Äpfel mit Birnen
BFH bessert den Webfehler im sog. 90 %-Einstiegstest aus
Sie liegt nun schon eine ganze Weile zurück, meine Grundschulzeit. Ich erinnere mich aber sehr gut an sie, gern auch an das Fach „Rechnen“. Tief ins Mathematikgedächtnis eingebrannt hat sich bei mir die Unterrichtsstunde „Dividieren“: Mit Apfel, Obstmesser und (neuem) Frühstücksbrettchen ausgestattet, ging es ans Teilen – schließlich hilft Visualisierung beim Verstehen, was auch schon im vor-digitalen Zeitalter durchaus bekannt war. Dass wir allerdings auch einmal Äpfel und Birnen hätten mitbringen müssen, um zu verstehen, dass sich Äpfel nicht mit Birnen vergleichen und auch nicht addieren lassen, daran kann ich mich nicht erinnern. Vielleicht hatten unsere Lehrer in dieser Hinsicht großes Vertrauen in unsere Vorstellungskraft. Genau daran scheint es aber dem Gesetzgeber in der Hektik des Gesetzgebungsverfahrens zur Erbschaftsteuerreform 2016 gefehlt zu haben. Dies würde jedenfalls den „Webfehler“ im sog. 90 %-Einstiegstest erklären. Dieser in § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG verortete Einstiegstest dient dem Ziel, nur die Übertragung „echten“ Betriebsvermögens steuerlich zu begünstigen. Im Kern problematisch ist die Norm, weil sie – wie es Demuth in NWB 51/2023 S. 3490 treffend formuliert hat – einen strukturellen „Webfehler“ aufweist, indem sie das Verwaltungsvermögen ohne Abzug von betrieblichen Schulden (Bruttowert) in Relation zum Unternehmenswert bzw. dem Wert des übertragenen Gesellschaftsanteils setzt, bei dem sich die betrieblichen Schulden wertmindernd ausgewirkt haben (Nettogröße). Man könnte auch sagen: Bei § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG werden Äpfel mit Birnen verglichen – mit weitreichenden Konsequenzen für Handels- und Dienstleistungsunternehmen, die dadurch Gefahr laufen, den Einstiegstest regelmäßig nicht zu bestehen. Jetzt hat der Bundesfinanzhof Gelegenheit gehabt und diese auch genutzt, um den „Webfehler“ auszubessern. Wie er die Norm verfassungsgerecht interpretiert wissen will, erläutert Saecker auf .
Wie es weitergeht mit dem Wachstumschancengesetz beschäftigt seit dem Beschluss des Bundesrats am , den Vermittlungsausschuss anzurufen, die Steuerwelt. Bislang waren lediglich einige technische Punkte des Gesetzes, deren gesetzgeberische Umsetzung zum geboten war, in das am verkündete Kreditzweitmarktförderungsgesetz überführt worden (s. dazu Hechtner, NWB 1/2024 S. 17). Nun scheint es aber Bewegung zu geben. Nach sondierenden Gesprächen im Vorfeld wird der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat am zusammenkommen, um sich mit dem Wachstumschancengesetz zu befassen. Wie das Ergebnis aussehen wird, ist offen. Zu vermuten ist aber, dass neben der kritisierten Klimaschutz-Investitionsprämie auch die Ausgestaltung der bisher angedachten Abschreibungsbedingungen im Fokus stehen wird.
Beste Grüße
Reinhild Foitzik
Fundstelle(n):
NWB 2024 Seite 297
UAAAJ-58073