Besitzen Sie diesen Inhalt bereits,
melden Sie sich an.
oder schalten Sie Ihr Produkt zur digitalen Nutzung frei.
Krisenfrüherkennung mittels Jahresabschlusskennzahlen
Teil 2: Analyse der Vermögenslage
Die Vermögenslage i. e. S. umfasst die bilanzielle Erfassung aller Vermögensgegenstände und damit die Positionen der Aktivseite der Bilanz. I. w. S. wird auch der Saldo zwischen Vermögensgegenständen und Schulden im Rahmen der Analyse der Vermögenslage beurteilt. Diese Sichtweise schließt eine Verbindung zwischen Aktiva und Passiva ein, soll hier aber im Folgebeitrag zur Finanzlage behandelt werden.
Die weiteren Beiträge aus der Beitragsreihe finden Sie hier:
Teil 1: Krisenfrüherkennung mittels Jahresabschlusskennzahlen – Teil 1: Kennzahlen, Diskriminanzanalyse und Künstliche Intelligenz: NWB CAAAJ-55208,
Teil 3: Krisenfrüherkennung mittels Jahresabschlusskennzahlen – Teil 3: Analyse der Finanzlage: NWB RAAAJ-56882,
Teil 4: Krisenfrüherkennung mittels Jahresabschlusskennzahlen – Teil 4: Analyse der Erfolgslage: NWB DAAAJ-57931,
Teil 5: Krisenfrüherkennung mittels Jahresabschlusskennzahlen – Teil 5: Cashflow und Cashflow-Kennzahlen NWB MAAAJ-59065 und
Teil 6: Krisenfrüherkennung mittels Jahresabschlusskennzahlen – Teil 6: Bewegungsbilanz und Kapitalflussrechnung: NWB IAAAJ-60150.
.
I. Ausgangsdaten
1. Jahresabschluss
Der [i]FallbeispielBeitrag beruft sich an verschiedenen Stellen zur Verdeutlichung einzelner Aspekte auf ein Fallbeispiel. Grundlage des durchgängigen Fallbeispiels ist folgender verdichteter Jahresabschluss nach Maßgabe der §§ 264 ff. HGB. Für die Kennzahlenanalyse können die üblichen, durchschnittlichen Relationen des verarbeitenden Gewerbes zugrunde gelegt werden.
Bilanz:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Aktiva (Mio. €) | Passiva (Mio. €) | ||||||
Position | 20t2 | 20t1 | Position | 20t2 | 20t1 | ||
A. I. II. III. B. I. II. III. IV. | Anlagevermögen Immaterielle Vermögensgegenstände Sachanlagen Finanzanlagen Umlaufvermögen Vorräte Forderungen aus LuL (alle kurzfristig) Sonstige Vermögensgegenstände Liquide Mittel | 232,0 38,0 178,0 16,0 278,0 114,0 122,0 23,0 19,0 | 250,0 42,0 188,0 20,0 250,0 90,0 103,0 34,0 23,0 | A. I. II. III. B. 1. 2. C. 1. 2. 3. | Eigenkapital Gezeichnetes Kapital Kapitalrücklage Gewinnrücklagen Rückstellungen Pensionsrückstellungen Sonstige Rückstellungen Verbindlichkeiten Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten (davon kurzfristig) Verbindlichkeiten aus LuL (alle kurzfristig) Sonstige Verbindlichkeiten (alle kurzfristig) | 120,0 52,0 24,0 44,0 54,0 18,0 36,0 336,0 214,0 (114,0) 74,0 48,0 | 130,0 52,0 24,0 54,0 58,0 18,0 40,0 312,0 184,0 (84,0) 86,0 42,0 |
Summe Aktiva | 510,0 | 500,0 | Summe Passiva | 510,0 | 500,0S. 32 |
GuV:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Position (Mio. €) | 20t2 | 20t1 |
Umsatzerlöse + Erhöhung des Bestands an fertigen und unfertigen Erzeugnissen | 704,0 16,0 | 800,0 0,0 |
= Gesamtleistung | 720,0 | 800,0 |
./. Materialaufwand ./. Personalaufwand ./. Abschreibungen ./. Sonstige betriebliche Aufwendungen | 322,0 198,0 46,0 151,0 | 352,0 208,0 44,0 166,0 |
= Ergebnis der betrieblichen Tätigkeit (EBIT) | 3,0 | 30,0 |
./. Zinsaufwendungen | 13,0 | 9,0 |
= Ergebnis vor Steuern (EBT) | ./.10,0 | 21,0 |
