BGH Urteil v. - 5 StR 247/23

Instanzenzug: Az: 515 KLs 21/21

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit schwerem Raub und gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung mehrerer Geld- und Freiheitsstrafen aus früheren strafrechtlichen Erkenntnissen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, von der es wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung drei Monate für vollstreckt erklärt hat. Zudem hat es Einziehungsanordnungen getroffen. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet.

21. Die Verfahrensrüge entspricht nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und ist deshalb unzulässig.

32. Die auf die Sachrüge veranlasste Nachprüfung des Urteils hat keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben. Dies gilt auch für den Gesamtstrafausspruch. Insbesondere ist gegen die nachträgliche Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe unter Einbeziehung von Geldstrafen aus früheren Erkenntnissen nach § 55 Abs. 1 iVm § 53 Abs. 1 und 2 Satz 1 StGB rechtlich nichts zu erinnern.

4a) Der Angeklagte war vom Amtsgericht Tiergarten am 30. April, 15. Mai und zu Geldstrafen und am vom Amtsgericht Burg zu einer Gesamtfreiheitsstrafe, gebildet aus zwei Einzelstrafen, verurteilt worden. Sämtliche Urteile waren zum Zeitpunkt des angefochtenen Urteils rechtskräftig; keine der Strafen war bis dahin vollständig vollstreckt. Die den früheren Verurteilungen zugrundeliegenden Taten hat der Angeklagte in der Zeit vom bis zum begangen, die abgeurteilte Tat am .

5Danach lagen alle Taten vor dem ersten Straferkenntnis vom ; sie hätten daher damals gemeinsam abgeurteilt und die hierfür verhängten Einzelstrafen zu einer Gesamtstrafe zusammengezogen werden können. Das Landgericht hat danach zu Recht die früheren Strafen einbezogen und eine nachträgliche Gesamtstrafe gebildet. Es hat damit § 55 Abs. 1 StGB entsprochen, der durch die Anordnung der Anwendung der §§ 53 und 54 StGB gewährleistet, dass ein Täter durch eine getrennte Aburteilung seiner Taten weder besser noch schlechter gestellt ist als durch eine gemeinsame (st. Rspr.; vgl. nur Rn. 13 mwN).

6b) Dem steht nicht entgegen, dass im amtsgerichtlichen Urteil vom davon abgesehen worden war, die in den Urteilen des Amtsgerichts Tiergarten verhängten Geldstrafen einzubeziehen, statt – wie von § 55 Abs. 1 StGB vorgeschrieben – insoweit nach § 53 Abs. 2 Satz 1 oder 2 StGB zu verfahren und in dem Urteil entweder auf eine (einzige) Gesamtfreiheitsstrafe oder daneben (gesondert) auf eine (Gesamt-)Geldstrafe zu erkennen (vgl. hierzu schon , BGHSt 25, 382, 384). Denn das zur Bildung der nachträglichen Gesamtstrafe nach § 55 Abs. 1 StGB berufene Tatgericht hat eine eigenständige Entscheidung unter Anwendung der §§ 53 und 54 StGB zu treffen; eine Bindung an die Gründe einer früheren Gesamtstrafenbildung besteht nicht (vgl. , NStZ-RR 2003, 9, 10). Danach hinderte der Umstand, dass das Amtsgericht Burg in seinem Urteil vom von einer Einbeziehung der Geldstrafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Tiergarten abgesehen hatte, das Landgericht nicht, die Geldstrafen in die von ihm neu zu bildende Gesamtstrafe einzubeziehen; vielmehr ist es mit der Einbeziehung seiner Pflicht aus § 55 Abs. 1 StGB nachgekommen, eine eigenständige Entscheidung gemäß § 53 Abs. 2 StGB zu treffen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 202/14, StraFo 2015, 30; vom – 5 StR 24/07, NStZ-RR 2007, 232; vom – 1 StR 659/91, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Strafen, einbezogene 5; Sander, NStZ 2016, 656, 657).

7c) Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO. Die Vorschrift verbietet, dass das angefochtene Urteil in Art und Höhe der Rechtsfolgen zum Nachteil des Angeklagten geändert wird. Denn der Angeklagte soll bei seiner Entscheidung darüber, ob er von einem ihm zustehenden Rechtsmittel Gebrauch machen will, nicht durch die Besorgnis beeinträchtigt werden, es könne ihm durch die Einlegung eines Rechtsmittels ein Nachteil in Gestalt härterer Bestrafung entstehen (st. Rspr.; vgl. nur , BGHSt 45, 308, 310 mwN). Es gilt mithin nur in dem anhängigen Verfahren (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 331 Rn. 4 f.; KK-StPO/Paul, 9. Aufl., § 331 Rn. 9). Ein solcher Fall liegt indes nicht vor. Insbesondere ist es hier nicht so, dass das Landgericht nach Zurückverweisung durch das Revisionsgericht eine durch das erste Tatgericht außer Betracht gelassene Geldstrafe nach § 55 iVm § 53 Abs. 2 Satz 1 StGB mit der Folge der Verhängung einer höheren Gesamtfreiheitsstrafe als im ersten Durchgang einbezogen hat (vgl. hierzu ; siehe auch , NStZ 1998, 34; , OLGSt StGB § 53 Nr. 4).

8d) Der Angeklagte hat durch die Nichteinbeziehung der in den Urteilen des Amtsgerichts Tiergarten verhängten Geldstrafen durch das Amtsgericht Burg auch keinen Vorteil erlangt, der ihm vom Landgericht nicht mehr hätte genommen werden dürfen. Zwar scheint eine Entscheidung des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs dafür zu sprechen, dass in einer wie der hier gegebenen Fallkonstellation eine Ausnahme von der von § 55 Abs. 1 StGB vorgeschriebenen Anwendung des § 53 StGB geboten sein könnte (vgl. ). Bei näherer Betrachtung erschöpfen sich die Ausführungen – unter Verweis auf das oben genannte Urteil des 3. Senats vom (3 StR 146/97, aaO) – in dem Hinweis an das nach Zurückverweisung durch das Revisionsgericht neu zur Entscheidung berufene Tatgericht, bei der zu treffenden Entscheidung das Verschlechterungsverbot zu beachten. Soweit der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs die Entscheidung in einem darüberhinausgehenden Sinn verstanden haben könnte (vgl. ), sind die Ausführungen nicht tragend; zudem hat der 2. Strafsenat den Weg nicht weiterverfolgt (vgl. , aaO). An seiner der hier getroffenen Entscheidung entgegenstehenden Entscheidung () hält der Senat nicht fest.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:211123U5STR247.23.0

Fundstelle(n):
ZAAAJ-55718