zudem wurde inzwischen § 4 Nr. 18 UStG (Neufassung zum ) unionsrechtskonform an die Vorgaben des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL angepasst. Dementsprechend sieht die Neufassung eine Umsatzsteuerbefreiung für eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Leistungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen vor, die keine systematische Gewinnerzielung anstreben, soweit diese nicht bereits in anderen Nummern des § 4 UStG genannt sind.

Im dazugehörigen wird klargestellt, dass die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 UStG insbesondere bei Leistungen an wirtschaftlich hilfsbedürftige Personen zur Überwindung der wirtschaftlichen Hilfsbedürftigkeit Anwendung findet. Dies gilt auch für Leistungen im Zusammenhang mit der Migration von Menschen, so dass auch die im Zusammenhang mit dem Betrieb von Flüchtlingsunterkünften erbrachten Leistungen, wie die Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge sowie die Verpflegung der Flüchtlinge in Erstaufnahmeeinrichtungen, begünstigt sind.

1.3 Option nach § 9 UStG

Da die Vermietung oder Verpachtung regelmäßig an die öffentliche Hand erfolgt, besteht in diesen Fällen keine Möglichkeit der Option nach § 9 Abs. 1 UStG, da die Verwendung durch die öffentliche Hand als Flüchtlings- / Asylbewerberunterkünfte dem hoheitlichen (nichtunternehmerischen) Bereich zuzuordnen ist.

2. Kurzfristige Vermietung

Sollten ausnahmsweise kurzfristige Verträge abgeschlossen werden, handelt es sich bei der Wohnraumüberlassung um eine nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG ermäßigt zu besteuernde Beherbergungsleistung. Dasselbe gilt für andere Leistungen, die unmittelbar der Beherbergung dienen, auch wenn die Leistungen gegen gesondertes Entgelt erbracht werden (z.B. Bereitstellung von Mobiliar und anderen Einrichtungsgegenständen, Stromanschluss, Reinigung der gemieteten Räume, Überlassung von Bettwäsche und Handtüchern; vgl. Abschn. 12.16. Abs. 4 UStAE). Eventuell erbrachte zusätzliche Dienstleistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen (z.B. Verpflegungsleistungen, Nutzung von Kommunikationsnetzen, Reinigung von Kleidung), unterliegen dem Regelsteuersatz. Dies gilt auch dann, wenn es sich um Nebenleistungen zur Beherbergung handelt und diese Leistungen mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind (Aufteilungsgebot; vgl. Abschn. 12.16. Abs. 5 und 8 UStAE).

3. Vorübergehende Unterbringung in Einrichtungen juristischer Personen des öffentlichen Rechts, steuerbegünstigter Körperschaften und Vermietungsgenossenschaften sowie -vereinen

Zur vorübergehenden Unterbringung von Bürgerkriegsflüchtlingen und Asylbewerbern in Zweckbetrieben steuerbegünstigter Körperschaften, in Einrichtungen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder in Wohnungen von Vermietungsgenossenschaften sowie -vereinen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 10 KStG hat sich das BStBl. I 2014, 1613, geäußert. Die dort genannte zeitliche Befristung für Billigkeitsmaßnahmen wurde mit BStBl I 2018, 982, bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2021 verlängert.

4. Vorübergehende Umnutzung bisher betrieblich genutzter Hallen einer Kommune zur Unterbringung von Flüchtlingen

Werden bisher unternehmerisch genutzte Sport-, Stadt- oder Mehrzweckhallen vorübergehend zur Flüchtlingsunterbringung (hoheitlich) verwendet, ist aus Billigkeitsgründen von einer Vorsteuerberichtigung bzw. Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe abzusehen. Eine vorübergehende Umnutzung wird angenommen, wenn die Zwischennutzung der Halle erkennbar in der Absicht erfolgt, sie anschließend wieder unternehmerischen zu nutzen.

5. Leistungen von Einrichtungen, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen

Zur umsatzsteuerlichen Beurteilung von Leistungen im Zusammenhang mit der Flüchtlingsunterbringung, die durch Einrichtungen erbracht werden, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen, vgl. ofix: UStG/4/145.

Die bisherige Rundvfg. vom wird aufgehoben.

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Fundstelle(n):
WAAAJ-60394