Arbeitslohn oder kein Arbeitslohn?
Kein lohnsteuerlicher Fortsetzungszusammenhang bei (echten) Mitarbeiterbeteiligungen ...
... das ist die – in dieser Deutlichkeit erstmals formulierte – Kernaussage des in Sachen VI R 1/21. Der verbilligte Erwerb einer (Kapital)Beteiligung führt – soweit durch das Arbeitsverhältnis veranlasst – zu einem lohnsteuerbaren Vorteil, der bei Zufluss als Arbeitslohn zu versteuern ist. Damit ist der Erwerbsvorgang steuerlich abgeschlossen. Erwerb und Veräußerung einer (Kapital)Beteiligung (am Arbeitgeber) sind zwei unterschiedliche – steuerlich voneinander getrennt und unabhängig zu betrachtende – Sachverhalte. Deshalb wirkt ein gegebenenfalls bei Erwerb der Beteiligung bestehender arbeitslohnbegründender Veranlassungszusammenhang nicht im Rahmen eines späteren Veräußerungsvorgangs fort. Nach dem Erwerb eintretende Wertänderungen, aber auch (Veräußerungs-)Gewinne (wegen des verbilligten Erwerbs) wie Verluste sind regelmäßig nicht (mehr) durch das Arbeitsverhältnis veranlasst, sondern durch das Sonderrechtsverhältnis „Beteiligung“. Sie werden dem Arbeitnehmer nicht durch den Arbeitgeber vermittelt, sondern sind dem Marktgeschehen geschuldet.
Etwas anderes kann allerdings gelten, wenn der Steuerpflichtige bei der Veräußerung seiner Beteiligung einen marktunüblichen Überpreis erzielt. Denn ein bei der Veräußerung erzielter, über das Marktübliche hinausgehender geldwerter Vorteil kann auch bei Bestehen eines Sonderrechtsverhältnisses durch das Arbeitsverhältnis des Steuerpflichtigen veranlasst sein und deshalb zu Arbeitslohn führen. Ob ein zu einem solchen geldwerten Vorteil führender Leistungsaustausch zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber (oder einem Dritten) den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder aufgrund einer Sonderrechtsbeziehung einer anderen Einkunftsart oder dem nicht einkommensteuerbaren Bereich zuzurechnen ist, ist nach den allgemeinen Grundsätzen und damit nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats aufgrund einer Würdigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Dabei ist der zu beurteilende Lebenssachverhalt nach seinem wirtschaftlichen Gehalt und nicht nach seiner äußeren Erscheinungsform zu würdigen. Der Umstand, dass der Arbeitnehmer die Beteiligung zuvor verbilligt erworben hat, ist aufgrund der vorgenannten „Zäsur“ unerheblich und rechtfertigt insbesondere nicht, einen Veräußerungsgewinn (Differenz zwischen Veräußerungspreis und Anschaffungskosten) als Arbeitslohn anzusetzen.
Soll ein Arbeitnehmer hingegen lediglich an einem künftigen Veräußerungserlös des Unternehmens, für das er tätig ist, teilhaben (weil der Arbeitgeber nur ein dahingehendes schuldrechtliches Versprechen abgegeben, aber den Arbeitnehmer nicht an seinem Unternehmen beteiligt hat, s. , NWB EAAAH-36174), stellt die Zahlung auf dieses Versprechen im Zeitpunkt des Zuflusses Arbeitslohn dar.
Stephan Geserich
Fundstelle(n):
NWB 2024 Seite 569
TAAAJ-60343