BGH Beschluss v. - VII ZR 13/23

Instanzenzug: Az: 31 S 3/22vorgehend Az: 18 C 19/21

Gründe

A.

1Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung einer Provision für die Vermittlung eines Reisevertrags.

2Die Klägerin betreibt ein Reisebüro. Sie vermittelt aufgrund eines Agenturvertrags vom 30. Januar/ seit Jahren Reiseverträge für die Beklagte, eine Reiseveranstalterin.

3Gemäß einer Buchungsbestätigung vom vermittelte die Klägerin für die Reisenden J.     eine Pauschalreise nach Rhodos für den Zeitraum vom bis . Der Reisepreis betrug insgesamt 1.805 €. Die Beklagte konnte den Reisenden das gebuchte Hotel nicht anbieten, weil der Hotelier das Hotel aufgrund eines Rückgangs der Buchungen geschlossen hielt. Die Klägerin stornierte den Reisevertrag für die Reisenden, da diese mit einem anderen Hotel nicht einverstanden waren.

4Mit Rechnung vom stellte die Klägerin der Beklagten für die Vermittlung dieser Pauschalreise eine der Höhe nach unstreitige Provision von 209,38 € in Rechnung. Die Beklagte beglich diese Forderung nicht.

5Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 209,38 € nebst Zinsen sowie zur Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren verurteilt. Ferner hat es die Berufung zugelassen. Die von der Beklagten gegen dieses Urteil eingelegte Berufung ist erfolglos geblieben.

6Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

B.

7Die Revision ist durch Beschluss zurückzuweisen. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor und die Revision hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a ZPO).

I.

8Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:

9Der gemäß § 87a HGB entstandene Provisionsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten sei nicht deshalb entfallen, weil die Reise nicht stattgefunden habe.

10Soweit die Beklagte die Auffassung vertrete, der berechtigte Rücktritt eines Reisekunden lasse nicht nur den Anspruch auf Zahlung des Reisepreises, sondern auch den Anspruch des Reisebüros auf Zahlung von Provision entfallen, sei dies nicht zutreffend. Ob der Anspruch des Reisebüros auf Zahlung von Provision bestehen bleibe oder nicht, richte sich vielmehr nach der gesetzlichen Bestimmung in § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB, mithin danach, ob die Beklagte die Nichtdurchführung des Geschäfts zu vertreten habe oder nicht.

11Bei der Beantwortung dieser Frage folge das Berufungsgericht den zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts in der angefochtenen Entscheidung. Die Nichtöffnung der Hotelanlage stelle keine unmittelbare Folge der Corona-Pandemie dar. Denn zwischen den Parteien sei unstreitig, dass die zum Zeitpunkt der geplanten Reise geltenden Regelungen zur Bekämpfung der Pandemie der Reise nicht entgegengestanden hätten.

12Vielmehr seien es lediglich wirtschaftliche Gründe, nämlich die fehlende Auslastung des Hotels aufgrund von nicht erreichten Buchungszahlen, gewesen, die zu der der Beklagten gemäß § 278 BGB zurechenbaren Entscheidung des Hoteliers führten, das Hotel nicht zu öffnen. Diese Entscheidung habe die Beklagte zu vertreten, da sie ihrem unternehmerischen Risikobereich zuzuordnen sei. Denn anders als in den Fällen, in denen zum Beispiel eine ausgeschriebene Mindestteilnehmerzahl nicht erreicht werde, was dem Risikobereich des Reisebüros zugeordnet werde, trage der Reiseveranstalter das Risiko, dass sich eine Reise als unwirtschaftlich herausstelle dann, wenn dieses Risiko nicht absehbar gewesen sei. So sei es aber im vorliegenden Rechtsstreit gewesen.

13Letztlich könne die Beklagte sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, das Geschäft müsse unter Berücksichtigung der Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB angepasst werden. Ein Festhalten am unveränderten Vertrag sei für die Beklagte nicht unzumutbar.

II.

14Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegt nicht vor.

151. Das Berufungsgericht hat die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO in Anbetracht der abweichenden Rechtsprechung des Amtsgerichts Duisburg im Urteil vom - 512 C 208/21 - zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.

16Damit wird ein Zulassungsgrund nicht aufgezeigt.

17Der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist in den Fällen einer Divergenz gegeben, wenn die anzufechtende Entscheidung von der Entscheidung eines höher- oder gleichrangigen Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (vgl. , BGHZ 154, 288, juris Rn. 11; Beschluss vom - I ZR 237/19 Rn. 8, MMR 2021, 331; Beschluss vom - VII ZR 142/21 Rn. 11). Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor. Bei dem Urteil des Amtsgerichts Duisburg vom - 512 C 208/21 - handelt es sich aus der Perspektive des Berufungsgerichts nicht um die Entscheidung eines höher- oder gleichrangigen Gerichts.

182. Sonstige Zulassungsgründe sind nicht ersichtlich.

III.

19Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts zurückgewiesen. Der als Handelsvertreterin für die Beklagte tätigen Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Provision nach § 87a Abs. 3 Satz 1 HGB zu.

