BGH Beschluss v. - 6 StR 472/23

Instanzenzug: LG Stade Az: 201 KLs 9/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten M.     wegen zahlreicher Straftaten unter Einbeziehung anderweitig erkannter Strafen zu zwei Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt. Zudem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Den Angeklagten Ma.  hat es wegen räuberischer Erpressung unter Einbeziehung anderweitig erkannter Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und einem Monat verurteilt. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen. Das Rechtsmittel des Angeklagten M.     hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es ebenso wie die Revision des Angeklagten Ma.  unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die gegen den Angeklagten M.    verhängte erste Gesamtstrafe bedarf der Änderung.

3Das Landgericht hat ihn wegen Diebstahls, räuberischer Erpressung, Bedrohung, schwerer Brandstiftung, Brandstiftung sowie Wohnungseinbruchdiebstahls unter Einbeziehung von Strafen zu einer ersten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt, die im Urteilstenor mit fünf Jahren, hingegen in den Urteilsgründen mit vier Jahren und sechs Monaten bestimmt ist. Der Senat hat daher entsprechend § 354 Abs. 1 StPO auf die niedrigere der beiden Strafen erkannt (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 31/17; vom – 3 StR 349/17, vom – 6 StR 306/20).

42. Die Anordnung der Unterbringung dieses Angeklagten in einer Entziehungsanstalt begegnet durchgreifenden Bedenken.

5a) Der Senat hat seiner Entscheidung die am in Kraft getretene Fassung des § 64 StGB (BGBl I Nr. 203 vom ) zugrunde-zulegen (§ 2 Abs. 6 StGB, § 354a StPO).

6Genügte nach § 64 Satz 2 StGB in der bis zum geltenden Fassung eine „hinreichend konkrete Erfolgsaussicht“, setzt § 64 Satz 2 StGB nunmehr voraus, dass der Behandlungserfolg „aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte zu erwarten“ ist. Durch die Neufassung der Vorschrift sind die Anforderungen an eine günstige Behandlungsprognose „moderat angehoben“ worden, indem jetzt eine „Wahrscheinlichkeit höheren Grades“ vorausgesetzt wird; im Übrigen bleibt es dabei, dass die Beurteilung der Erfolgsaussicht im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und aller sonstigen maßgebenden Umstände vorzunehmen ist (vgl. ; BT-Drucks. 20/5913, S. 70).

7b) Hieran gemessen halten die die Erfolgsaussicht begründenden Erwägungen des Landgerichts revisionsgerichtlicher Prüfung nicht stand. Seine Annahme, für den Angeklagten sei eine „noch hinreichend konkrete Behandlungsaussicht“ gegeben, lässt vor allem wegen der zahlreichen prognoseungünstigen Umstände – namentlich der mehrjährigen Suchterkrankung, des Rückfalls kurze Zeit nach einer stationären Rehabilitationsmaßnahme und des fehlenden sozialen Empfangsraums – nicht die Feststellung zu, dass die nunmehr für einen Therapieerfolg geforderte „Wahrscheinlichkeit höheren Grades“ besteht.

83. Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung – wiederum unter Heranziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) – neuer Verhandlung und Entscheidung. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass das neue Tatgericht Umstände feststellt, die eine Erfolgsaussicht der Therapie nach dem neuen Maßstab begründen. Der Senat hebt die zugehörigen Feststellungen auf, um dem neuen Tatgericht eigene, widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen (§ 353 Abs. 2 StPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:141223B6STR472.23.0

Fundstelle(n):
DAAAJ-57555