./. Steuern vom Einkommen und Ertrag | 0,0 | 7,0 |
= Ergebnis nach Steuern | ./.10,0 | 14,0 |
Anlagespiegel zum 31.12.20t2:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Position (Mio. €) | Historische AHK | Zugänge./. Abgänge | Abschreibungen | Restbuchwert 20t1 | Restbuchwert 20t2 |
Immat. AV | 74,0 | 4,0 | 8,0 | 42,0 | 38,0 |
SAV | 374,0 | 28,0 | 38,0 | 188,0 | 178,0 |
FAV | 20,0 | ./. 4,0 | 0,0 | 20,0 | 16,0 |
Summe | 468,0 | 28,0 | 46,0 | 250,0 | 232,0 |
Anlagespiegel zum 31.12.20t1:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Position (Mio. €) | Historische AHK | Zugänge./. Abgänge | Abschreibungen | Restbuchwert 20t0 | Restbuchwert 20t1 |
Immat. AV | 78,0 | 10,0 | 8,0 | 40,0 | 42,0 |
SAV | 384,0 | 40,0 | 36,0 | 184,0 | 188,0 |
FAV | 24,0 | 2,0 | 0,0 | 18,0 | 20,0 |
Summe | 486,0 | 52,0 | 44,0 | 242,0 | 250,0 |
Dem [i]Anhangangaben zum Fallbeispiel Anhang sind folgende weiteren analyserelevanten Angaben zu entnehmen:
Die Sachanlagen sollen zur Gänze als abnutzbar betrachtet werden.
Die Vorräte entfallen zu einem Drittel auf Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und zu zwei Dritteln auf Halb- und Fertigfabrikate.
Der Zugang an Halb- und Fertigfabrikaten i. H. von 2/3 x 24 = 16 Mio. € in 20t2 bildet die Lagerbestandserhöhung in der GuV des Jahres 20t2 ab. Für das Jahr 20t1 soll von Lagerbestandsänderungen abgesehen werden.
Die Pensionsrückstellungen sind zur Gänze dem langfristigen Fremdkapital und die sonstigen Rückstellungen sind zur Gänze dem kurzfristigen Fremdkapital zuzuordnen.
Von den Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten sind kurzfristig 114,0 Mio. € (im Vorjahr: 84,0 Mio. €) zu verbuchen.
Von Abgrenzungsposten (RAP, latente Steuern) wird abgesehen.
Die Bilanz wurde nach Gewinnverwendungsbeschluss aufgestellt. D. h., das in der GuV ausgewiesene Ergebnis nach Steuern wurde i. H. der in der Bilanz ausgewiesenen Bestandsdifferenz der Gewinnrücklagen in diese eingestellt und i. H. des verbleibenden Betrags an die Anteilseigner ausgeschüttet.S. 33
Der Steuersatz vom Einkommen und Ertrag wird mit 33 % angenommen.
Es wurden jahresdurchschnittlich in 20t2 3.620 und in 20t1 3.996 Mitarbeiter in Vollzeitäquivalenten (VZÄ) beschäftigt.
Für das Vorjahr 20t1 soll angenommen werden, dass sich die langfristigen Rückstellungen gegenüber 20t0 um 1,0 Mio. € erhöht haben. Weiter soll für das Vorjahr 20t1 angenommen werden, dass sich das working capital gegenüber 20t0 um 2,0 Mio. € erhöht hat.
2. Erläuterungen zum Design
Der Jahresabschluss wurde in Bezug auf das Ausgangsjahr 20t1 wie folgt konstruiert:
Der Gesamtkapitalumschlag (Umsatz/Bilanzsumme) liegt bei 1,6 und damit leicht über dem üblichen Grenzwert von 1,5.
Die Anlagenintensität liegt bei genau grenzwertigen 50 %.
Die Eigenkapitalquote liegt mit 26 % knapp über den üblichen 25 %.
Die [i]Abbildung der Krisensituation des Fallbeispiels in der GuVKrisensituation wird im Rahmen der Gewinn- und Verlustrechnung wie folgt konstruiert:
Das Unternehmen erleidet einen Umsatzrückgang von 12 %. Dies ist einerseits signifikant; andererseits verglichen mit real auftretenden Krisensituationen noch moderat.
Material- und sonstiger betrieblicher Aufwand lassen sich im Wesentlichen proportional zur Gesamtleistung senken.
