BGH Urteil v. - 6 StR 346/23

Instanzenzug: Az: 6 StR 346/23 Beschlussvorgehend LG Regensburg Az: 7 KLs 507 Js 7814/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen (B.I.1, 3 bis 5), wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen (B.I.6), wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (B.I.2) und wegen Besitzes von Betäubungsmitteln (B.I.7) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt, eine Einziehungsentscheidung getroffen und die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die wirksam auf den Schuldspruch im Fall B.I.6 und den Gesamtstrafausspruch beschränkte und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

21. a) Nach den Feststellungen zu Fall B.I.6 verkaufte und übergab der Angeklagte zum Zweck der Gewinnerzielung dem gesondert Verfolgten C.      auf Kommission 15 Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von fünf Prozent. Am fuhren der Angeklagte und der gesondert Verfolgte A.      nach Nürnberg, um entweder mittels Verwendung eines vom Angeklagten mitgeführten Küchenmessers mit einer Klingenlänge von 7,5 Zentimeter, Androhen des Einsatzes einer Nebelgranate oder durch Entführung C.      s jenen zur Bezahlung zu veranlassen. Der Angeklagte wusste, dass er gegen C.      keinen durchsetzbaren Anspruch auf das Geld hatte. Das Messer und die Nebelgranate hatte er griffbereit im Fahrzeug bei sich. Bei einer Nebelgranate handelt es sich um einen pyrotechnischen Gegenstand, der zu einer starken Rauchentwicklung führt und bei bis zu 300 Grad Celsius langsam abbrennt.

3Der Angeklagte und A.      stellten ihr Fahrzeug um 7.57 Uhr ab und gingen zu Fuß zu der von ihnen angenommenen Anschrift C.       s. Sie wussten nicht, dass dieser nicht dort, sondern fünf Kilometer entfernt wohnte. Da die Polizei durch die akustische Innenraumüberwachung des Fahrzeugs auf das Vorhaben aufmerksam geworden war, wurden beide ab 9.05 Uhr observiert und um 10.16 Uhr nahe der vermeintlichen Wohnanschrift festgenommen.

4b) Das Landgericht hat ein bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln angenommen (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG), weil der Angeklagte das Messer und die Nebelgranate auf der Fahrt, die der Eintreibung des Kaufpreises diente, bewusst und mit der Absicht ihres Einsatzes während eines Teilakts des Handeltreibens griff- und einsatzbereit mit sich führte. Demgegenüber sei der Angeklagte nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 StGB freiwillig von der Verabredung zu einem Verbrechen zurückgetreten. Das Landgericht hat es für „nicht gänzlich unwahrscheinlich“ gehalten, dass beide bis kurz vor dem polizeilichen Zugriff in der Annahme, C.      noch anzutreffen, jedenfalls ihr Vorhaben, die Zahlung durch Einwirkung auf C.      mittels Gewalt, Drohung oder durch dessen Entführung zu erreichen, freiwillig aufgegeben haben.

52. Die Beschwerdeführerin wendet sich zu Recht gegen die Beweiswürdigung, die der Annahme des Landgerichts zugrundeliegt, der Angeklagte sei von der – für sich gesehen rechtsfehlerfrei bejahten – Verbrechensverabredung (§ 30 Abs. 2 Fall 3 Alt. 1 StGB) strafbefreiend zurückgetreten.

6a) Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung dahin eingelassen, dass er vor seiner Festnahme von dem Vorhaben, auf C.       mit dem Küchenmesser oder der Nebelgranate oder durch Entführen einzuwirken, aus freien Stücken Abstand genommen habe. Entsprechendes hat auch A.      bekundet. Das Landgericht hat mit Blick darauf, dass die akustische Überwachung um 7.57 Uhr endete und die beiden erst ab 9.05 Uhr observiert und um 10.16 Uhr festgenommen wurden, ein freiwilliges Abrücken von dem Vorhaben nicht ausschließen können. Der fortwährende Aufenthalt beider in der Nähe des Anwesens spreche zwar dagegen. Aber aus den abgehörten Gesprächen auf der Fahrt ergebe sich eine gewisse Unentschlossenheit in Bezug auf die konkrete Nötigungshandlung und die Angst vor Entdeckung.

7b) Diese Ausführungen stoßen auch eingedenk des insoweit beschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. mwN) auf durchgreifende Bedenken. Die Urteilsgründe lassen schon nicht erkennen, dass das Landgericht die Einlassung des Angeklagten hinreichend kritisch gewürdigt hat. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (st. Rspr.; vgl. mwN). Danach sind auch entlastende Angaben des Angeklagten nicht schon deshalb als unwiderlegbar hinzunehmen, weil es für das Gegenteil keine unmittelbaren Beweise gibt (st. Rspr.; vgl. , Rn. 11 mwN). Dem Urteil lässt sich kein tatsachenfundierter Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass der Angeklagte und A.     gerade in der Zeit der fehlenden akustischen Überwachung von ihrem Vorhaben Abstand genommen haben. Vielmehr ergibt sich aus den Gesprächsaufzeichnungen, aus denen das Landgericht die Verabredung zu einem Verbrechen hergeleitet hat, dass beide bis zu dem Zeitpunkt, als sie das Auto verließen, davon ausgingen, nicht ohne Nötigungsmittel ihr Ziel erreichen zu können.

83. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei fehlerfreier Beweiswürdigung die Überzeugung davon gewonnen hätte, dass der Angeklagte und A.      nicht im Sinne von § 31 Abs. 1 Nr. 3 StGB von ihrem Vorhaben Abstand genommen haben. Der rechtsfehlerfreie Schuldspruch wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln wird wegen der gegebenenfalls tateinheitlichen Begehung von der Aufhebung umfasst.

9Der Wegfall der für diese Tat verhängten Strafe zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Die Sache bedarf im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung.

104. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

11a) Das Landgericht wird als wesentliches Beweisanzeichen auch in den Blick zu nehmen haben, wo sich Messer und Nebelgranate im Zeitpunkt der Festnahme befanden.

12b) Bei der Beweiswürdigung wird weiter zu berücksichtigen sein, ob der Angeklagte – was die Urteilsgründe hier nahelegen – Antworten auf einzelne Fragen verweigert hat (zum Teilschweigen vgl. , Rn. 11 mwN).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:070224U6STR346.23.0

Fundstelle(n):
BAAAJ-59877