BGH Beschluss v. - 2 StR 427/23

Instanzenzug: LG Aachen Az: 91 KLs 3/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung von zwei früheren Verurteilungen zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es die Einziehung des Werts von Taterträgen in Höhe von 2.982 Euro gegen den Angeklagten als Gesamtschuldner aus einer der früheren Verurteilungen aufrechterhalten. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Der Strafausspruch begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken und hat keinen Bestand.

3Ausgehend von der Annahme schädlicher Neigungen und einer Schwere der Schuld hat die Strafkammer die den ausgeurteilten Sachverhalt betreffenden Strafzumessungserwägungen in den Blick genommen. Sodann hat es unter Bezugnahme hierauf „im Rahmen der gebotenen Gesamtschau unter Einbeziehung [der zwei früheren Verurteilungen] und Berücksichtigung der dort festgestellten Taten und der dortigen Ausführungen zur Strafzumessung“ auf eine Einheitsjugendstrafe erkannt. Dies ist rechtsfehlerhaft. Denn bei Anwendung von § 31 Abs. 2 JGG verliert das einbezogene Urteil im Strafausspruch seine Wirkung mit der Folge, dass der zur Verhängung einer einheitlichen Jugendstrafe berufene Tatrichter im Rahmen der Strafzumessung eine neue, selbstständige, von der früheren Beurteilung unabhängige einheitliche Rechtsfolgenbemessung für die früher und jetzt abgeurteilten Taten vorzunehmen hat ( Rn. 4 mwN). Daran fehlt es hier.

42. Auch die Einziehungsentscheidung unterliegt der Aufhebung.

5Wird ein früheres Urteil gemäß § 105 Abs. 1, § 31 Abs. 2 Satz 1 JGG in die nunmehrige Entscheidung einbezogen, so entfallen die in dem einbezogenen Urteil verhängten Rechtsfolgen, als wäre diese Entscheidung nicht ergangen. Hierzu zählt auch die Einziehung als Nebenfolge i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 1 JGG. Die Voraussetzungen der festgesetzten Maßnahmen sind erneut zu prüfen und gegebenenfalls neu anzuordnen (, NStZ-RR 2023, 93 mwN). Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Die Strafkammer hat nicht nach Prüfung erneut über die Einziehung entschieden, sondern bloß deren Bestehenbleiben angeordnet.

63. Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung. Das neue Tatgericht wird bei der Strafzumessung zudem in den Blick zu nehmen haben, dass auch im Jugendstrafecht der Grundsatz gilt, dass zulässiges Verteidigungsverhalten (hier: „die Tatbegehung massiv herabspielende […] und eine tatsächlich nicht vorliegende Notwehrsituation konstruierende […] Einlassung“) nicht zum Nachteil des Angeklagten (hier: zur Bejahung schädlicher Neigungen) verwertet werden darf (st. Rspr.; vgl. nur Rn. 8 mwN); gegebenenfalls darüberhinausgehende Umstände („unkritische Verharmlosungstendenzen“) wären überdies allein durch eine Verteidigererklärung, die sich der Angeklagte zu eigen macht, nicht hinreichend belegt.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:211123B2STR427.23.0

Fundstelle(n):
XAAAJ-56426