Der Personalaufwand geht nur wenig zurück. Einerseits möge es dem Unternehmen durch Ausnutzung der natürlichen Fluktuation gelingen, Personal im Umfang von knapp 10 % abzubauen, andererseits steigen die Personalkosten pro Vollzeitäquivalent durch tarifliche Gründe.
Die Abschreibungen nehmen gegen den Trend etwas zu, bedingt durch außerplanmäßige Abschreibungen.
Das Ergebnis der betrieblichen Tätigkeit sinkt drastisch. Gleichzeitig steigen die Zinsaufwendungen einerseits durch erhöhte Aufnahme von Finanzschulden; andererseits durch einen gestiegenen Zinssatz aufgrund verminderter Bonität.
Die [i]Auswirkungen auf BilanzAuswirkungen auf die Bilanz ergeben sich wie folgt:
Das negative Ergebnis nach Steuern mindert die Gewinnrücklagen und das Eigenkapital.
Das Anlagevermögen geht zurück, dies setzt aber voraus, dass Unternehmen kurzfristig auf die Krise mit einem sofortigen Investitionsstopp reagieren. Das ist nicht selbstverständlich und ein Positivszenario.
Jedenfalls vorübergehend werden in der Krise die Vorräte ansteigen, da der Produktionsprozess nicht kurzfristig unterbrochen werden kann.
In der Folge versuchen die Unternehmen, den angehäuften Vorratsbestand zu aus Sicht der Kunden günstigeren AGB zu veräußern. Hierzu gehört insbesondere ein Anstieg des Kundenziels. Im Ergebnis werden die Positionen des Umlaufvermögens zunehmen und voraussichtlich den Rückgang des Anlagevermögens überkompensieren.
Konsequenterweise wird die Summe des bilanziellen Vermögens zunehmen, verbunden mit einem erhöhten Kapitalbedarf. Da das Eigenkapital krisenbedingt wie beschrieben zurückgeht, muss das Fremdkapital überproportional zunehmen.
Die Lieferanten werden nicht bereit sein, längere Zahlungsziele als bisher zu gewähren. Folglich muss der erhöhte Kapitalbedarf mit Finanzschulden gedeckt werden. Dies führt in der Folge zu steigenden Zinsaufwendungen, einer weiter sinkenden Bonität und noch größeren Problemen, sich in Zukunft marktgerecht zu refinanzieren.S. 34
3. Bildung der Strukturbilanz
Durch [i]Strukturbilanz des FallbeispielsUmgruppierung der Passivseite nach der Fristigkeit lässt sich eingangs folgende Strukturbilanz bilden:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Aktiva (Mio. €) | Passiva (Mio. €) | ||||
Position | 20t2 | 20t1 | Position | 20t2 | 20t1 |
Anlagevermögen Umlaufvermögen (davon Finanzumlaufvermögen) | 232,0 278,0 (164,0) | 250,0 250,0 (160,0) | Eigenkapital Langfristiges Fremdkapital Kurzfristiges Fremdkapital | 120,0 118,0 272,0 | 130,0 118,0 252,0 |
Summe Aktiva | 510,0 | 500,0 | Summe Passiva | 510,0 | 500,0 |
Abb. 1: Strukturbilanz des Fallbeispiels
Es zeigt sich unmittelbar, dass die Strukturbilanz wenig trennfähig ist. In langfristiger Sicht sinken Anlagevermögen und Eigenkapital, in kurzfristiger Sicht steigen Umlaufvermögen und kurzfristiges Fremdkapital. Die vertikalen und horizontalen Bilanzstrukturen werden in der Folge mittels Kennzahlen operationalisiert und risikoorientiert interpretiert.
II. Analyseziele der Vermögenslage
Grundsätzliche [i]Grundsätzliche AnalysezieleAnalyseziele der Vermögenslage bilden die
Analyse der Vermögensstruktur mittels Bildung von Intensitätskennzahlen, d. h. den Werten von Vermögensgegenständen in % der Bilanzsumme,
Analyse des Vermögensumschlags mittels Bildung von Umsatzrelationen, d. h. den Werten von Vermögensgegenständen in % vom Umsatz bzw. Umschlagshäufigkeiten als deren mathematische Kehrwerte, welche als Bindungsdauern interpretiert werden,
Analyse des Vermögenszustands, insbesondere der Investitions-, Wachstums- und Abschreibungspolitik anhand der Angaben gem. § 284 Abs. 3 HGB.