201. a) § 87a Abs. 3 Satz 1 HGB gibt dem Handelsvertreter einen unentziehbaren Anspruch auf Provision, wenn feststeht, dass der Unternehmer das Geschäft nicht oder nicht so ausführt, wie es abgeschlossen wird (vgl. Rn. 46 m.w.N., ZVertriebsR 2017, 224 = IHR 2017, 253; Urteil vom - VII ZR 168/13 Rn. 13, ZVertriebsR 2014, 98 = IHR 2014, 74). Der Anspruch auf Provision entfällt im Falle der Nichtausführung allerdings gemäß § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB, wenn und soweit die Nichtausführung auf Umständen beruht, die vom Unternehmer nicht zu vertreten sind.

21Zu vertreten im Sinne des § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB hat der Unternehmer die Umstände, auf denen die Nichtausführung des Geschäfts beruht, nicht nur dann, wenn ihm oder seinen Erfüllungsgehilfen insoweit persönliches Verschulden zur Last fällt (§§ 276, 278 BGB), sondern darüber hinaus auch dann, wenn sie seinem unternehmerischen oder betrieblichen Risikobereich zuzuordnen sind (vgl. Rn. 54, ZVertriebsR 2017, 224 = IHR 2017, 253; Urteil vom - VII ZR 168/13 Rn. 13, ZVertriebsR 2014, 98 = IHR 2014, 74; Urteil vom - VIII ZR 31/07 Rn. 18, IHR 2008, 201) oder auf einem von ihm übernommenen Risiko beruhen (vgl. Rn. 13 m.w.N., ZVertriebsR 2014, 98 = IHR 2014, 74). Nicht zu vertreten hat der Unternehmer Umstände, die nicht seinem unternehmerischen oder betrieblichen Risikobereich zuzuordnen sind, wie etwa unvorhersehbare Betriebsstörungen oder rechtswidrige Eingriffe von hoher Hand (vgl. Rn. 54 m.w.N., ZVertriebsR 2017, 224 = IHR 2017, 253; Thume in Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Vertriebsrechts, Band 1, 5. Aufl., Kap. V Rn. 461; Emde, Vertriebsrecht, 3. Aufl., § 87a Rn. 83). Dabei ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls unter angemessener Berücksichtigung wirtschaftlicher Gegebenheiten geboten (vgl. Rn. 13, ZVertriebsR 2014, 98 = IHR 2014, 74).

22b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hält die vom Berufungsgericht vorgenommene Würdigung, wonach die Nichtausführung des Reisevertrags auf Umständen beruht, die von der Beklagten zu vertreten sind, der rechtlichen Nachprüfung stand, weshalb der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Provision nach § 87a Abs. 3 Satz 1 HGB zusteht. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts war die Hotelschließung im Zeitraum der geplanten Reise nicht durch rechtliche Regelungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und deren Bekämpfung erzwungen; die in dem genannten Zeitraum geltenden Regelungen standen der Öffnung des Hotels nicht entgegen. Vielmehr beruhte die Hotelschließung nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf einer aufgrund eines Rückgangs der Buchungen getroffenen wirtschaftlichen - der Beklagten zuzurechnenden - Entscheidung des Hoteliers. Selbst wenn entsprechend dem Vorbringen der Beklagten in den Tatsacheninstanzen davon ausgegangen wird, der Hotelier habe sich zur Schließung der Hotelanlage aus wirtschaftlichen Gründen wegen der konkreten Buchungssituation entschlossen, wobei die fehlende Auslastung eine Folge der Corona-Pandemie gewesen sei, ändert dies nichts daran, dass die Nichtausführung des Reisevertrags auf Umständen beruht, die dem unternehmerischen Risikobereich der Beklagten zuzuordnen sind. Selbst wenn der Ausbruch der Corona-Pandemie die Auslastung des Hotels im betreffenden Reisezeitraum beeinflusst haben mag, ist die Nichtöffnung des Hotels doch keine zwangsläufige Folge der Corona-Pandemie, sondern beruht auf der unternehmerischen Entscheidung des Hoteliers.

232. Aus der Regelung in Ziffer 3. der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zu Fallkonstellationen, bei denen ein Provisionsanspruch nicht besteht, ergibt sich nichts Abweichendes. Es kann im vorliegenden Zusammenhang dahinstehen, ob, wozu das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat, diese Bestimmung Bestandteil des von den Parteien geschlossenen Agenturvertrags geworden ist. Des Weiteren kann offenbleiben, ob diese Bestimmung eine für die Klägerin gegenüber der Regelung in § 87a Abs. 3 HGB nachteilige Vereinbarung bezüglich des Entfallens des Provisionsanspruchs enthält. Denn nach § 87a Abs. 5 HGB sind von § 87a Abs. 3 HGB abweichende, für den Handelsvertreter nachteilige Vereinbarungen unwirksam.

3. Soweit das Berufungsgericht eine Vertragsanpassung zu Gunsten der Beklagten nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage abgelehnt hat, hält dies der rechtlichen Nachprüfung jedenfalls im Ergebnis stand. Denn § 87a Abs. 3 HGB enthält eine Spezialvorschrift zur Risikoverteilung bezüglich des Entfallens des Provisionsanspruchs bei Nichtausführung des Geschäfts durch den Unternehmer, die den Grundsätzen der Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage vorgeht.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:270923BVIIZR13.23.0

Fundstelle(n):
UAAAJ-59982