BGH Beschluss v. - 4 StR 59/24

Instanzenzug: LG Hagen (Westfalen) Az: 46 KLs 1/23nachgehend Az: 4 StR 59/24 Beschluss

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und acht Monaten verurteilt. Zudem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und einen Vorwegvollzug von 22 Monaten der Freiheitsstrafe angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die Nachprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch – obgleich die Strafkammer nicht wie geboten zwischen den zum Eigenkonsum und den zum Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmittelmengen differenziert hat (vgl. hierzu etwa Rn. 5 mwN) – aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

32. Die Maßregelanordnung hat keinen Bestand. Der Senat hat insofern seiner Entscheidung gemäß § 354a StPO die zum in Kraft getretene Neufassung des § 64 StGB (BGBl. 2023 I Nr. 203) zugrunde zu legen. Die dort normierten und nach § 2 Abs. 6 StGB auch in Altfällen geltenden Voraussetzungen für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sind den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Dies gilt nicht nur für den erforderlichen symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Substanzkonsum des Angeklagten und der Begehung der Anlasstat, sondern auch für die notwendige Erfolgsaussicht der Maßregel.

4a) Die Anlasstat muss nach § 64 Satz 1 StGB nF „überwiegend“ auf den Hang zurückgehen, alkoholische Getränke oder – wie hier – andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Nach dem Willen des Gesetzgebers reicht eine bloße Mitursächlichkeit des Hangs für die Tat nur noch dann aus, wenn sie andere Ursachen quantitativ überwiegt. Das Vorliegen dieses Kausalzusammenhangs ist durch das Tatgericht – gegebenenfalls unter sachverständiger Beratung – positiv festzustellen (vgl. BT-Drucks. 20/5913 S. 69 f.; Rn. 6; Beschluss vom – 5 StR 246/23 Rn. 3).

5Das Landgericht, das seiner Entscheidung diesen strengeren Anordnungsmaßstab noch nicht zugrunde legen konnte, hat lediglich ausgeführt, der Angeklagte habe „den Drogenhandel zumindest auch betrieben, um seinen eigenen Konsum zu finanzieren.“ Die weiter gehende Einlassung des Angeklagten, „hauptsächlich“ aus diesem Grund die Straftaten begangen zu haben, hat die Strafkammer allein mitgeteilt, jedoch keine entsprechenden Feststellungen getroffen. Damit war zwar den Anforderungen von § 64 StGB aF an den symptomatischen Zusammenhang genügt; es fehlt aber eine Aussage zu der nunmehr entscheidenden Frage, inwieweit der Substanzkonsum – und nicht etwa ein hiervon losgelöstes Gewinnstreben – die überwiegende Ursache für die (in gleichartiger Tateinheit stehenden) Anlasstaten war.

6b) Ferner ist die Erfolgsaussicht der Maßregel nicht tragfähig belegt. Durch § 64 Satz 2 StGB nF sind die Anforderungen an eine günstige Behandlungsprognose „moderat angehoben“ worden, indem jetzt eine „Wahrscheinlichkeit höheren Grades“ vorausgesetzt ist. Im Übrigen bleibt es dabei, dass die Beurteilung der Erfolgsaussicht im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und aller sonstigen maßgebenden Umstände vorzunehmen ist (vgl. BT-Drucks. 20/5913, S. 70; Rn. 6).

7Die Strafkammer hat ihre Erwägungen allein an dem weniger strengen Maßstab der hinreichend konkreten Erfolgsaussicht nach § 64 Satz 2 StGB aF ausgerichtet. Dem gegenwärtigen Maßstab für eine günstige Behandlungsprognose werden die Urteilsgründe schon deshalb nicht gerecht (vgl. Rn. 18). Überdies hat das Landgericht im Rahmen der gebotenen Gesamtschau wesentliche prognoseungünstige Faktoren nicht in den Blick genommen. Dies gilt insbesondere für die langjährige polyvalente Suchterkrankung des Angeklagten und seine darüber hinaus festgestellten ungünstigen Lebensumstände (Berufslosigkeit, fehlende Tagesstruktur, erneute Straffälligkeit; vgl. hierzu auch Rn. 12 mwN).

8c) Die Aufhebung der Unterbringungsanordnung entzieht dem Ausspruch über den Vorwegvollzug die Grundlage. Der Senat hebt auch die zugehörigen Feststellungen auf (§ 353 Abs. 2 StPO), um dem neuen Tatgericht insgesamt widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen. Sollte das neue Tatgericht abermals die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anordnen, wird es über einen Vorwegvollzug nach Maßgabe von § 67 Abs. 2 und 5 StGB nF zu entscheiden haben (vgl. Rn. 14 mwN).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:120324B4STR59.24.0

Fundstelle(n):
AAAAJ-64833