PiR Nr. 2 vom Seite 29

Basteln ohne Schablone ...

Jens Freiberg | pir-redaktion@nwb.de

Liebe Leserinnen und Leser,

für das Kalenderjahr 2024 sind für bestimmte Unternehmen, insbesondere solche, die bislang bereits zur Veröffentlichung einer nichtfinanziellen Erklärung verpflichtet waren, erstmals die Anforderungen der ESRS für die Bereitstellung von nachhaltigkeitsbezogenen (Finanz-)Informationen zu berücksichtigen. Der Katalog der Angabepflichten erstreckt sich über mehrere Standards und deckt umfangreiche Angaben zu den Bereichen „Umwelt“, „Soziales“ und „Unternehmensführung“ ab. In Anerkennung der mit der erstmaligen Anwendung verbundenen Herausforderungen gibt es zwar Erleichterungen, die allerdings mühsam aus den Vorgaben abgeleitet werden müssen und im ersten Jahr zu einem Flickenteppich an Informationen führen.

Es lässt sich auf jeden Fall konstatieren: Die schiere Regelflut führt zur Überforderung, nicht nur bei den Erstellern, sondern auch den Adressaten. Es braucht daher eine Standardisierung, gerne auch eine Schablone. Zu viel eigene Kreativität führt nur zu weniger Transparenz, die Kunst liegt in der Verständlichkeit und Verlässlichkeit der nachhaltigkeitsbezogenen (Finanz-)Informationen. Ein Basteln ohne Schablone birgt das Risiko, der Erwartungshaltung der Adressaten nicht gerecht zu werden.

In unserer Rubrik IFRS Aktuell stellt WP Prof Dr. Daniel T. Fischer die unmittelbar vor Weihnachten veröffentlichten Entwürfe mit Hilfestellungen zur Implementierung der europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattung dar. Es bleibt abzuwarten, ob und inwieweit damit eine hilfreiche Schablone bereitgestellt wird. Weiterhin unklar bleibt der Grad der möglichen Harmonisierung im Sinne einer „global baseline“ der aktuell nebeneinanderstehenden Anforderungen an nachhaltigkeitsbezogene (Finanz-)Informationen. Ob es zum Anschluss Europas an internationale Standards kommen wird, greift Dr. Josef Baumüller im Kontext der Interoperabilität der ESRS auf.

Im Bereich der IFRS-Rechnungslegung liegt mit ED/2023/5 ein Entwurf zur Klassifizierung von Finanzinstrumenten, insbesondere der Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital vor. CPA Sebastian Weller und Jana Michel stellen die vorgeschlagenen, nicht weitreichenden Eingriffe in das Regelwerk vor. Unterm Strich bleiben nur Klarstellungen, die Revolution bleibt aus. Die bilanzielle Abbildung von Eigenkapital wird im Zusammenhang mit dem Erwerb eigener Anteile von WP/StB Mark Schiffer und WP/StB Prof. Dr. Jörg-Andreas Lohr aufgegriffen.

Die Klammer um die gesamten (Finanz-)Informationen zieht nach den Ausführungen von Sebastian Weller und MSc Jordi Louis Geuken das Enforcement. Die Prüfungsschwerpunkte 2024 für die Abschlüsse zum Ende des Kalenderjahres 2023 stellen aktuell noch auf die Konsistenz der finanziellen und nichtfinanziellen Berichterstattung ab. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die ESMA eine Schablone für das Enforcement heranziehen wird.

Ich wünsche Ihnen viel Freude mit der Lektüre, vielleicht bleibt ja auch Zeit etwas zum Basteln.

Herzlichst

Jens Freiberg

Fundstelle(n):
PiR 2/2024 Seite 29
WAAAJ-58295