Online-Nachricht - Donnerstag, 07.12.2023

Umsatzsteuer | Zum Vorsteuerabzug beim Wechsel von der Durchschnittssatzbesteuerung zur Regelbesteuerung (BFH)

Wechselt der Steuerpflichtige zwischen Leistungsbezug und Verwendungsumsatz freiwillig oder kraft Gesetzes von der Durchschnittssatzbesteuerung zur Regelbesteuerung, ist der Vorsteuerabzug unter den Voraussetzungen der § 15a Abs. 7 UStG, Art. 192 MwStSystRL zu berichtigen (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin, die bis einschließlich 2021 ihre Umsätze aus ihrem landwirtschaftlichen Unternehmen nach Durchschnittssätzen gem. § 24 UStG versteuerte, Vorsteuer aus Rechnungen abziehen kann, deren Aufwendungen zwar im Streitjahr 2021 entstanden sind, jedoch für Umsätze im Jahr 2022 verwendet werden sollen, einem Jahr, in dem sie wegen des Überschreitens der Grenze von 600.000 € zur Regelbesteuerung übergehen muss (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 21.6.2022).

Der BFH führte hierzu u.a. aus:

  • FG hat zu Unrecht entschieden, dass die geltend gemachte Vorsteuer im Streitjahr abgezogen werden kann. Im Streitjahr kann Vorsteuer nur im Umfang der Umsatzsteuer auf die erzielten Umsätze berücksichtigt werden.

  • Für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze werden im Streitjahr die Steuer i. S. von § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 UStG gem. § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG und die diesen Umsätzen zuzurechnenden Vorsteuerbeträge gem. § 24 Abs. 1 Satz 3 UStG auf jeweils 10,7 % der Bemessungsgrundlage festgesetzt. Dadurch gleichen sich Steuer und Vorsteuer aus, so dass der Landwirt im Ergebnis für diese Umsätze keine Umsatzsteuer zu entrichten hat.

  • Der Vorsteuerabzug aufgrund tatsächlicher Leistungsbezüge für den land-wirtschaftlichen Betrieb war bei Leistungsbezug nach § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG ausgeschlossen; denn das Verbot eines weiteren Vorsteuerabzugs gemäß § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG bezieht sich auf den Zurechnungsbereich des Leistungsbe¬zugs zu den land- und forstwirtschaftlichen Umsätzen (vgl. ).

  • Besteht wie im Streitfall im Jahr des Leistungsbezugs nur ein der Durchschnittssatzbesteuerung unterliegendes landwirtschaftliches Unternehmen, so kommt von vornherein nur eine Zuordnung der Eingangsleistung zu diesem Unternehmen in Betracht mit der Folge, dass statt des Abzugs der in der Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer als Vorsteuer gem. § 15 UStG nur eine Vorsteuerentlastung nach § 24 Abs. 1 Satz 3 und 4 UStG, bemessen nach Ausgangsumsätzen, eintritt (vgl. ).

  • Die gesetzliche Einführung der Gesamtumsatzgrenze von 600.000 €, die auf Umsätze anzuwenden ist, die nach dem bewirkt werden (JStG 2020), führt im Streitjahr nicht zu einer anderen Beurteilung.

  • Im Fall des Wechsels verbleibt es bei dem Grundsatz; zunächst ist der (weitere) Vorsteuerabzug nach § 15 UStG aufgrund der Regelung des § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG ausgeschlossen und nach dem Wechsel zur allgemeinen Besteuerung gegeben (vgl. ). Für den Fall, dass der Wechsel kraft Gesetzes eintritt, gilt indes nichts anderes.

  • Diese Auslegung des § 24 UStG entspricht auch den formellen Anforderungen, die mit dem Wechsel zur Regelbesteuerung einhergehen. So setzt z. B. erst mit dem Übergang zur Regelbesteuerung die Aufzeichnungspflicht des § 22 Abs. 2 Nr. 5 und 6 UStG für den Land- und Forstwirt ein. Davor ist der land- und forstwirtschaftliche Betrieb (auch) von ihr befreit (§ 67 Satz 1 UStDV). Die gegenteilige Ansicht der Klägerin und der Vorinstanz würde zu erheblichen Nachweisproblemen führen.

  • Das Unionsrecht steht dem nicht entgegen.

  • Ob die in § 15a Abs. 7 UStG, Art. 192 MwStSystRL vorgesehene Vorsteuerberichtigung im Jahr 2022 aufgrund von § 44 UStDV ausgeschlossen ist, war im Streitfall, der das Jahr 2021 betrifft, nicht zu entscheiden.

Anmerkung von Prof. Dr. Alois Nacke, Richter im XI. Senat des BFH:

Die Entscheidung des BFH behandelt die durch eine Gesetzesänderung sich ergebenden Konsequenzen. Mit Festlegung der Grenze für eine Durchschnittssatzbesteuerung bei Land- und Forstwirten mit 600.000 € (§ 24 Abs. 1 Satz 1 UStG in der Fassung des JStG 2020), sind land- und forstwirtschaftliche Unternehmen im Jahr 2022 gezwungen gewesen, von der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG zur Regelbesteuerung zu wechseln. Dieser Wechsel führte zu Inkongruenzen, die von der Klägerin aufgezeigt wurden. Wurden Aufwendungen für die weibliche Nachzucht bei den Milchkühen im Jahr 2021 nur mit der Durchschnittssatzbesteuerung berücksichtigt, wurden die Ausgangsumsätze, die durch diese Nachzucht im Jahr 2022 vereinnahmt wurden, mit dem Regelsteuersatz versteuert. Darin sah die Klägerin eine Rechtsverletzung. Denn die Eingangsumsätze sollten für die vollversteuerten Ausgangsumsätze verwandt werden.

Der BFH lehnte diese Kritik ab. Die durch die Gesetzesumstellung sich ergebenden Widersprüche können nach Auffassung des BFH grundsätzlich durch § 15a Abs. 7 Halbsatz 2 UStG im Rahmen einer Berichtigung gelöst werden. Ein Widerspruch zum EU-Recht sieht der BFH ebenfalls nicht.

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass der BFH hier einerseits zwar eine restriktive Haltung einnimmt und gewisse Ungereimtheiten bei der gesamtwirtschaftlichen Neutralität hinnimmt. Andererseits führt dies aber auch zu einer klaren Abgrenzung der Besteuerungsregime, wie dies ansonsten von der Rechtsprechung auch bisher beachtet wurde.

Quelle: ; NWB Datenbank (JT)

Fundstelle(n):
MAAAJ-54331