BGH Beschluss v. - 6 StR 469/23

Gesetze: § 73 StGB, § 73c StGB

Instanzenzug: LG Stendal Az: 501 KLs 4/23

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Betäubungsmittel- und Waffendelikten zu Freiheitsstrafen verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Ihre auf die Sachrüge gestützten Revisionen erzielen den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4, analog § 354 Abs. 1 StPO, analog); im Übrigen sind sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

21. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet, dass das Landgericht nicht geprüft hat, ob gegen den Angeklagten G.   die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) anzuordnen ist. Dazu hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:

„Anlass zu einer dahingehenden Prüfung bestand jedenfalls auf Grund der zur Person des Angeklagten und zu den Tatumständen getroffenen Feststellungen. Hiernach ist der Angeklagte wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz bereits in seiner Adoleszenz vierfach strafrechtlich in Erscheinung getreten (UA S. 5 f.). Er hat sich dahin eingelassen, dass er bis zu seiner Inhaftierung zwischen ein und drei Gramm Cannabis täglich konsumiert und Kleinstmengen im Internet erworben habe; die Botenwege für den Accountbetreiber habe er erledigt, weil ihm dafür Cannabis für den Eigenkonsum versprochen worden sei und er so seinen Konsum habe finanzieren können (UA S. 19). Tatsächlich hat der Angeklagte im Fall 4 der Urteilsgründe zehn Gramm Marihuana als Gehilfenlohn erhalten (UA S. 12). Zudem nahm die Zeugin W.   im Fall 2 der Urteilsgründe beim Angeklagten gerötete Augen, eine lallende Aussprache und ein nicht fokussiertes Verhalten wahr (UA S. 8). Angesichts dieser Feststellungen hätte sich die Strafkammer mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob die Unterbringung des jungen Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB anzuordnen ist (vgl. , Rn. 5).“

3Dem schließt sich der Senat an. Da das Vorliegen der übrigen Unterbringungsvoraussetzungen auch nach der Neufassung des § 64 StGB durch das Gesetz zur Überarbeitung des Sanktionenrechts vom (BGBl. 2023 I Nr. 203) angesichts der Feststellungen zur Person nicht gänzlich ausscheidet, muss über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt – unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a Abs. 1 StPO) – neu verhandelt und entschieden werden. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; vgl. mwN). Der aufgezeigte Rechtsfehler lässt den Strafausspruch unberührt.

42. Die gegen den Angeklagten M.   nach § 73 Abs. 1, § 73c StGB angeordnete Einziehung des Wertes von Taterträgen hat keinen Bestand. Denn der Angeklagte hat durch die Tat vom nichts im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB erlangt. Ein Tatbeteiligter erlangt einen Vermögensgegenstand, wenn dieser seiner faktischen Verfügungsgewalt unterliegt. Eine solche Verfügungsgewalt ist dann gegeben, wenn der Tatbeteiligte im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf den betreffenden Vermögensgegenstand nehmen kann.

5Hieran gemessen erlangte der Angeklagte an den der Polizeibeamtin entrissenen Geldscheinen keine faktische Verfügungsgewalt, weil er keinen gesicherten Besitz an dem Geld hatte. So warf er bei seinem Fluchtversuch einen Teil des Geldes in die Luft; das bei ihm verbliebene Geld konnte bei der unmittelbar danach erfolgten Festnahme sichergestellt werden (vgl. , BGHR StGB § 73 Erlangtes 30; vom – 1 StR 421/21, NStZ-RR 2022, 339; Beschluss vom – 3 StR 343/22).

63. Angesichts des geringen Erfolges der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten M.   mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:281123B6STR469.23.0

Fundstelle(n):
KAAAJ-55386