BGH Beschluss v. - 1 StR 411/23

Beanstandung der Ablehnung von Beweisanträgen

Gesetze: § 81c Abs 1 StPO, § 244 Abs 2 StPO, § 244 Abs 4 S 1 StPO, § 344 Abs 2 S 2 StPO

Instanzenzug: LG Mannheim Az: 4 KLs 210 Js 20489/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Übergriffs in Tateinheit mit Diebstahl zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Es hat ferner die Einziehung einer im Urteil näher bezeichneten MicroSD-Speicherkarte angeordnet. Der Angeklagte wendet sich mit seiner auf Verfahrensbeanstandungen und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Mit Zustimmung des Generalbundesanwalts hat der Senat aus prozessökonomischen Gründen zur Vermeidung einer neuen Hauptverhandlung nach § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO von einer Einziehung der im Urteil näher bezeichneten MicroSD-Speicherkarte abgesehen. Die Einziehungsentscheidung entfällt.

32. Die Verfahrensbeanstandungen vermögen dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg zu verhelfen. Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat Folgendes:

4a) Es kann letztlich dahinstehen, ob die Rüge, das Landgericht habe bei der Ablehnung des Antrags auf Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens zur Glaubhaftigkeit der Angaben der Geschädigten gegen § 244 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 2 StPO verstoßen, deshalb unzulässig ist, weil zu einer Einwilligung der Geschädigten in eine Exploration nichts vorgetragen worden ist. Die Verfahrensbeanstandung erweist sich jedenfalls aus den zutreffenden Gründen der Zuleitungsschrift des Generalbundesanwalts als unbegründet. Soweit der Senat in früheren Entscheidungen (vgl. Beschlüsse vom – 1 StR 602/12 und vom – 1 StR 284/04) einen Sachvortrag zur Einwilligung der zu begutachtenden Person in die Untersuchung für erforderlich gehalten hat, hält er hieran jedenfalls für die Fälle, in denen das Tatgericht den Antrag auf Begutachtung wegen eigener Sachkunde abgelehnt hat, aus den Gründen der Beschlüsse des 3. Strafsenats des Rn. 4) und des 4. Strafsenats des Rn. 6) nicht fest.

5b) Die Rüge, die Strafkammer habe den Antrag des Beschwerdeführers auf Auswertung der Standortdaten seines Handys zum Beweis dafür, dass dieses zur Tatzeit nicht im Funkzellenbereich des Tatorts eingeloggt war, sondern sich der Beschuldigte mit diesem anderenorts aufhielt, rechtsfehlerhaft wegen völliger Ungeeignetheit des Beweismittels abgelehnt (§ 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 StPO), ist unbegründet. Das Landgericht hat den Antrag zum Nachweis einer Negativtatsache rechtsfehlerfrei als Beweisantrag gemäß § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 StPO verbeschieden. Auch hätte sich die Auswertung der Standortdaten dem Landgericht nicht aufdrängen müssen (§ 244 Abs. 2 StPO).

6c) Ebenso wenig dringt die Revision mit der Rüge durch, das Landgericht habe die Beiziehung von Personalakten rechtsfehlerhaft als für die Schuld- und Straffrage aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos abgelehnt (§ 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 StPO). Ungeachtet der Frage, ob das Beweisbegehren als Beweisantrag zu qualifizieren oder – wofür viel spricht – mit Blick darauf, dass sich der Antrag unspezifiziert auf Beiziehung der gesamten Personalakte bezogen hat, lediglich als Beweisermittlungsantrag anzusehen ist (vgl. zu Krankenunterlagen: Rn. 6 ff.; allgemein zu Akten als Urkundensammlungen: , BGHSt 6, 128 und vom – 3 StR 459/87, BGHSt 37, 168, 172; vgl. auch Becker in Löwe/Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 244 Rn. 106), erweist sich die Ablehnungsentscheidung als rechtsfehlerfrei.

7d) Soweit der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen das faire Verfahren und eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung (§ 338 Nr. 8 StPO) wegen fehlender Erteilung von Abschriften in der Hauptverhandlung verkündeter Beschlüsse (§ 35 Abs. 1 Satz 2 StPO) und fehlender Gewährung von Akteneinsicht in das vorläufige Protokoll gerügt hat, dringt er auch damit jedenfalls in der Sache nicht durch, da dem Revisionsvorbringen nicht zu entnehmen ist, dass er hierdurch in seinem Recht auf Verteidigung beeinträchtigt worden wäre.

83. Die materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils aufgrund der erhobenen Sachrüge hat im Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt. Das Landgericht hat die rechtsfehlerfrei unter § 177 Abs. 1 und 5 Nr. 1 StGB subsumierte Tat lediglich unzutreffend als "sexuellen Übergriff" bezeichnet. Der Senat korrigiert dies in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO.

94. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 4 StPO; angesichts des nur geringfügigen Erfolgs der Revisionen ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten und Auslagen seines Rechtsmittels zu belasten (zur Einheitlichkeit der Kostenentscheidung nach § 473 Abs. 4 StPO bei vollständigem oder teilweisem Absehen von der Einziehungsentscheidung nach § 421 Abs. 1 StPO vgl. Rn. 3 ff. mwN).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:120124B1STR411.23.0

Fundstelle(n):
CAAAJ-58455